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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 6. 2012 - 20:07

EM-Journal '12-35.

Im gefürchteten Nachbarschafts-Derby zwischen Deutschland und der Niederlande geht es schon um alles. Und es wird eine Weltklasse-Vorstellung des DFB-Teams.

Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.

In Runde 1 spielte Dänemark gegen die Niederlande 1:0, ebenso wieDeutschland gegen Portugal
Dänemark - Portugal ging eben 2:3 aus

Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:
Gruppe A
Polen
Griechenland
Russland
Tschechien
Gruppe B
Niederlande
Dänemark
Deutschland
Portugal
Gruppe C
Spanien
Italien
Kroatien
Irland
Gruppe D
England
Frankreich
Schweden
Ukraine

Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.

FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen.
Bei Regenwetter gibt es Indoors-Screens.

Don't you say i never did warn ya!
Das war zu schwach, Holland, das war nix, Herr Van Marwijk, das war der gleiche Kas wie in Spiel 1, da hat ein ganzer Verband gezeigt, dass er lernresistent ist.
Für Oranje sieht es jetzt dunkel aus. Schinkels leidet und spricht von fehlendem Feuer. Das fehlt seit der WM 2010.

Deutschland hat sich nach dem vergleichsweise schwachen Auftakt rehabilitiert - die Löwschen Stärken gezeigt. Das war große Teile des Spiels hochklassiger Kombinations-Fußball, eines Favoriten würdig. Neuer toll, Hummels wieder unglaublich gut, Boateng wieder erstaunlich, Khedira sicher, Özil teilweise glänzend, selbst die Bayern-Opfer haben sich alle wieder reingespielt, Gomez als Killer, Schweinsteiger als wiederauferstandener Heiliger. Das wird wieder weit gehen.

Auf Halten Spielen? Sich aufgeben?

Bei den Holländern ziehen sich Sneijder-Van der Vaart ein wenig zurück, dafür macht Willems oft einen Linksaußen.
Gelb für De Jong, wie überraschend...
18 Kroos wird kommen, für 8 Özil, leider, schon wieder, kein guter Wechsel, Özil war in den letzten Minuten vorne der gefährlichste Mann. Will man hier auf Halten spielen? Gefährlich! Aber auch von Holland kommt sein einigen Minuten nichts mehr, was einen Funken zünden könnte.

In der 83. kommt 7 Kuyt für den angepißten Robben, der dem Spiel noch einen bösen Blick schenkt, und spielt klarerweíse rechts. Dann (88.) Gelb für Boateng, weil er beim Einwerfen brodelt -> das gibt eine Matchsperre gegen Dänemark. Gelb in der Nachspielzeit für Willems.

In der Schlußminute spielt sich dann Stekelenburg gegen Klose fast in die Bredouille und vernudelt einen Rückpaß fast ins eigene Tor.

15 Lars Bender kommt wieder in der Nachspielzeit, für Müller.

Eine Einzelleistung kann dann doch zu wenig sein

Um die 60. Minute orientiert sich Van Persie zunehmend ins Zentzrum, als linker Flügel war er sinnlos verheizt. Die vorderen Fünf rochieren jetzt einfach nach Belieben, das könnte König Johan gefallen.

Die Löw-Burschis spielen die gesamte zweite Halbzeit über so abgeklärt und ruhig, als wäre das ein ganz harmloser Test.
Nur um dann im rechten Moment da zu sein - wie Boateng der sich in der 71. Minute gegen den scharfen Schuß von Sneijder schleudert.

Dann der übliche Stürmer-Tausch: 11 Klose für 23 Gomez.
Und direkt danach, in der 73. Minute macht Van Persie endlich das Richtige: Durchmarschieren, sich nix-scheißen und dann aus 16 Metern flach ins Eck schießen. Anschluß, 1:2. Das war ein Tor, dass sich schon im Anlauf angekündigt hat, toll! Aber eben auch eine Einzelleistung, keine des Teams.

Dann in der 76. ein sensationeller Vorstoß der Deutschen, Lochpaß auf Özil, der trickst im Strafraum und wird im allerletzten Moment geblockt. Die Schlußphase hat es jetzt in sich - hohes Tempo.

