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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

13. 6. 2012 - 14:36

EM-Journal '12-33.

Besserwissereien zwischendurch (5): Wie wichtig ist Würde im Fußball?

Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.

Die gestrigen Spiele der Gruppe Griechenland gegen Tschechien, 1:2 und Polen - Russland, 1:1.

Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:
Gruppe A
Polen
Griechenland
Russland
Tschechien
Gruppe B
Niederlande
Dänemark
Deutschland
Portugal
Gruppe C
Spanien
Italien
Kroatien
Irland
Gruppe D
England
Frankreich
Schweden
Ukraine

Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.

FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen.
Bei Regenwetter gibt es Indoors-Screens.

Die Frage stellte sich gestern gleich zweimal.
Zum Ersten: Ist ein Team aus der Gruppe A würdig die Ehren des Europameisters zu empfangen?
Und, assoziativ, danach: War es die Würdelosigkeit des griechischen Spiels von 2004, das diesen Titel so schal und wertlos erscheinen lässt.

Die Antworten darauf (Nein. Und ja) sind gar nicht sooo interessant - es ist der Begriff der Würde, der mich über den Abend hinaus beschäftigt hat. Auch weil bislang bei dieser Euro noch kein Team zu sehen war, das wirklich überzeugen konnte, das diese Würde ausgestrahlt hätte.

Würde, das heißt sich in erster Linie auf die eigenen Stärken verlassen, sich nie den Mut nehmen lassen, den Gegner nicht vernichten, sonder respektvoll besiegen zu wollen - es geht darum, eine gewisse Aura der Selbstsicherheit vor sich herzutragen, ohne in Arroganz zu kippen.
Würde ist ohne eine gewisse Demut eben nicht machbar.

Nun ist es so, dass die großen, die legendären Teams manchmal eher schwächlich in so ein Turnier starten; dass sie ihre Grandezza erst im Verlauf entwickelt haben, manchmal gar erst ab der KO-Phase.

Vielleicht hat mich/uns auch die letzte WM verdorben, bei der sich Chile oder Spanien recht schnell als würdevolle Vertreter des schönen Spiels, des jogo bonito herausgestellt hatten. Aber auch hier verklärt die Erinnerung womöglich...

Die Geschichte würdevoller und würdeloser Teams

Die Niederländer werden vor dem heutigen vorentscheidenen Match gegen Deutschland nicht müde an ihren Euro-Titel von '88 zu erinnern, der auch mit einer Niederlage begann; gegen den späteren Finalgegner, die herausragende Mannschaft der damaligen USSR, eine bessere ukrainische Auswahl übrigens. Und diese Niederlage zeigt Rijkard-Gullit-Van Basten zwar glücklos, aber bereits in der wilden Angriffslust der späteren Spiele. Und auch das sowjetische Team (mit Dasayev, Rats, Demyanenko, Belanov oder Mikhailichenko) war ja eine würdevolle, eine große Mannschaft. Das war bereits nach diesem ersten Spiel der beiden späteren Finalisten klar.

Frankreich 1984 und 1998, Brasilien 1970 und 1986, Argentinien 1978 und '86, Dänemark 1986, Deutschland '96 und auch '06, Spanien 2008... das waren allesamt Teams, deren Funkeln sich recht schnell erkennen ließ und deren Würde unbeeinspruchbar war.

Wobei: auch über Dänemark '92, Italien 2006 oder Brasilien 2002, also Mannschaften, die einige Zeit brauchten um ins Turnier zu gelangen, lasse ich - würdetechnisch - nichts kommen.

Und: es ist alles auch keine Frage des großen Namens, der vor allem schützen würde: Brasilien 1994, Argentinien 1990, Deutschland 1986: würdelose, peinliche Mannschaften. Wie eben auch Griechenland 2004.

Deren würdevolle Leistung gestern Abend, als sie gegen einen Rückstand anrannten wie Herakles gegen eine seiner vielen Aufgaben, hat mich wieder versöhnt mit dem griechischen Fußball.
Weil Würde, zumindest mir, wichtig ist; weil ich ohne Würde im Fußball kein Zuschauer, kein Fan, kein Berichterstatter sein möchte. Und weil die Regel zeigt, dass sie auch belohnt wird, die Würde.