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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 6. 2012 - 20:19

EM-Journal '12-29.

Das letzte Spiel der 1. Runde: der Co-Gastgeber Ukraine empfängt die unberechenbaren Schweden.

Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.

Das waren das andere Match in Gruppe D: Frankreich - England.

Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:

Gruppe A
Polen
Griechenland
Russland
Tschechien

Gruppe B
Niederlande
Dänemark
Deutschland
Portugal

Gruppe C
Spanien
Italien
Kroatien
Irland

Gruppe D
England
Frankreich
Schweden
Ukraine

Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.

FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen. Bei Regenwetter gibt es Indoors-Screens.

Der Überraschungs-Sieg des größten Underdogs

Nicht die Polen, denen man es zutraute, sind das Host-Team, das den Sieg herausholt - es ist die Ukraine. Eine Mannschaft, der ich nicht das und auch sonst nicht viel zugetraut hätte. Mit einem Kapitän, den ich für scheintot eingeschätzt habe. Mit einer Taktik, die im Test schief ging.

Trotzdem reicht es zum Sieg. Und der ist nicht unverdient.

Der einzig relevante Parameter der letzten Tage ist das Risiko. Wer riskiert, kann gewinnen. Wie das überaus offensiv orientierte kroatische Team gestern.

Blokhin hat riskiert, Hamrin nicht.
Wer nach einem Rückstand einen Toivonen raus- und einen Svensson reinholt, zeigt seiner Mannschaft an, dass er ihr nix zutraut. Schwach.

Ich werde jetzt in mich gehen und mich für mein Blokhin/Sheva-Bashing mit künftiger Extra-Beachtung revanchieren. Die zwei alten Säcke haben ja nicht mich, sie haben den schwedischen Gegner ausgetrickst.

Das Underdog-Gehabe, die Herumprobiererei in Innsbruck, die Sheva-Schonung, das Selber-Schlecht-Gerede: Ich bin ihnen schlicht auf den Leim gegangen. Immerhin bin ich in Gesellschaft: Gilbert Gress gibt es im Schweizer Fernsehen auch grade zu. Und Sheva erzählt noch, dass man diese Corner-Variante extra nach den schwachen Testspielen eingeübt hatte.

Schweden fällt nach dem Rückstand zuwenig ein

Hamrin wechselt direkt danach und bringt mit 8 Svensson einen Defensivmann für 20 Toivionen, den Flügelstürmer. Häh? Wie versteh ich das?
Källström ist nach links gerückt, Svensson spielt neben Elm im Zentrum. Das ist eindeutig kein Zeichen für Offensivität.

Deshalb wird in der 68. Minute nachgerüstet. 21 Wilhelmsson kommt für 7 Larsson, das auch kein Schrecken für die Ukraine. Wilhelmsson verdient sein Geld aktuell in der AlteHerren-Liga in Saudi-Arabien. Er geht auf die linke Seite

Und dann in der 71. Minute kommt der nicht vollfitte 11 Elmander statt 22 Rosenberg im Sturmzentrum. Hamrin hat seine Optionen ausgeschöpft. Schweden tut sich jetzt schwer, dem Team fehlt es an der individuellen Klasse auf der Bank.

Hamrin hat auf eine Art 4-3-3 umgestellt, mit 8 Svensson im Zentrum, Elm halbrechts, Källström halblinks. Wilhelmssin gehört die linke Seite, Elmander die rechte, Ibra das Zentrum. Rechtverteidiger Lustig spielt wie Gusev auf der anderen Seite ultraoffensiv. Außerdem wuchtet Mellberg seinen Verteidiger-Body immer wieder mit nach vorne.

Das ist ein wenig unstrukturiert und auch nicht allzu mutig.

In der 76. Minute wuchtet Ibrahimovic noch einmal alles gegen Tormann Pyatov, zweimal - sonst klappt offensiv nicht allzu viel.

Blokhin wird 15 Milevskiy bringen, für seinen platten Kapitän, ein Stürmertausch. In der 81. Minute geht er, Captain ist jetzt Tymoshchuk. Zwei Minuten später ein Freistoß (dafür gelb für Elm), den Nazarenko drüberhebt. Dann kommt 15 Rotan für Voronin, ein Zentrumspieler für einen Stürmer - klares Zeichen.

In der 90. Minute stehen einander Elmander und Wilhelmsson beim Torschuss im Weg. In der 93. hebt Mellberg den Ball aufs Tornetz. Alles keine 100prozentigen Chancen, sondern Folge der finalen Verzweiflungswucht. Devic ist noch für Konoplyanka gekommen.

