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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

18. 6. 2012 - 15:00

„Weltschmerz gefällt mir“

Der Schauspieler Lars Eidinger im FM4-Interview.

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Lars Eidinger,wurde 1976 in Berlin geboren, wo er nach wie vor lebt. Seit 13 Jahren spielt er an der Berliner Schaubühne und ist nach 150 Mal den Hamlet geben, ein wenig müde. Seit drei Jahren ist er auch dem Kinopublikum kein Fremder mehr, zumindest jenen Mittdreißigern nicht, die das Abbild ihrer von Perspektiv-, Sinn-, und Kinderlosigkeit geprägten Beziehungen in „Alle Anderen“ gesehen haben. Und wenige wollten dieses Abbild der Realität versäumen. Lars Eidinger, so sagt er, interessiert dennoch etwas anderes, nämlich das Ausloten extremer Charaktere, ihn interessieren Filme, in denen es um mehr als leere Kontos und zerrüttete Beziehungen geht. Seit vergangener Woche kann man ihn in „TABU – Es ist die Seele ein Fremdes auf Erden“ als Georg Trakl im Kino erleben und Eidingers Interpretation eines von Weltschmerz, Depression und Drogensucht gezeichneten Dichters sehen. Das ist beeindruckend, wenn auch der Titel des Films zeigt, wie man Gedichtzitate nicht verwenden darf, es ist eine Verballhornung Trakls. Aber dafür kann Lars Eidinger nichts.

Lars Eidinger

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Mit Georg Trakl wird immer so eine Art Menschheitsdämmerung verbunden, eine Vorahnung auf den ersten Weltkrieg. Was war für dich das vorherrschende Gefühl in deiner Vorbereitung auf die Rolle von Georg Trakl?

Es ist nicht so leicht zu erklären, weil es nicht auf der ersten Ebene funktioniert, dass man sagt, man kann das alles so benennen, um was es geht. Es geht um ein Gefühl und um eine Atmosphäre, die er beschreibt und darüber versteht man auch, in welcher Verfassung er ist. Da hab ich gemerkt, dass ich ganz schnell einen Zugang dazu kriege. Weltschmerz ist so ein Begriff, mit dem ich viel anfangen kann, der in gewisser Weise auch schwammig ist, aber der gefällt mir. Vieles mit dem er sich auseinandersetzt, hat damit zu tun, weil er beschreibt ja teilweise einfach Landschaften, aber die Art, wie er das beschreibt… mich erinnert das manchmal an David Lynch. Davis Lynch funktioniert auch so, dass er etwas relativ Alltägliches zeigt, das aber mit seiner Stimmung einfärbt und man plötzlich draufguckt und es fremd wird und einem Angst macht, obwohl es nur eine Landschaft ist.

Jetzt ist das der zweite Film nach „Alle Anderen“, der sich um ein kompliziertes Liebesverhältnis dreht. Reizt dich diese Konstellation oder ist das eher ein Zufall?

Das ist eher ein Zufall. Mich reizt eigentlich was ganz anderes. Ich bin kein Spezialist für Beziehungsdramen, das hat sich halt so angeboten. Mich hat vor allem gereizt, dass diese Figur des Georg Trakl so weit weg ist von Chris in „Alle Anderen“ , dass sie mir erlaubt, extremer zu sein und etwas zu spielen, das man im Film nicht so oft findet, das man im Theater viel öfter hat, weil es so existentiell ist, es geht ja darum, ein Genie zu zeigen und jemanden, der an der Welt verzweifelt. Ganz oft hat man ja im Fernsehen und im Film nur die Möglichkeit, Alltag widerzuspiegeln.

Und was dich mehr reizt, ist, nicht nur das Alltägliche im Film zu spielen?

Genau. Da stößt man schneller an seine Grenzen, das macht mir keinen Spaß, wenn alles so limitiert ist, weil man sich nur im Alltäglichen aufhält. Ich hab die Lust als Schauspieler ins Extreme zu gehen, auch Sachen im Film zu erleben, die ich sonst nicht erleben kann. In Figuren zu schlüpfen, die einem ein viel größeres Extrem an Emotionalität erlauben. Weil ganz oft geht’s im Film ja nur darum, mein Konto ist leer oder meine Frau hat mich verlassen, das sind auch existentielle, tragische Themen, aber in gewisser Weise ist man da schon sehr eingeschränkt.

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