Erstellt am: 11. 6. 2012 - 17:39 Uhr
EM-Journal '12-28.
Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.
Das waren die gestrigen Spiele der Gruppe C, Spanien gegen Italien und Irland - Kroatien.
Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:
Gruppe A
Polen
Griechenland
Russland
Tschechien
Gruppe B
Niederlande
Dänemark
Deutschland
Portugal
Gruppe C
Spanien
Italien
Kroatien
Irland
Gruppe D
England
Frankreich
Schweden
Ukraine
Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.
FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen. Bei Regenwetter gibt es Indoors-Screens.
Ein illusionsloses Fazit
So intensiv und niveauhoch der Gipfel zwischen Spanien und Italien war, so taktisch speziell die Begegnung zwischen Deutschland und Portugal, so enttäuschend war das Aufeinandertreffen zwischen Frankreich und England.
Denn während Italien resp. Portugal nicht anders konnten, als sich gegen den übergroßen Favoriten strategisch etwas zu überlegen, war bei Hodgsons England davon nicht einmal ansatzweise die Rede. Da musste man schon froh sein, dass er in seinem, 4-4-1-1 nicht Gerrard hinter Carroll, sondern Young hinter Welbeck stellte. Das ist allzu simpel und den Stärken des Gegners allzuwenig angepasst.
Während Deutschland und Spanien, die auch nur mit Mühe und Glück nicht verloren, zumindest teilweise eine Spielanlage auf den Platz warfen, die auf Sieg gepolt war, begnügten sich Blance Blaue schon mit Beginn der 2. Halbzeit mit dem erreichten Punkt.
Genau das stellt Frankreich deutlich unter Spanien/Deutschland, zeigt, dass Blanc im Vergleich zu Löw oder Del Bosque eben nur ein Traumichnicht ist.
Genau das stellt aber England auch deutlich hinter Italien und Portugal, zwei Equipen, die Unerwartetes aus sich herausholen, wo die Three Lions nur das Obviose ablieferten.
Ob das für Schweden und die Ukraine reichen wird, sehen wir dann im Abendspiel.
Zeit der Wechsel, keine Zeit für Risiko
Wechselzeit: 21 Defoe und 8 Henderson sollen kommen. In der 77. kommt Defoe für Chamberlain und Henderson für Scott Parker. Das deutet auf eine leichte Schlagzahlerhöhung in der Offensive hin. Gerrard weist Henderson ein, der wird neben ihm in der Zentrale agieren.
Ashley Young übernimmt die linke Flanke von Chamberlain und Defoe wird neben Welbeck eine Doppelspitze bilden. Dann wechseln die beiden wieder und Defoe spielt außen und Young innen. Egal. Hodgson bleibt bei seinem 4-4-1-1.
Oweia.
Alou Diarra spielt einzig wegen seiner Kopfballstärke nach Flanken mit. Cabaye verzieht nach einer Corner-Druckphase knapp.
Blanc wird 20 Ben Arfa bringen. Und 19 Martin. Und umstellen? Hoffentlich.
In der 84., viel zu spät, kommen Martin und Ben Arfa für Cabaye und Malouda. Diarra darf also bleiben, vor ihm agieren jetzt vier sehr offensive Mittefeldspieler, die sich neu sortieren müssen. In der Zwischenzeit schießt Benzema Gerrard den Kopf fast weg.
Ben Arfa wird die rechte Flanke beackern, Nasri und Martin werden wohl zentral kommen, Ribery wird links bleiben - oder in die Mitte ziehen.
Bei England kommt dann in der 90. noch Walcott für Welbeck, also ein hängender für die vorderste Spitze. In der Zwischenzeit steht Hart mit dem Ball gefühlte Minuten herum, peinliches Schinden. Alles nur ein Verhüterli-Spiel.
Bis auf einen Benzema-Schuss schließen sich die Franzosen dann auch an. Dann endet eine verlorene zweite Halbzeit, 45 Minuten gestohlene Lebenszeit, in der wir alle besser einen Kuchen gebacken, eine alte Tante besucht, einmal schnell Liebe gemacht oder einen kleinen Blog geschrieben hätten.
