Erstellt am: 15. 6. 2012 - 14:31 Uhr
EM-Journal '12-39.
Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.
Das waren die gestrigen Spiele zwischen Italien und Kroatien sowie Spanien gegen Irland.
Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:
Gruppe A
Polen / Griechenland
Russland / Tschechien
Gruppe B
Niederlande / Dänemark
Deutschland / Portugal
Gruppe C
Spanien / Italien
Kroatien / Irland
Gruppe D
England / Frankreich
Schweden / Ukraine
Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.
FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen. Für Regenwetter gibt es Indoors-Screens.
Kluge Menschen warnen ja gern vor Großereignissen wie dieser Euro. Nicht, weil sich da so viele Event-Trittbrettfahrer in Dinge einmengen, von denen sie so hörbar gar nichts verstehen; nicht, weil dann die Empörungs-Süchtigen ihre populistisches Stimme erheben und eine politische Wachsamkeit einmahnen, über die sie selber nie verfügt haben (auch weil sie sonst etwa wüssten, dass es Frau Timoshenko war, die aktiv mitgeholfen hatte die Euro in die Ukraine zu holen, was damals als poltisch wichtiger prowestlicher Akt bejubelt wurde); Events wie diese decken medial vieles Wichtige zu. Und manchmal nützen Behörden, Institutionen oder gar Regierungen die öffentliche Ablenkung um Vorschriften oder Gesetze ohne viele öffentliche Debatte durchzuschummeln; oder Konzerne um Preise zu erhöhen.
Manchmal passiert aber auch ganz zufällig etwas zeitgleich; und bekommt wegen des Großereignissen nicht den Raum, den es eigentlich verdienen würde.
Wie die Ereignisse, die dieser Tage in Salzburg abgelaufen sind.
Der verurteile Ex-DDR-Coach und Red Bull-Chefmediziner...
Ich hole ein wenig aus. Im ORF-Assessment-Center, dem Aufnahmetest, den alle Journalisten durchlaufen müssen, gibt es eine Aufgabe namens Recherche-Telefonat. Das führen die Probanden mit einer fiktiven (von einem Profi-Coach seit Jahren glaubwürdig inszenierten) Figur namens Harry Fuchs. Dieser Herr Fuchs ist Sportmediziner, stammt aus der ehemaligen DDR, praktiziert in Österreich und betreut, berät Sportler aus allen Bereichen und soll mit interessanten Fragen aus der Reserve gelockt werden.
Fuchs ist sehr eng ganz realen Vorbildern nachempfunden - denn natürlich haben sich die Trainer, die im flächendeckend angelegten Doping-System der DDR großgeworden sind, nicht alle zur Ruhe gesetzt, sondern üben ihren Job weiter aus.
Sie tun das weltweit, aber auch in Deutschland und auch in Österreich.
Einige davon waren nie an den Missetaten des Systems (das nicht nur betrog, sondern auch die Gesundheit der schutzbefohlenen Athleten aufs Spiel setzte, bis hin zu dopingbedingten Todesfällen) nie beteiligt, einige haben sich deutlich davon distanziert, einige bestreiten die Schuldhaftigkeit des Systems (die "es wor nich olles schlächt!"-Argumentation), einige schweigen sich aus.
Das sich zeitgleich der vielleicht unverschämteste und oberverlogenste Einzelsport-Dopingsünder der Welt, Lance Armstrong, ein Mann der selbst seine Krebserkrankung dazu benutzte zu betrügen, finalement im diffusen Netz seiner jahrelangen und flächendeckenden Vergehen zu verfangen droht, ist eine hübsche Fußnote.
Bernd Pansold war einer der Väter des DDR-Schwimmwunders der 70er und 80er-Jahre - eines Systems in dem die Regierung die beste weibliche Schwimmerin mit dem besten männlichen Schwimmer zwangsverheiratete um so per Kreuzung Top-Nachwuchs zu erzielen.
Pansold wurde 2000 wegen "Dopings Minderjähriger" rechtskräftig verurteilt.
Pansold baute dann den Olympiastützpunkt Obertauern auf, und kam so in Kontakt mit dem ÖSV und seinen Ausdauersportlern.
