Erstellt am: 16. 6. 2012 - 15:14 Uhr
EM-Journal '12-42.
Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.
Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:
Gruppe A
Polen / Griechenland
Russland / Tschechien
Gruppe B
Niederlande / Dänemark
Deutschland / Portugal
Gruppe C
Spanien / Italien
Kroatien / Irland
Gruppe D
England / Frankreich
Schweden / Ukraine
Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.
FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen. Für Regenwetter gibt es Indoors-Screens.
Gestern abend war wieder Götterbewunderungszeit. Nein, nicht Andriy Shevchenko ist gemeint, der hält sich für einen König, das ist ein anderer Komplex. Zlatan Ibrahimovic hingegen hält sich für einen Gott; einen, dem natürlich viel zu selten, zu wenig ausführlich, zu wenig umfassend gehuldigt wird.
Dass seine Leistungen, vor allem die im schwedischen Nationalteam selten bis noch fast nie göttlich waren und dass sein Auftreten eher an Sascha Baron Cohen in The Dictator gemahnt, also an einen sehr weltlichen Despoten, stört diese Idylle nur aus Rezeptionssicht.
Zu vieles ist nur Fassade: etwa die Tatsache, dass Zlatan Ibrahimovic mit Ajax, Juve, Inter, Barca und Milan bei gleich fünf der allergrößten Vereine spielte, also ein toller Hecht sein muss. Sieht man sich an, was diese Groß-Clubs in der Phase, die er bei ihnen war, zusammenbrachten, relativiert sich die Sicht (Barca holte in seiner Saison sechs Titel - allerdings auch, weil er kaum eingesetzt wurde, bei Inter wurde sein Abgang als Möglichkeit das Team endlich durchzuputzen betrachtet).
Denn Ibrahimovic ist kein Teamleader, keiner, der eine Truppe anleiten, motivieren, durch schwächere Phasen spielen kann. Er ist ein Ego-Shooter, der ein perfektes Team hinter sich braucht, um seine unbestreitbaren Stärken wirklich ausleben zu können. Er ist eine Diva, kein Kapitän.
Dummerweise glaubt man in Schweden, dass beides zusammengeht.
Und fällt damit, seit Zlatan den Chef markiert, regelmäßig auf die Schnauze, steht auf, probiert's wieder und landet wieder - wie gestern gesehen - im Out.
Auch weil es der Captain in seiner Rolle als beleidigter Stehgeiger war, der nicht ein Jota dazu beitragen konnte, dass sich seine Mannschaft nach dem zweiten Rückstand noch einmal aufrafft. Ibrahimovic will das in diesen Momenten dann auch nicht, er agiert als Fatalist, ergibt sich seinem Schicksal und zieht so sein Team (wenn es nicht mehr Kraft hat als er; was bei den Schweden aktuell eben nicht der Fall ist) mit runter.
Fatalist Ibrahimovic, Diva Ronaldo
Es gibt einen anderen Spieler, eine andere selbsternannte Gottheit, einen anderen Leader, der mit seinem National-Team noch nie so richtig was gerissen hat, den man gerne mit Ibra vergleicht: Cristiano Ronaldo.
Das stimmt nur bedingt.
Die Vereine, bei denen Ronaldo spielt/e (ManU und Real), haben es mit ihm und durch ihn zu großen Ehren gebracht. Ronaldo kann zwar auch wehleidig, pampig und lustlos sein, wenn ihn etwas anzipft, aber zumindest im Nationalteam (und zumeist eh auch bei seinen Vereinen) stellt er sich auch dann, wenn bei ihm es nicht läuft, in den Dienst der Mannschaft und ackert. Und für Team Portugal ist er ein funktionierender Kapitän; das mag für viele nicht nachvollziehbar sein, in jedem Match wieder überraschend, aber es klappt.
Auch weil Portugal natürlich über andere Chefs verfügt, weil nicht jede Aktion über Ronaldo laufen muss - was nicht nur mit seiner Flügelposition, sondern mit der gesunderen Hierarchie zu tun hat.