Eingeschlafene Dymanik, keine Inituiationen, nur Ballhalten
Es geht weiter wie gehabt bei den Franzosen: eine schiefe Viererabwehr, bei der Evra links bieder hinten steht, Debuchy rechts hingegen rein offensiv orientiert ist. Davor ein eng gestecktes Dreier-Mittelfeld, mit Diarra als Türstopper und Cabaye und Malouda in den Achter-Halbpositionen. Ribery vorne links, Benzema vorne zentral und Nasri vorne nominell rechts, zieht aber - weil eh Debuchy daherkommt - laufend in die Mitte. Das Hofmann-Problem auf hohem Niveau.
Wenn Ribery nach rechts zieht, nimmt Malouda tendenziell seinen linken Platz ein.
Ja, das ist alles ausgetüftelt und originell - mir gefällt es trotzdem nicht.
Im Vergleich dazu steht England mit seinem biederen 4-4-1-1 da wie ein Hauptschüler an der Uni.
Immerhin: in Minute 52 und 53 sind die Engländer erstaunlich durchgehend am Ball, spielen ein echt exzellentes Ballhalte-Überlegenheitsspiel aus. Der Schiri lässt viel laufen, gut so.
Die Blauen bringen keine Überlegenheit am gegnerischen Strafraum mehr zusammen, Benzema muss in der 65. einen Weitschuss loslassen. Die Engländer kommen ein bisschen weiter, wenn sie vormarschieren, schießen dann aber lieber vorschnell, anstatt zu kombinieren.
In den Minuten danach setzen sich die Blauen dann wieder gut fest, spielen rund um die 70. Minute echtes Powerplay (eine Folge: Gelb für Young) - ohne Zählbares.
FRANKREICH
Gardiens: 1 Hugo Lloris (Ol. Lyon), 16 Steve Mandanda (Ol. Marseille), 23 Cédric Carrasso (Bordeaux).
Défenseurs: 2 Mathieu Debuchy (Lille), 13 Anthony Réveillère (Ol. Lyon), 4 Adil Rami (Valencia/SPA), 5 Philippe Mexes (AC Milan/ITA), 21 Laurent Koscielny (Arsenal/ENG), 22 Gael Clichy (Manchester City/ENG), 3 Patrice Evra (Manchester United/ENG).
Milieux: 6 Yohan Cabaye (Newcastle/ENG), 18 Alou Diarra (Ol. Marseille), 17 Yann M'Vila (Rennes), 12 Blaise Matuidi, 14 Jeremy Menez (Paris Saint-Germain), 19 Marvin Martin (Sochaux), 15 Florent Malouda (Chelsea/ENG), 11 Samir Nasri (Manchester City/ENG).
Attaquants: 7 Franck Ribéry (Bayern München/D), 8 Mathieu Valbuena (Ol. Marseille), 20 Hatem Ben Arfa (Newcastle/ENG), 9 Olivier Giroud (Montpellier), 10 Karim Benzema (Real Madrid/SPA).
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ENGLAND
Tor: 1 Joe Hart (Man-chester City), 13 Robert Green (WestHam), 23 Jack Butland (Birmingham)-
Abwehr: 2 Glen Johnson (Liverpool), 15 Joleon Lescott (Manchester City), 6 John Terry, 3 Ashley Cole (Chelsea), 14 Phil Jones (Manchester United), 12 Leighton Baines (Everton), 5 Martin Kelly (Liverpool) und 18 Phil Jagielka (Everton).
Mittelfeld: 17 Scott Parker (Tottenham), 4 Steven Gerrard, 19 Stewart Downing (Liverpool), 16 James Milner (Manchester City), 7 Theo Walcott, 22 Alex Oxlade-Chamberlain (Arsenal), 11 Ashley Young (Manchester United), 8 Jordan Henderson (Liverpool).
Angriff: 10 Wayne Rooney, 22 Danny Welbeck (Manchester United), 21 Jermain Defoe (Totten-ham), 9 Andy Carroll (Liverpool).
Nachgedanken zur 1. Halbzeit
Im Rahmen einer Euro, bei der sich Spanien und Deutschland vor ihren Gegnern so in die Hose machen, dass sie entweder auf Stoßstürmer verzichten oder ihre neuen Tugenden zurückdrehen, ist es Geheimfavorit Frankreich schon zu verzeihen, wenn er sich gegen den wohl schwierigesten Gruppen-Gegner auf sein Vorsichtssystem mit einem überflüssigen Sechser zurückzieht.
Mir ist das natürlich trotzdem zuwenig. Ich will Martin oder sonstwen für Diarra, Malouda an der Flanke und Nasri dort wo er eh dauernd hinläuft - im Zentrum. Und das nicht nur bei einzelnen Spielzügen, sondern dauerhaft.