Pansold ist aktuell Chef des Diagnostik- und Trainingszentrums Thalgau, das Red Bull für all seine über 200 Athleten, von Extremsportlern über Fußballern bis Formel 1-Fahrer betreibt.
... der widerständige Coach...
Ricardo Moniz, der Chefcoach der Red Bull Fußballmannschaft in Salzburg, arbeitete seit Jahren als Sparten- und Technik-Trainer, versteht also einiges mehr von den Hintergründen der Sportmedizin als die meisten diesbezüglich fachlich überforderten Ex-Kicker, die dann - in Österreich besonders schnell - Neo-Coaches werden.
Zwischen Moniz und dem von Pansold geleiteten Team kam es schon in der Vergangenheit immer wieder zu athmosphärischen Störungen - auffallend bei Salzburgs Kickern war in den letzten Jahren (und den Stützpunkt Thalgau gibt es auch schon eine ganze Weile) etwa ihre hohe Verletzungs-Anfälligkeit und auch die Vielzahl der Verletzungen.
Dieser Tage kam es nun zum Eklat: Moniz konnte/wollte die von Pansold und/oder seinem Team erstellten Pläne zum Trainingsaufbau und Trainingssteuerung nicht akzeptieren.
Was im Detail das Problem ist, lässt sich nicht in Erfahrung bringen; es gibt eine Silenzio Stampa, im Fall eines Großkonzerns wie Red Bull ist Geheimnisverrat eine große Sache, sind auch Anwaltsbriefe schnell geschrieben.
... und die beredt schweigenden Mainstream-Medien.
Interessant ist nun nicht so sehr das Offensichtliche, dass nämlich ein Coach, der über genug Fachwissen und auch eine gewisse moralische Kompetenz verfügt, sein schwer erarbeites Amt und die Chance im Herbst Champions League zu spielen, hinwirft, weil er die Trainingsprogramme, die in einem Zentrum dessen Leiter aus dem Herzen der vormalige DDR-Trainingssschule kommt, nicht akzeptieren kann. Sowas tut man nicht aus Jux und Dollerei, sondern nur wenn es seriöse Hintergründe gibt.
Am Dienstag, also vier Tage später, zeigt sich wie MainstreamMedia so eine Sache löst: man wartet bis Moniz sich bei einem Medium im Ausland auskotzt und traut sich dann, ansatzweise, auch nur über die indirekte Zitierung dieses Journals hier, die Hintergründe anzusprechen.
Wirklich interessant ist, dass der Grund für Moniz' Abgang in den Mainstream-Medien nur ganz am Rande erwähnt wird, und man sich sofort auf das populistische Nachfolgespieleraten einlässt, anstatt die dubiosen Hintergründe zumindest in aller Deutlichkeit anzusprechen.
Auch hier spielen mögliche Anwaltsbriefe, vielleicht auch der alte Mateschitz-Spruch, dass Kniescheiben in Moskau nur 500 Dollar kosten würden und natürlich Verflechtungen und Abhängigkeiten zwischen der Medien-Industrie und dem guten Kunden/Partner Red Bull eine Rolle; die erste Geige spielt aber die Angst und die Feigheit der Medien und der Sportjournalisten, sich auch nur ein bisserl auf das Thema einzulassen.
Nun hat, um da in eigener Sache zu sprechen, FM4 im Musik- und Veranstaltungsbereich selbstverständlich mit dem großen Veranstalter Red Bull zu tun. Immer wieder, auch in Kooperationen. Ich war einmal, vor Jahren, auch als Berichterstatter bei einer Red Bull Music Academy. Und trotzdem halte ich es, ebenso seit Jahren übrigens, für unproblematisch und nach dem journalistischen Arbeits-Ethos auch für verpflichtend, Kritik zu üben, wo sie - nach Faktenlage bzw Einschätzung - angebracht ist; und, noch wichtiger, für unstatthaft, derlei unter den Tisch fallen zu lassen.
Mainstream-Media hingegen pustet aktuell durch: glücklicherweise deckt die Euro gerade alles zu, so dass niemand auf die Idee kommen würde zu verlangen, dieser seltsamen Sache nachzugehen. Auch wenn es ihr Job wäre.