Eine Umstellung, von für die Jetti-Tant'

Rafael Van der Vaart (23) kommt mit der Kapitänsschleife ins Spiel, Das heißt Van Bommel ist draußen. Außerdem ist Huntelaar (9) für den schwachen Afellay drin.
Das heißt: die Elftal spielt jetzt 4-1-4-1. Auch kein System dass Johan Cruyff und die anderen heimischen Ex-Stars und Kritiker erfreuen wird. Van Persie spielt jetzt neben Sneijder , hinter Huntelaar, Robben links und Van der Vaart rechts außen. De Jong ist ein Einzel-Sechser.

Dann ist es doch anders: Van Persie setzt sich nach links ab, Robben ist doch rechts geblieben, Van der Vaart steht halbrechts zentral neben dem halblinken Sneijder.

Ich möchte meinen, dass dieses System Deutschland vor keine größeren Probleme stellen wird als das alte. Zumal nämlich die beiden Außenverteidiger wieder weniger bieten, offensiv - weil die Flanken so überpräsent besetzt sind.
Regen -> Traufe.

In der 52. Minute haben Gomez und Hummels (was tat der da vorne?) eine Doppelchance, jojoen sich durch die Innenverteidigung... Zeitweise machen die Deutschen die Holländer schon lächerlich, unabsichtlich.

Erst in der 58. Minute kommt etwas von den Orangenen - Van Persie ist nach halbrechts ausgewichen, Robben kommt über links und legt zurück auf ihn, toller Schuß, und tolle Reaktion von Neuer.

In der 62. schüttelt Sneijder einen Schuß aus dem Fuß - der geht knapp vorbei, ist aber auch mehr Ausdruck von Verzweiflung denn von Sicherheit.

Nachtgedanken zur Halbzeit

Dass Robben direkt vor dem Halbzeitpfiff auch noch eine Schweinsteiger-Freistoßflanke ins eigene Tor abfälscht, das hätte dem Faß ja die Krone aufgesetzt.

Jetzt wird Van Marwijk reagieren müssen, und es werden wieder Van Der Vaart, Huntelaar und Kuyt kommen. Warum er sich so gewehrt hat diese Varante schon in der Grundaufstellung mitzubedenken, verstehe wer will. Das genau gleiche Problem hatte man doch schon in Spiel 1.

Van Persie hängt deutlich zu weit nach hinten, weil von Van Bommel-De Jong logischerweise nichts kommt, auch weil Sneijder heute noch nicht zu sehen war. Im holländischen Spiel funktioniert auch das Wenige, das funktionieren könnte, nicht, das reicht gegen einen heute sehr ruhig agierenden Gegner wie Deutschland nicht.

Das DFB-Team ist präziser, ruhiger und vom Prinzip her offensiver orientiert, setzt seine Kräfte gezielter ein, verschwendet sich nicht mit Irrläufen und Fehlpasses.
Da hilft mehr Ballbesitz und gefühlte Chancen-Überzahl genau nichts.

Die Elftal ist in die Falle, die sie sich seit Monaten selber stellt getappt. Man hat nach der Auftaktniederlage so getan als wäre eh alles okay gewesen, als habe man nur Pech gehabt. Die offensichtliche Strukturkrise zu erkennen, das hat sich keiner getraut; Konsequenzen zu setzen war so gar nicht möglich.

Blut, ein mittiger Robben und 2 Tore über die rechte Seite

In der 20. Minute bluten die Bayern Badstuber und Robben an den Köpfen.
Eine Minute später ein anderes, absurdes Bild: der vorderste Holländer fightet gegen den rechten Mann der deutschen Mittelfeldkette. Dahinter wartet die jeweils völlig gegnerlose Viererkette. Das ist, mit Verlaub Herr Van Marwijk, keine seriöse Offensive.

Und dann zeigen die Deutschen wie es geht - indem man die Abwehr unter Druck setzt. 24. Minute: Schweinsteiger schickt nach einer Flachpaß-Offensiv-Kombi, bei der es eine Menge Anspielstationen gab, Gomez genau ins Loch zwischen Heitinga und Mathijsen, der dreht sich dezent und schießt flach neben Stekelenburg ein.
"Sieg!" schreien die fantasiebegabteren der deutschen Fans.