Nichts gegen dieses asymmetrische Flügelspiel; aber wenn ich dadurch einen (überflüssigen) Mann vorgebe, freiwillig, dann bin ich ein Idiot.
Von Team England erwarte ich nichts; die spielen eh schon am Anschlag.
Diarra und vor allem Nasri kommen aber zurück
Chamberlain, der kein Oxlade auf dem Trikot stehen hat, sieht die erste gelbe Karte (35.Minute), und aus dem Freistoß von Nasri entsteht dann die erste echte Chance von Les Bleu. Diarra, der in der Vorbereitung nicht laufen musste, sondern stehen konnte, köpft sehr gut, Hart wehrt ab, Ribery verschafft Diarra einen Rebound, den köpft er vorbei.
Immerhin, der gescholtene Mann rehabilitiert sich.
Natürlich ist der Ausgleichstreffer in der 39. Minute, der gute Flachschuss von Nasri, nach einem der nun zunehmenden Handballkreisläufe (diesmal nach einem Angriff über die linke Seite) um den immer engen werdenden Strafraum der Engländer verdient.
Trotzdem braucht es gegen diesen spielerisch nicht wirklich gleichwertigen Gegner eine mutigere Grundaufstellung als das, was Blanc da hingepflanzt hat.
Teilweise hält die französische Offensive die englischen Verteidigungslinien stehend ko, passt sich die Kugel aus dem Stand zu um die Lücke zu suchen, weil sie die Briten kaum verschieben und bewegen.
Lescott nützt Diarra aus, England geht in Führung
Die erste Viertelstunde endet ausgeglichen. England hat beschlossen doch mitzuspielen, nicht nur abzuwarten und zu kontern. Dazu schalten sie blitzschnell auf ein 4-2-4 um, greifen mit Milner (rechts) und dem jungen Chamberlain (links) zusätzlich an. Das ist dann das Manchester-United-System. Danke.
Frankreich verschenkt mit dieser vorsichtigen 4-3-3-Aufstellung Malouda komplett, der kann seine Offensiv-Qualitäten so gar nicht ausspielen. Doof. Der meiste Spielzug der Franzosen, wie erwartet: Pass aus der Zentrale auf Debuchy, Vorstoß rechts bis zur Toroutlinie, Flanke in die Mitte.
In der 30. Minute ist es dann so ein Standard, der die englische Führung bringt: Lescott setzt einen Kopfball nach Gerrard-Freistoß kraftvoll ins Netz. Sein wehrloser Gegenspieler war der überforderte Alou Diarra...
Diarra ist einer, der nach seinen Alibi-Passes aus der eigenen Hälfte heraus stehenbleibt. Wenn man schon Cabaye und Malouda im Zentrum hat, dann ist einer wie er völlig überflüssig.
Die Erkenntnisse der ersten Minuten:
Frankreich doch im 4-3-3, zunächst in der vorsichtigen, der 4-5-1-Version: Alou Diarra (18) tatsächlich als letzten Mann in der Mittelfeldzentrale, 6 Cabaye halbrechts davor, 15 Malouda halblinks.
Das bedeutet dass 7 Ribery links angreift, sofern er nicht wild rochiert, und dass 11 Nasri rechtsaußen spielen muss, bäh! Weil aber 2 Debuchy, der rechte Vertediger sich hauptsächlich in den gegnerischen Hälfte aufhält, kann Nasri auch in die Mitte rücken. So entsteht dann ein offensives 3-3-4 mit Debuchy am rechten Flügel und Nasri zentral hinter Benzema.
Cabaye lässt sich rechts gern weit nach hinten fallen, auch aus Sorge um die Debuchy-Vorstöße.
England macht ein bissl die Iren nach: 4-4-1-1 (nominell wie ManU, aber deutlich verhaltener) dazu will man mit Standards und ein paar Kontern auskommen. In der Zentrale spielt 4 Gerrard, der Boss, halbrechts, 17 Parker der defensivere der beiden, halblinks; angesichts des eher auf dieser Seite tätigen Nasri keine schlechte Wahl. Von Nasri kommt auch der erste Torschuss, in der 11. Minute.
Als Ribery eine Minute davor nach einem tollen Cabaye-Pass linksaußen allen davonläuft, erkennt man schön, wie eng und altbacken die englische Viererkette in der Rückwärtsbewegung läuft.