Ibrahimovic hingegen ist bei jedem Angriff, der nicht über ihn läuft, beleidigt und bleibt dann, quasi zur Strafe, ein paar Minuten lang stehen um die anderen böse anzufunkeln.
Das ist, was die Sozialdynamik des Spiels betrifft, ein echter Killer; dagegen sind die Sperenzchen, die Ronaldo bei seinen Standards betreibt, ein Klacks. Außerdem, das haben wissenschaftliche Untersuchungen belegt, ist seine Art der Positionierung und Ausführung von Freistößen tatsächlich ein technischer Qualitätsverstärker, also ein Bringer.
Die Angst der Fußball-Fans vor allem was schwul sein könnte
Komischerweise finden die meisten der über Cristiano Ronaldo so gern Empörten den also viel pampigeren und patzigeren (und mittlerweile auch langsameren und lahmeren), den viel weniger mannschaftsorientieren und destruktiveren Spieler, nämlich Zlatan Ibrahimovic trotzdem eindeutig cooler.
Da die Qualitätsunterschiede so offen zutage liegen, drängt sich bei mir da der Verdacht auf, dass es im CR7-Bashing doch hauptsächlich um diese männliche Fußballfan-Angst vor allem was man schwul nennen könnte, geht.
Ronaldo repräsentiert nämlich alles, womit sich Männer, nicht nur im Sport, sondern im echten Leben, angreifbar machen können: er exponiert sich, um seine Qualität zu forcieren, in dem er klassische fußballerischen Männer-Riten ausspart und stattdessen weiblich konnotierte Fähigkeiten (Tänzerisches, Trickserisches, gewandte Zickigkeiten...) in sein Spiel einfließen lässt.
Das macht ihn den allermeisten der männlichen, erwachsenen Fußball-Fans unheimlich, ganz gewaltig sogar. Den Kids, die noch nicht so in seperierten Geschlechterrollen denken, ist das meist egal - sobald sie aber in ein Alter/in eine gesellschaftlich bedingte Position kommt, wo sich männliche und weibliche Prinzipien wieder entflechten (und das passiert auch noch mitten ima aufgeklärten Europa) gilt es sich zu entscheiden. Und ab da ist Ronaldo dann den vielen ganz echten Männern zu schwul.
Wie der schon läuft und übersteigt, wie er sich bei seinen Freistößen ziert, wie sehr er seinen Instinkten vertraut, wie oft er dann in vollem Lauf anrennt und scheitert, wie er Emotionen bis hin zur angedeuteten Heulerei zeigt!
Scheinmögen und Selbstbetrug
Dass Cristiano Ronaldo da oft künstlich einen drauflegt (im Deutschland-Spiel wechselte er in der Halbzeit nicht nur das Dress - von Longsleeve zu Shortsleeve - sondern verpasste sich auch eine andere Frisur) verschärft die Fronten noch. Und natürlich auch die Sichtbarkeit des Erfolgs: Ronaldo steht gemeinsam/knapp hinter Messi ganz oben, gehört zu den Top2-3 Spielern der Welt, seit Jahren.
Dass die Jungs-Fraktion da den tendenziell eher mit dem "Willst-du-Watsche-mit-Fuß?"-Blick herumlaufenden Ibrahimovic lässig findet, ist zum großen Teil Selbstbetrug. Niemand mag Bullies, noch dazu solche, die selbst zur Niederlage ihrer Gang beitragen und dann auch noch beleidigt sind.
Ibrahimovic wird deshalb so sehr scheingemocht, damit niemand zugeben muss, Ronaldo und seine Spielweise doch wesentlich attraktiver zu finden - was sie, nach allen objektivierbaren Kriterien, es gibt da wie gesagt einige wissenschaftliche Aufarbeitungen, auch ist. Alles nur um sich vor den Mädchen, die Ronaldo instinktiv gut finden, nicht auch als Mädchen dazustehen...