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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

16. 6. 2012 - 17:16

Spielen als jugendliche Lebensrealität

Die neu eröffnete "Area 52" bietet über 60 Computerspielstationen. Man verortet sich weniger als verspieltes Jugendzentrum sondern mehr als E-Sport-Trainingsraum.

Gemeinschaftliches Computerspielen ist im Laufe der letzten Jahrzehnte immer wieder von der Technik überholt worden: Ganz früher ist man zum Videospielen in Spielhallen gegangen, hat den Stars beim Vollziehen ihrer Highscores zugesehen und ist vor versammelter Spieler/innenschaft gegeneinander angetreten. Doch irgendwann kamen schicke Heimkonsolen, die dasselbe Spielerlebnis in die Wohnzimmer holten und die Arcades mussten schließen.

Ein paar Jahre später war es üblich, einen zweiten Joystick zu kaufen und sich eine Tastatur zu teilen, um an einem Rechner erbitterte Schlachten "Summer Games" oder "Worms" auszutragen. Doch irgendwann kamen das Nullmodemkabel und Wählmodems und man saß zumindest mal im anderen Zimmer.

Rund um die Jahrtausendwende haben sich große Veranstaltungshallen plötzlich mit hunderten von Jugendlichen gefüllt. Sie haben ihre klapprigen Autos mit schweren Röhrenmonitoren, teuer aufgerüsteten Tower-PCs und alten Schlafsäcken beladen und sind zur nächstgelegenen LAN-Party gefahren. Doch irgendwann wurden die Internet-Anbindungen schneller und man hat fortan das Computerschleppen aus Bequemlichkeit sein lassen.

Die "Area 52" von außen: Gemeindebau-Stil mit beigem Verputz und weißen Fensterrahmen.

Christoph Weiss, ORF Radio FM4

Ein wiederauferstandenes Relikt

Kein Wunder, dass das ursprüngliche Konzept der "Area 52" - einen fixen Standort für Multiplayer-Gaming in Wien zur Verfügung zu stellen - schnell Schnee von gestern wurde. Bei der ersten Eröffnung 2003 waren LAN-Parties an ihrem kommerziellen Höhepunkt angelangt - und damit fast schon wieder obsolet. Die "Area 52" hat ihre Computerspielinfrastruktur (vorwiegend an Wochenenden) vermietet, musste aber nach wenigen Jahren gegenüber den stets schneller werdenden privaten Netzanbindungen aufgeben.

Das neue Mehrspieler-Erlebnis im Internet hat die Ära der lokal miteinander vernetzten Rechner ausklingen lassen und das aufstrebende Online-Gaming (mit seinen immer niedrigeren Ping-Zeiten) professioneller gemacht: E-Sport, kompetitives Computerspielen also, wurde von der Kuriosität zu einem lukrativen Markt, der seit den letzten paar Jahren auch in Europa an Boden gewinnt. Ein idealer Zeitpunkt also, um für die Betreiber der "Area 52" wieder reinzugrätschen und einen frisch konzeptionierten Neustart zu wagen.

Area 52.2

Jetzt ist die selbstbezeichnete Gaming-Lounge in vollem Eifer mit über 60 Spielstationen aufgestockt und wieder eröffnet worden. Die Ausrichtung wird zeitgenössischer Videospielkultur gerecht: Schnelle PCs mit spezieller Peripherie, Xbox-360-Konsolen mit kabelgebundenen Controllern (um Reaktionsausfälle im Mikrosekundenbereich auszuschließen) und zum Drüberstreuen auch ein paar PlayStations, zwei barrierefreie Plätze und zwei Racing-Cockpits.

Stefan Baloh, der Präsident des E-Sport-Verbands Österreich, sitzt an einer Rennspielstation in der "Area 52".

Christoph Weiss, ORF Radio FM4

Stefan Baloh, Leiter des österreichischen E-Sport-Verbandes.

Die Atmosphäre ist zwar heller als in koreanischen Gaming-Lagern, und doch deutet auch in der "Area 52" alles darauf hin, dass hier nicht nur zum Spaß gespielt wird. Die schlicht eingerichteten Spiele-Booths, die omnipräsenten Werbesticker der Sponsoren und Partnerfirmen und die nicht vorhandenen Ablenkungen (eine Couch vielleicht?) machen klar, dass es hier nicht nur um ein Akzeptieren und Unterstützen von jugendlicher Lebensrealität geht. Hier steht der Wettbewerb im Vordergrund, es geht um vor allem männlich besetzte Konkurrenzkämpfe, die eben nicht am Sportplatz sondern mit Maus, Tastatur und Controller ausgefochten werden.

Nun ist E-Sport weder verwerflich, noch uninteressant. Er ist wirtschaftlich attraktiv und bietet ein Fundament für kulturellen und gesellschaftlichen Austausch. Dennoch ist sportliches Spielen nur ein Ausschnitt von digitaler Spielkultur, der noch dazu eng mit dem aufwändig polierten, kommerziellen Spiele-Mainstream verknüpft ist. Schwer vorstellbar, dass Gelegenheitsspieler/innen, Indie- und Retro-Gamer oder ludische Menschen, die mehr an unverkrampfter Unterhaltung als verbissenem Wettbewerb interessiert sind, öfter als einmal die "Area 52" besuchen werden, zumal auch die Preise für ein Kurz-mal-Vorbeischauen ziemlich happig sind.

Computerspielstationen in der "Area 52".

Christoph Weiss, ORF Radio FM4

Die "Area 52" liegt nahe an der U6-Station Floridsdorf.

Jugendliche Gamer und junge Erwachsene, die viel spielen und sich gerne aneinander messen, können sich aber keinen besseren Trainingsplatz wünschen. Mit der Unterstützung von Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend und der Stadt Wien ist den Betreibern auch ein gesundes Spiel-/Nichtspielverhältnis wichtig, Eltern können sich zudem sowohl vor Ort als auch online kompetente Information und Unterstützung für des Nachwuchs' Lieblingshobby einholen. Insofern ist der "Area 52" trotz der recht einseitigen Ausrichtung alles Gute und nachhaltiger Erfolg zu wünschen. Und wer weiß, vielleicht gibt's ja auch demnächst schon eine Ecke für die quirky kids, mit "Minecraft" und "Super Crate Box", abgeranztem Sofa und bröselnden Snacks.