Drei Treffer am Kapitäns-Tisch

Die zweite Halbzeit startet, als würden sich die Kontrahenten all des Besprochenen sehr bewusst sein und hätten sich Besserung geschworen, sehr leidenschaftlich. Auch von den Schweden, nach einem Fußgelenk-Pass seines Captains wird Rosenbergs Schuss in der 48. Minute gerade noch geblockt.

Und in der 51. Minute gelingt den Schweden dann auch der Führungstreffer. Während Linksverteidiger Selin rumliegt, spielen sie weiter, Larsson flankt von rechts rüber, Källström legt von links auf in die Mitte, und dort lässt der schlecht bewachte Ibrahimovic zum 1:0 abtropfen.
Sowas ist nicht gut fürs Karma, reicht aber für die Führung.

Das Karma schlägt dann auch zurück. In der 55. geht Gusev rechts durch, Yarmolenko zieht einen Rist-Cross in die Mitte und dort kommt ein tiefliegender Shevchenko an und köpft den Ball rein. 1:1, zurecht. Was, 109. Spiel, 47ster Treffer? Ja, eh, legendär.

Die beiden Kapitäne haben zugeschlagen, das Ihre getan, jetzt sollten die anderen nachlegen.

Voronin probiert es, vernudelt aber in der 61. Minute ein Idealzuspiel von Konoplyanka. Daraus wird ein Corner und daraus köpft Shevchenko das 2:1, ultraschlau freigelaufen, noch dazu rund um Ibrahimovic, der ihn wohl bewachen soll, am kurzen Eck. Das Stadion steht jetzt Kopf.

Shevchenko hat sich seine Pausen gegönnt in diesem Spiel, ist bei einigen Bällen ums Alzerl zu spät gekommen, aber in den torenstscheidenden Situationen war er da. Vielleicht hat er sich bereits seit Jahren für genau diese EM-Spiele hier geschont.

UKRAINE

Tor: 1 Maxym Koval (Dynamo Kiev), 12 Andriy Pyatov (Shakhtar Donetsk), 23 Oleksandr Goryainov (Metalist Kharkiv).

Abwehr: 21 Bohdan Butko (Illychivets Mariupil), 3 Yevgen Khacheridi, 17 Taras Mikhalik (Dynamo Kiev), 5 Olexandr Kucher, 20 Yaroslav Rakitskiy, 13 Vyacheslav Shevchuk (Shakhtar Donetsk), 2 Yevhen Selin (Vorskla Poltava).

Mittelfeld: 4 Anatoliy Tymoshchuk (Bayern München/DEU), 6 Denys Garmash, 8 Olexandr Aliyev, 9 Oleg Gusev, 11 Andriy Yarmolenko (Dynamo Kiev), 14 Ruslan Rotan, 19 Yevhen Konoplyanka (Dnipro Dnipropetrovsk), 18 Sergiy Nazarenko (Tavriya Simferopol).

Angriff: 10 Andriy Voronin (Dinamo Moskau/RUS), 7 Andriy Shevchenko, 15 Artem Milevskiy (Dynamo Kiev), 22 Marko Devic alias Devych (Metalist Kharkiv), 16 Yevgen Seleznyov (Shakhtar Donetsk).

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SCHWEDEN

Tor: 1 Andreas Isaksson (PSV Eindhoven/NED), 12 Johan Wiland (FC Kopen-hagen/DEN),23 Pär Hansson (Helsingborg).

Abwehr: 2 Mikael Lustig (Celtic/SCO), 3 Olof Mellberg(Olympiakos/ GRE), 4 Andreas Granqvist (Genoa/ITA), 15 Mikael Antonsson (Bologna/ITA), 13 Jonas Olsson (West Bromwich/ENG), 5 Martin Olsson (Blackburn/ENG), 17 Behrang Safari (Ander-lecht/BEL).

Mittelfeld: 6 Rasmus Elm (AZ Alkmaar/NED), 8 Anders Svensson (Elfsborg), 7 Sebastian Larsson (Sunderland/ ENG), 9 Kim Kallstrom (Lyon/FRA), 16 Pontus Wernbloom (ZSKA Moskau/RUS), 18 Samuel Holmén (Istanbul BB/ TUR), 19 Emir Bajrami (Twente/NED), 21 Christian Wilhelmsson (Al-Hilal/ KSA).