Team Oranje kann mit einem Robben-Schuß, erraten: aus dem Zentrum, erwidern. Rechtsaußen vertritt ihn eh meist Rechtsverteidiger Gregory Van der Wiel.

Das Gomez-Tor war kein Abseits, danach häufen sich die Offside-Szenen, ein Zeichen für erhöhtes Risiko. Warum es für derlei sinnvolle Maßnahmen eigentlich immer erst ein Gegentor braucht...

Deutschland wiederholt gern seine Lieblingsszene: Vorstoß über rechts, wo man mit Willems eine Schwachstelle vermutet, scharfer meist flacher Cross und ein rutschender Gomez. In der 36. bohrt Müller dort wieder, holt einen Freistoß und diesen Özil-Cross köpft Badstuber den Tormann an - 100%ige.

Das 2:0 fällt dann eine Minute später auch über rechts, Neuer schießt dorthin aus, Müller-Schweinsteiger kombinieren, Gomez wird halbrechts ins Loch geschickt und schießt ein.
2:0, ich denke, das ist schon die Entscheidung.

Die ersten Erkenntnisse der ersten Minuten

Das sieht nach massiver Neutralisierung aus.
Ist bei der Systemähnlichkeit auch kein Wunder.
Beide Teams greifen nur mit vier Offensiven an, die dann gegen sechs Defensive stehen, was bedeutet dass Chancen nur zufällig entstehen können. Wie der Ball auf Van Persie nach sechs Minuten, der in Neuers Armen landet.

NIEDERLANDE

Tor: 1 Maarten Stekelen-burg (Roma/ITA), 22 Tim Krul (Newcastle/ENG), 12 Michel Vorm (Swansea/ ENG).

Abwehr: 2 Gregory van der Wiel (Ajax), 21 Khalid Boulahrouz (Stuttgart/D), 3 John Heitinga (Everton/ ENG), 4 Joris Mathijsen (Malaga/SPA), 13 Ron Vlaar (Feyenoord), 5 Wilfred Bouma, 15 Jetro Willems (PSV).

Mittelfeld: 6 Mark van Bommel (Milan/ITA), 8 Nigel de Jong (Manchester City/ENG), 17 Kevin Strootman (PSV), 14 Stijn Schaars (Sporting/POR), 10 Wesley Sneijder (Internazionale/ITA), 23 Rafael van der Vaart (Tottenham/ENG), 19 Luciano Narsingh (Heerenveen), 20 Ibrahim Afellay (Barcelona/SPA).

Angriff: 7 Dirk Kuyt (Liverpool/ENG -> Fenerbahce/TUR), 11 Arjen Robben (Bayern München/ D), 9 Klaas-Jan Huntelaar (Schalke/D), 18 Luuk de Jong (Twente), 16 Robin van Persie (Arsenal/ENG).

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DEUTSCHLAND

Tor: 1 Manuel Neuer (Bayern München), 12 Tim Wiese (Werder Bremen), 22 Ron Robert Zieler (Hannover).

Abwehr: 4 Benedikt Höwedes (Schalke), 20 Jérôme Boateng, 14 Holger Badstuber, 16 Philipp Lahm (Bayern München), 17 Per Mertesacker (Arsenal/ ENG), 5 Mats Hummels, 3 Marcel Schmelzer (Borussia Dortmund).

Mittelfeld: 6 Sami Khedira, 8 Mesut Özil (Real Madrid/SPA), 7 Bastian Schweinsteiger, 18 Toni Kroos, 13 Thomas Müller (Bayern München), 2 Ilkay Gundogan, 19 Mario Götze (Borussia Dortmund), 15 Lars Bender, 9 Andre Schürrle (Leverkusen), 21 Marco Reus (Mönchen-gladbach), 10 Lukas Podolski (FC Köln -> Arsenal/ENG).

Stürmer: 23 Mario Gomez (Bayern München), 11 Miroslav Klose (Lazio/ITA).

