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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 6. 2012 - 15:36

EM-Journal '12-30.

Besserwissereien zwischendurch (4): Diese Euro ist nicht der vielerorts erwartete Heilsbringer.

Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.

Das waren die gestrige Matches in der Gruppe D: Frankreich - England und Ukraine - Schweden.

Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:

Gruppe A
Polen
Griechenland
Russland
Tschechien

Gruppe B
Niederlande
Dänemark
Deutschland
Portugal

Gruppe C
Spanien
Italien
Kroatien
Irland

Gruppe D
England
Frankreich
Schweden
Ukraine

Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.

FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen. Bei Regenwetter gibt es Indoors-Screens.

Diese Euro ist nicht der vielerorts erwartete Heilsbringer.
Sie ist zwar nicht Chelsea, aber auch nicht Barcelona.
Sie orientiert sich irgendwo dazwischen und kann damit keine Maßstäbe setzen.
Wer allerdings solche Landmarks erwartet hat, der ist eh selber schuld.

Hier, bei den Nationalteams, regieren Coaches, die nicht jede Woche gefinkelte Extras erarbeiten können, sondern in vergleichsweise kurzer Zeit eine Gruppe Höchstbegabter in eine halbwegs brauchbare Form gießen müssen.

Und selbst die Ausnahmen, die die bereits langfristig Einfluss nehmen (Jogi Löw bei Deutschland, Olsen in Dänemark) oder eine ideale Philosophie übernommen haben (Vincente del Bosque bei Spanien) agieren vorsichtiger und verhaltener als gewohnt.

Die beiden Top-Favoriten spüren das Augenmerk, das auf ihnen lastet, bei so einer Euro viel härter; da federt kein Brasilien, kein Argentinien den öffentlichen Blick mit ab, da stehen jetzt sie im durchaus weltweiten Fokus.

Aber auch die mutigen, risikobereiten Trainer wie Laurent Blanc oder Cesare Prandelli, denken sich für ihre Teams zwar clevere Sachen aus, verweigern aber, ein Risiko jenseits der 50% zu nehmen. Italien verblüffte mit einem völlig neu inszenierten System, Frankreich erweiterte seine asymmetrische Spielweise um einen Dreh, war aber erst in der 85. Minute bereit für einen finale Endspurt - Zeichen gnadenloser Vorsicht.

Wer riskiert, kriegt etwas dafür. Meistens

Natürlich geht es auch anders. Oleg Blokhin, Feldherr der Ukraine, riskierte mit seinem ebenso asymmetrischen Auftritt eine Menge. Musste er aber auch, als krasser Außenseiter. Und wurde für seinen Mut auch belohnt.

Detto Slaven Bilic, der (ebenso wie Frankreich und die Ukraine) auch mit einem nach rechts hin offensiv verschobenen Outfit angetreten ist und zudem zwei echte Mittelstürmer aufgeboten hatte. Kein Allheilmittel (einer reicht auch), aber gegen die taktisch biederen und (dank Trapattoni) deutlich zu defensiven Iren die einzige Chance den Riegel zu knacken.

Mehr als eine knappe Niederlage verdient hätte Paulo Bento, der es geschafft hatte, Deutschland mit seiner Strategie an den Rand der Verzweiflung zu spielen. Auch hier hatte sich einer etwas überlegt - wie fast die Hälfte der Coaches sich für diese erste Runde etwas Spezielles haben einfallen lassen.

Andere vertrauten auf ihre Stärke, suchten die Kraft in der Ruhe: Löw kann das mit seinem DFB-System, also eigentlich, am 1. Spieltag ging es nur nicht auf; Morten Olsen muss es, er hat mit seiner dünnen Personaldecke bei seinen Dänen keine andere Wahl; Russlands Dick Advoccat, aus dem die leicht errötenden Veranstalter einen Dirk machten, hat aber innerhalb seines 4-3-3 einige Variationsmöglichkeiten.

Der andere Holländer im Bewerb, Mijnheer Van Marwijk verzichtete auf solche Überlegungen, verweigerte sie auch während des Spiels, und fuhr damit direkt in die Blamage.

Vorsichtler, Nicht-Nachdenker und Hintansteller

Auch nicht groß nachgedacht haben Schwedens Hamren (alles richtet sich nach Ibrahimovic), der erwähnte Trapattoni und Tschechiens Bilek (alles richtet sich nach Rosicky).

Roy Hodgson war immerhin so schlau nicht den totalen Riegel aufszupacken, sonder das Manchester-United-Modell auch bei England zu probieren - auch wenn der Punktegewinn nicht auf die Stärke seines Teams, sondern die Vorsicht des Gegners zurückzuführen war.

Bleiben noch die zwei Mannschaften (beide treten heute wieder an), die aufgrund von roten Karten am Stärksten gefordert waren innerhalb der Partie umzustellen; und da beide durchaus Erstaunliches zustandebrachten.

Polen halte ich zugute, dass man ein verlorengegangenes Spiel gerade noch einmal von der Schaufel holen konnte. Und Fernando Santos profitierte dabei von der personellen Flexibilität seiner Mannschaft, die recht problemlos zwischen 4-3-3 und später eine Mischung aus 4-2-3 und 4-4-1 umstellen konnte. Und das inmitten des Dreifachdrucks Eröffnungsspiel/Auswärtsspiel/personelle Unterlegenheit.

Womit wir bei zwei fälligen Rücknahmen wären, historisch bedingten Emo-Fehden, zwischen dem Fußball-Fan in mir und Griechenland bzw der Ukraine (dort vor allem Shevchenko). Es ist Zeit diese Kindereien hintanzustellen und auch diese Teams so wahrzunehmen wie sie anno 2012 daherkommen. In der Vorstellungs-Runde ist mir das eh gelungen, bei den ersten Matches dann nicht ganz so gut, zugegeben.
Man lernt.
Die 2. Runde wird besser.
In jeder Hinsicht.