Angriff: 20 Ola Toivonen (PSV Eindhoven/NED), 10 Zlatan Ibrahimovic (AC Milan/ITA), 11 Johan Elmander (Galatasaray/ TUR),14 Tobias Hysén (IFK Göteborg), 22 Marcus Rosenberg (Werder Bremen/DEU).

Was die ersten 45 Minuten gezeigt haben:

Schweden ist nicht so sicher wie erwartet. Klar, sie haben hier ein Auswärtsspiel, aber die Kreativität in der Offensive hat allzu klare Pause. Hinten hat man gegen den rackendern Oldie Shevchenko mehr Mühe als eigentlich nötig.
Wer soviel an Druck und Offensivkraft beim Gegner zulässt, fängt sich irgendwann eine.

Die Ukraine hat keine Chance, also nützt sie sie. Motto: alles nach vorne, inclusive GRR, also Gusev-Rechtsaußen-Risiko. Jeder Ball wird sofort nach vorne, am besten in die Flügel-Channels gespielt, dort taucht dann immer einer auf, dort wird sofort auf Verwertung gespielt, jeder Schuss in Richtung Tor.

Das ist angesichts der Blokhinschen Selbsterkenntnis, dass man nicht nur per Weltrangliste der Schwachmat dieser Euro ist, die exakt richtige Reaktion.

Aus einer zähen Halbzeit wird dann noch eine brauchbare

Die ersten zwanzig Minuten erzählen mir: das wird kein Hit.
Auch der erste funktionierende Konter auf Sheva: dann doch um ein paar Grade zu lauwarm. Gleich danach muss er sich hinlegen.

Bin ich nur vom ersten Spiel so angenervt oder ist die Gruppe D wider Erwarten die schwächste dieser Euro? Rosenbergs Schüsschen in der 31. Minute geht hier ja schon als Highlight durch.

Yarmolenko holt sich viele zentrale Bälle, weil ihn Gusev flankenmäßig arbeitslos macht. Wie doof ist das denn seine beste Waffe selber zu entschärfen?

Der schlaue Ibrahimovic nützt die Lücke, die die Ukraine rechts hinten aufmacht, und setzt sich bereits des öfteren genau dorthin ab um den Wechselpass anzulocken.

Dann schießt Voronin den Tormann aus großer Distanz an - das Stadion ist aufgeregt; der neutrale Fußball-Fan eher nicht.
Konoplyanka macht es kurz später (37.) etwas besser. Eine Minute später legen sich die Schweden den Ball dann fast selber rein - einen Pressball des leicht zu blockenden Shevchenko bringt die Verteidigung nicht weg, Yarmolenko hat eine Einschuss-Chance.

Und wieder eine Minute später setzt Ibrahimovic einen weiträumigen Kopfball (wieder aus der freigewordenen halblinken Position) an die Außenstange. 1:1 nach echten Chancen. Es bewegt sich was. Konoplyankas Volley nach Gusev-Cross etwa deutlich übers Tor.

Die ersten Erkenntnisse der ersten Minuten:

Bei den Schweden spielt Ibra um Rosenberg herum. Källström ist der offensivere in der Mittelfeldzentrale, er spielt halblinks vor dem halbrechten Elm. Larsson kommt über rechts, Toivonen (der blondeste der Schweden, just der mit dem finnischen Namen) über links.
Alles wie erwartet, 4-4-1-1.

Gusev findet sich sofort in Rechtsaußen-Position, was hinten für große Lücken sorgt. Offensiv steht er dafür Yarmolenko auf den Füßen... 17 Mikhalik, 3 Khacheridi und 2 Selin sind nicht selten eine reine Dreier-Abwehr. 4 Tymoshchuk (blond, halbrechts) spielt neben 8 Nazarenko (kahl, halblinks) in der Defensiv-Zentrale. Und Shevchenko schleicht sich hinter Voronin immer wieder ins Sturmzentrum.
Hier mutiert ein eigentliches 4-4-1-1 also zu einem 3-5-2.

Wäre dieser asymmetrische Schmäh nicht gegen Österreich so offensichtlich in die Hose gegangen, würde ich ihn vielleicht sogar mutig finden. In der Wiederholung ist er mir unheimlich.