Die Orangen haben mehr vom Spiel, mehr Ballbesitz, aber auch nur, weil sie müssen (Ausgangslage und so). Dem deutschen Spiel spielt das aber in die Hände, das ist über schnelle Tempogegenstößen definiert. Özils Schuß in der 8. Minute unterstreicht das.

Robben zieht heute nicht so viel nach innen, es befindet sich eh schon zumeist in der Zentrale (von wo er auch die Van Persie-Chance in der 11. Minute vorbereitet), seltener rechtsaußen. Und: Robbens blödes Geeiere bei seinem Einwurf in der 14. Minute zeigt seine aktuelle Krise in voller Blüte.

Der strike Neutralisierungskurs, den das Match fährt, bedingt auch, dass die Passes extrem genau kommen müssen; jeder Zentimeter Abweichung sorgt für Ballverlust.

Ein bemerkenswerter Unterschied der beides Teams: Bei den holländischen Angriffen rutscht immer noch ein Verteidiger in den letzten Paß. Die selteneren deutschen Angriffe versacken wegen Eigenfehlern.

Im Gegensatz zum ersten Spiel sind beide holländische Außenverteidiger fast immer weit nach vor gezogen, was dazu führt, dass De Jong sich als dritter Mann in die Innenverteidigung zurückfallen lässt.

Die Ausgangslage vor dem Spiel...

... ist ganz klar.

Die Niederlande muss gewinnen, sonst ist sie bereits (zu 99%) weg; außerdem geht es gegen den Erzrivalen, den man sowieso schlagen will.

Deutschland kann mit einem Sieg das erste Team im Viertelfinale sein; außerdem geht es gegen den Erzrivalen, den man sowieso schlagen will.

Ich will die kurze aber heftige Historie der beiden verfeindeten Lager heute nicht aufdröseln, die alten Kamellen nicht vertiefen - es interessiert mich nicht.

Aktuell spielt nämlich Team Holland sehr sehr deutsch, effenbergisch, und es ist die DFB-Truppe, die leichtfüßig Seedorf-Davids'sch kombiniert.
Die alten Zuschreibungen treffen es also gar nicht mehr.

Deutschland lief im ersten Spiel wie üblich im 4-2-3-1 und personell so auf:

1 Neuer; 20 Jerome Boateng, 14 Badstuber, 5 Hummels, 16 Kapitän Lahm; 6 Schweinsteiger, 7 Khedira; 13 Thomas Müller, 8 Özil, 10 Podolski; 23 Gomez. Wechsel: 11 Klose, 18 Kroos, 15 Lars Bender.

Und im zweiten Match schickt Jogi Löw Team Deutschland mit der exakt selben weiß-schwarzen Formation raus:
1 Neuer; 20 Jerome Boateng, 14 Badstuber, 5 Hummels, 16 Kapitän Lahm; 6 Schweinsteiger, 7 Khedira; 13 Thomas Müller, 8 Özil, 10 Podolski; 23 Gomez.

Die Holländer setzten ihr übliches 4-2-3-1, eine deutlich defensivere Version davon, aufs Feld und zwar:

1 Stekelenburg; 2 Van der Wiel, 3 Heitinga, 13 Vlaar, 15 Willems; Kapitän 6 Van Bommel, 8 Nigel De Jong; 11 Robben, 10 Sneijder, 20 Afellay; 16 Van Persie. Wechsel: 7 Kuyt, 23 Van Der Vaart, 9 Huntelaar. Angeschlagen waren 4 Mathijsen und 5 Bouma.

Im zweiten Spiel komnmt Mathijsen zurück, sonst bleibt alles gleich, und das kann man auch als Drohung lesen.

Bert Van Marwijs Niederlande spielt also in gleißendem Oranje mit:
1 Stekelenburg; 2 Van der Wiel, 3 Heitinga, 4 Mathijsen, 15 Willems; Kapitän 6 Van Bommel, 8 Nigel De Jong; 11 Robben, 10 Sneijder, 20 Afellay; 16 Van Persie.

Man spielt im Metalist-Stadion in Charkiw; Referee ist der Schwede Eriksson.