Nicht Welbeck, sondern Young ist der Rooney-Ersatz. Welbeck spielt auch bei ManU vorderste Spitze, direkt vor Rooney. Dort darf Young über die linke Seite kommen, heute muss er den Rooney machen.
In der 15. Minute schickt Rooney-Ersatz Young James Milner durch die Abwehr der Franzosen zu einer tollen Torchance, der kriegt den Ball aber erst bei zu spitzem Winkel unter Kontrolle und trifft das Außennetz.
Im Gegenzug ein guter Cabaye-Weitschuss.
Die Ausgangslage vor dem Spiel...
... ist ganz klar.
Der neu erstarkte Geheimfavorit trifft auf den sich immer weiter in den eigenen Schlingen verfangenen Altmeister.
Ich denke zwar, dass es für den ganz großen Wurf der "neuen" Franzosen (die so neu auch wieder nicht sind; da spielen eh großteils noch die Revoluzzer von 2010) noch ein wenig zu früh ist; da zwickt es noch an einigen Enden, vor allem aber im Zentrum - trotzdem wird sich die Equipe Tricolore bei dieser Euro gut verkaufen; da bin ich mir, da sind sich letztlich alle ziemlich sicher.
Ich glaube auch, dass die Grabenkämpfe und die vielen Verletzungen, die das englische Team in den letzten Monaten vom Co-Favoriten zu den Deppen unter den Teilnehmern gemacht haben, die gegenteilige Wirkung haben können. Derlei ist bei den Three Lions Folklore; diesen Wirbel ist man gewohnt. Auf die tatsächliche Leistung hat das dann oft keine Auswirkung.
Außerdem denke ich, dass vor allem der Ausfall von Lampard ein Glücksfall ist, weil er das defensive Dreigestirn Gerrard-Parker-Lampard, das Heiligenstatus genießt und nicht angetastet werden darf, sprengt und einen zusätzlichen Offensiven zulässt.
Frankreich spielt mit der erwarteten Mannschaft, wie gegen Estland. Nur M'Vila (17) wurde scheinbar nicht fit und muss durch den in unteriridscher Form befindlichen Alou Diarra ersetz werden, Stichwort Schwachstelle.
Ob sich diese Aufstellung als 4-2-3-1 oder als 4-3-3 erweist wird von der Position von Malouda abhängen. Ich würde mir Nasri in der Zentrale und Malouda rechts wünschen. Die UEFA gibt das System als 4-5-1 an, das würde dem 4-3-3 entsprechen.
Frankreich, in elegantem Blau, dezent gestreift...
1 Lloris, der Kapitän; 2 Debuchy, 4 Rami, 5 Mexes, 3 Evra; 6 Cabaye, 18 Alou Diarra, 15 Malouda; 11 Nasri, 10 Benzema, 7 Ribery.
Offensiv-Alternativen auf der Bank: 8 Valbuena, 14 Menez, 20 Ben Arfa, 9 Giroud.
England spielt tatsächlich so, wie es Kollege Simon Welebil schon vorgestern erahnt hat: in einem 4-4-1-1 mit Ashley Young nicht auf dem linken Flügel, wie sonst, sondern in der Rooney-Rolle, als hängende Spitze, die um Welbeck (und doch nicht Carroll) herumspielen soll. Rooney ist zwei Spiele gesperrt. Ob Hodgson mit zwei eng/tief stehenden Viererketten erleben werden, wird sich zeigen.
Sensationell: das Debut für Junior Oxlade-Chamberlain (mit 18).
England, blütenweiß:
1 Hart; 2 Glen Johnson, 6 Terry, 15 Lescott, 3 Ashley Cole; 16 Milner, Kapitän 4 Gerrard, 17 Parker, 20 Oxlade-Chamberlain; 11 Ashley Young, 22 Welbeck.
Das ist dreimal Man City, 2x ManU, zweimal Liverpool, 2x Chelsea, je 1x Tottenham und Arsenal.
Auf der Bank: 7 Walcott, 19 Downuing, 9 Carroll. Jermain Defoe (21) ist nach seiner Abreise wegen des Tods seines Vaters wieder retour.
Das Match findet in Donetsk/Ukraine statt, das Wetter ist gut, fast schon zu heiß, Schiedsricher ist der Italiener Rizzoli.