Interessanterweise bringt der Druck, den die Homecrowd entfacht, Blokhins Team aber ganz schön fest in einen Angriffswirbel hinein. Ist auch ihre einzige Chance - sich in einen Rausch spielen. Der Schiri unterstützt die Anfangs-Hektik (11. Minute) mit einer gelben Karte für/gegen Källström. Das Heim-Publikum pfeift übrigens sofort, wenn die eigene Mannschaft zurückspielt.

Die erste Halbchance haben die Schweden (16.), die nach einem Cross von Ibrahimovic fast in den Rebound kommen, da schwimmt die ukrainische Abwehr.

Trotzdem: die Vorsicht der Schweden zeigt sich darin wie wenige Akteure bei den Angriffen so mitkommen. Gefällt mir nicht; so hoch ist das Tempo auch wieder nicht.

Die Ausgangslage vor dem Spiel...

... ist ganz klar.

Host Ukraine hat kürzlich gegen Österreich echt nicht toll ausgesehen und auch sonst die Vorbereitung ziemlich verkackt. In manchen Positionen/Formationen hat Teamchef Blokhin noch immer nicht seinen Stamm gefunden.

Deshalb ist der Gegner, sind die ewígen Außenseiter aus Schweden, die dann, wenn sie sich ins Rampenlicht spielen, niemanden überraschen, auch weil sie so uneuphorisch auftreten - deshalb ist wohl Schweden Favorit in diesem Match.

Das findet im Olympiastadion in Kiev statt, Schiedsrichter ist der Türke Cakir.

Die Aufstellung der Ukraine überrascht mich.
Rechts hinten spielt Gusev, das hat schon gegen Österreich nicht funktioniert, weil Gusev ein Angreifer ist, der defensiv nichts kann, weshalb ihn Blokhin dann auch als linke Spitze vorzog.
Neben Tymoshchuk in der Zentrale ist nicht 14 Rotan, sondern der matte Nazarenko aufgestellt. Und im Sturm haben wohl die Staatsführung und der informelle Oligarchenrat beschlossen, dass die überwuzelte Legende, Andriy Shevchenko beginnen muss. Der Captain hat nicht für mehr als 30 Minuten Kraft - es ist also eine Idiotie ihn beginnen zu lassen. Ist wohl den Ewigkeitswert-Bildern vom Einlaufen der Teams geschuldet.
So sieht das eben aus, wenn die Politik und der Nationalismus in den Sport reinregieren.

Das wird das ein 4-4-1-1, mit einem Sheva, der Narrenfreiheit hat, hinter Voronin. Mit der Flügelzange Yarmolenko-Konoplyanka, dem einzigen Prestige-Objekt dieser ukrainischen Mannschaft.

Ukraine, ganz in gelb

12 Pyatov; 9 Gusev, 17 Mikhalik, 3 Khacheridi, 2 Selin; 11 Yarmolenko, 4 Tymoshchuk, 8 Nazarenko, 19 Konoplyanka; 10 Voronin, 7 Andriy Shevchenko, der Kapitän.

Im Vergleich zum Österreich-Spiel fehlt mit 20 Rakitskiy der linke Verteidiger, da hatte Coach Oleg Blokhin herumprobiert (so wie auch mit 21 Butko, dem eigentlichen Rechtverteidiger). Für Sheva musste 22 Devic weichen.
In der Hinterhand hat man noch 8 Aliyev und 15 Milevskiy.

Schweden muss ohne den angeschlagenen 11 Elmander auskommen, statt dem überraschend Marcus Rosenberg im Zentrum vor Cheffe Zlatan Ibrahimovic aufläuft. Das ist ein 4-2-3-1, oder besser doch ein 4-4-1-1, auch weil sich Ibrahimovic nicht an seine Position als Zehner halten, sondern machen wird, was er will. Ob das mit Rosenberg auch so reibungslos klappen wird wie mit Elmander wird sich weisen.

Schweden, die an sich auch blau-gelb wären, aber in dunkelblau mit einer gelben Schärpe spielen.

1 Isaksson; 2 Lustig, 3 der bärtige Mellberg, 4 Granqvist, 5 Martin Olsson; 7 Sebastian Larsson, 6 Rasmus Elm, 9 Källström, 20 Toivonen; Kapitän 10 Ibrahimovic; 22 Rosenberg.

Oldie Anders Svensson (8), der eigentliche Kapitän, wird der recht offensiven Taktik von Erik Hamrin geopfert.

Österreich-Bezüge? Coach Oleg Blokhin und Schweden Ersatzabwehrmann Antonsson haben einmal in der hiesigen Liga gespielt.