Erstellt am: 17. 6. 2012 - 12:00 Uhr
Song zum Sonntag: Alice Cohen - Cascading Keys
Wer sich in den vergangenen drei, vier Jahren ein wenig mit Lo-Fi-Heimwerker-Musik aus dem Schlafzimmerstudio, Musik an der Schnittstelle von Noise, weirder Elektronik und richtig, echtem Pop und den damit einhergehenden Trend-Schubladen "Chillwave" und "Hypnagogic Pop" befasst hat, der wird kaum an dem New Yorker Plattenlabel Olde English Spelling Bee vorbeigekommen sein.
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über Alice Cohen macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
Olde English Speeling Bee haben wunderbare Platten vom vermeintlichen Hypnagogic-Pop-Übervater James Ferraro veröffentlicht, Musik der französischen Synthesizer-Magierin Stellar OM Source, den sexy Rumpelkammer-R'n'B von Autre Ne Veut oder auch die geisterhaften Sound-Basteleien des englischen Produzenten Forest Swords.
Hohe Wellen im sogenannten "Underground" und der gerechte Hype in so ziemlich allen relevanten Spezial-Blogs müssen bekanntlich aber dann leider doch nicht bedeuten, dass es sich finanziell ausgeht für so ein kleines Label wie Olde English Spelling Bee - weshalb der Betrieb vor eineinhalb Jahren bis auf Weiteres eingestellt wurde.
Alice Cohen
Jetzt kommen Olde English Spelling Bee so langsam wieder auf die Beine und kehren mit einem feinen Album zurück, das diese Woche erscheint: "Pink Keys" von Alice Cohen. Die Musikerin Alice Cohen blickt auf eine bewegte Karriere zurück: In den frühen 80er war sie in der New Yorker No Wave-Szene unterwegs und hat den Disco-Hit "Deetour" für für Karen Young geschrieben; in den 90ern hat sie in der Grunge-Band Die Monster Die gespielt, kurzzeitig mit dem DFA-Duo Delia & Gavin gearbeitet und sie dreht Musikvideos für solch coole Bands wie Ducktails.
"Pink Keys" ist jetzt das schon vierte Solo-Album von Alice Cohen, es ist ihr bestes und ausgereiftestes geworden, während ihre früheren Platten dann doch eher von einem schrottigen Charme denn von tatsächlich vielen richtig guten Songs lebten.
Pink Keys
Die Vorabsingle - und gleichzeitig das Eröffnungsstück der Platte nennt sich "Cascading Keys" - es wird von einer einem warmen Sprühregen gleichen Cembalo-Melodie getragen und bündelt in einem betont schlicht angelegten Stück Musik auf schön schlaftrunken machende Art und Weise so vieles, was den Sound des Labels Olde English Spelling Bee und das Werk von Alice Cohen ausmacht. Verhaltene und billig klingende, dabei in einer seltsamen Fassion funky eiernde Beats kommen aus einer alten Linn Drum-Machine, verspukte 80er-Disco-Sounds und Wave-Anleihen - alles eingespielt am analogen Gerätepark von Alice Cohen selbst - und dunkle Synthesizer-FLächen werden mit einer süßlichen, sich sehnenden Gesangs-Melodie gekoppelt. Das erinnert an elektronisch leise glimmenden kosmischen Krautrock ebenso wie an den Traum- und halluzinogenen Trugbild-Pop von Kate Bush in wehenden Gewändern oder die große 80er-Band Cocteau Twins, die ja jetzt immer wieder gerne - und zu Recht - als Referenzmodell herhalten darf.
"Cascading Keys" ist ein Stück, das Do-It-Yourself-Gestus, unbeholfene Abenteuer mit dem Chemie-Baukasten, das Bedürfnis nach experimenteller Klangforschung und den unbedingten Wunsch, dabei im Herzen astreiner Pop-Song sein zu wollen, vereint. Es kann ja auch manchmal alles so einfach sein.
ALICE COHEN "CASCADING KEYS" from OLDE ENGLISH SPELLING BEE on Vimeo.