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Martina Bauer

Geschriebenes und zu Beschreibendes. Literatur und andere Formate.

16. 6. 2012 - 15:00

Willst du mit mir spielen?

Nach zwei hochgelobten Kurzgeschichten-Bänden hat die junge, deutsche Autorin Franziska Gerstenberg ihren ersten Roman veröffentlicht. „Spiel mit ihr“ heißt er und trägt seinen Inhalt gewissermaßen im Titel.

Familie rennt weg, Buchcover "Spiel mit ihr" von Franziska Gerstenberg

Schöffling & Co.

Franziska Gerstenbergs "Spiel mit ihr" ist bei Schöffling & Co erschienen.

Reinhard ist Rechtsanwalt. Anfang 50 und geschieden aus einer bizarren Zweierbeziehung. Vor kurzem hat er die Welt des Internets als Nicht-Arbeitsinstrument entdeckt - sowie die der Sexspielchen. Seine neue Gespielin heißt Kristine. 40, Mutter eines sechsjährigen Kindes und seit Emmas Geburt praktisch mit keinem Mann mehr intim.
Reinhard wie Kristine sind also ausgehungert. Darüber kommt Töchterchen Emma nicht selten zu kurz; worauf die sich wiederum einen neuen Spielgefährten sucht. Den eigenartigen, in einer Art Kinderrolle gefangenen Nachbarn Herrn Meisner.

So die Grundkonstellation in Franziska Gerstenbergs „Spiel mit ihr“, die wohl nicht gut gehen kann. Es ist ihr drittes Buch und gleichzeitig der erste Roman. Die ersten beiden waren die sehr gelobten Kurzgeschichten-Bände „Wie viel Vögel“ (2004) sowie „Solche Geschenke“ (2007).
Warum jetzt ein Genrewechsel? Gerstenberg meint, es habe bei ihr immer mit dem Stoff zu tun: "Wenn ich eine Geschichte im Kopf habe, die ich gut in 25 Seiten erzählen kann, warum auf 250 auswalzen?"

Sympathische Einstellung!

In diesem Fall war es klarer Romanstoff. Gerstenberg wollte mehrere Stimmen, viele Handlungsstränge und Ebenen, "da hab ich Lust, auf den Schluss langsam hinzuarbeiten, ein bisschen mit dem Leser zu spielen, ihn zu täuschen."

Womit wir wieder beim Thema wären.

Franziska Gerstenberg

Franziska Gerstenberg, Privat

Franziska Gerstenberg

Darbietungen

In „Spiel mit ihr“ wird auf vielerlei Arten, mit den unterschiedlichsten Beteiligten gespielt. Mann und Frau, Mutter und Kind, „Onkel“ mit Kind, Kind mit weiterem Onkel und Haustier – sowie jede/r in der gesellschaftlichen Rolle. Und jede/r hat das Potential (sich) dabei zu verlieren.

Es geht um Macht-, Sex-, aber auch normale Kinderspiele. Auch die können grausam sein. Und es ist ein Reigen der Abhängigkeiten. Gerstenberg sagt, es hat sie interessiert, wie psychische Gewalt, auch von einem Kind, weitergeben wird. Dabei war es ihr wichtig, ihre Figuren beim Schreiben zu verstehen; wenn die Biografie nachvollziehbar sei, kann man niemanden verdammen. Erzählt wird aus zwei Perspektiven, in mitunter kurzen Kapiteln.

Sie selbst sei übrigens auch eine Spielerin, verrät die Autorin im Interview. Zum Schreiben sei sie letztlich übers Theater-Spielen gekommen; auch an ihre neuen Figuren habe sie sich spielerisch herangetastet - und setzt sie hinzu: "Ein Grund, warum ich so gerne Erzählungen schreibe, ist, dass es dann möglich ist, innerhalb eines Buches in 20,30,35 verschiedene Rollen zu schlüpfen."

Persönlich liest Franziska Gerstenberg kurze Geschichten ebenfalls beinahe am liebsten; weil frau dann bis zum Ende in einem durchlesen könne, ohne Absetzen. Eine ihrer Lieblingsautorinnen ist Alice Munro, weil die es schafft, in 25 Seiten ein rundes Leben zu kreieren, schwärmt die Autorin. Auch die nächsten Pläne Gerstenbergs könnten wieder mit Erzählungen zu tun haben – aber es brauche immer eine Weile, bis sie einen festen Plan fasse. Derzeit sei die schöne Phase des Tastens und Ausprobierens.

Anmerkung

Ein Wort zu Gerstenbergs ersten beiden Büchern. Besonders die Kurzgeschichten aus „Solche Geschenke“ (2007) hatten es mir angetan.

Kette, Buchcover von "Solche Geschenke" von Franziska Gerstenberg

Schöffling & Co.

Auszug aus "Solche Geschenke". Ebenfalls Verlag Schöffling&Co.

Beim damaligen Lesen notierte ich: wunderbare, eindringliche Texte, die im Gedächtnis haften bleiben. Direkt und realistisch, vollgefüllt mit den großen und kleinen Problemen des Alltags und seinen Peinlichkeiten. Sowie der Paranoia, die manche von uns hin und wieder befallen kann. So unmittelbar ist die Unmittelbarkeit mitunter, dass frau denkt, alles, was sie bisher gelesen hat, waren auch nur Klischees.

Doch zurück zum aktuellen Roman: Lass mich dein Bauer sein - so lauten seine ersten Worte und bringen mich zu dem, was ich sozusagen interessant fand. Die Sexspielchen in "Spiel mit ihr" sind gewissermaßen „sehr gut“ beschrieben; schrammen nah am erotischen Liebes-Schund-Roman. Deine Art der Persiflage?, frage ich also Franziska Gerstenberg: "Ich glaube, literarisch steckt da schon ein Stück Persiflage drinnen, wobei ich mich damit nicht über diese beiden Menschen lustig machen möchte (...) - natürlich hat mir das als Autorin auch die Möglichkeit gegeben, in ganz andere Genres reinzuriechen und mich zu fragen, wie fühlt sich denn Sex auf der Kuhweide an."

Panem et circenses á la Franziska Gerstenberg - nachzufühlen und -lesen in ihrem neuen Roman "Spiel mit ihr".