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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

10. 6. 2012 - 14:06

EM-Journal '12-24.

Besserwissereien zwischendurch (2): für die Niederlande gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht.

Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.

Das war der 1:0-Sieg der Dänen gegen die Niederlande im ersten Spiel der Gruppe B, das der 1:0 Sieg der Deutschen gegen Portugal im zweiten.

Die Profile der sechzehn teilnehmenden Teams:

Gruppe A
Polen
Griechenland
Russland
Tschechien

Gruppe B
Niederlande
Dänemark
Deutschland
Portugal

Gruppe C
Spanien
Italien
Kroatien
Irland

Gruppe D
England
Frankreich
Schweden
Ukraine

Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.

FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen. Bei Regenwetter gibt es Indoors-Screens.

Es gibt eine gute und eine schlechte Nachtricht für die Niederlande.
Die schlechte zuerst: bei einer Niederlage gegen Deutschland sind sie weg.
Jetzt die gute: selbst bei einem Remis können sie noch Europameister werden.

Und zwar weil der Flop von gestern ein Knackpunkt in der jüngeren Geschichte des holländischen Fußballs sein kann. Kann. Wenn die entscheidenden Leute die Zeichen richtig lesen. Wenn Bertt Van Marwijk seinen Fehlkurs erkennt und von Nordsüdirgendwas wieder auf West dreht; oder drehen lässt.

Auch wenn sie eine anständige Qualifikation gespielt haben: das verlorene Match gegen Dänemark hat direkt an der verlorene WM-Finale angeknüpft. Da stand eine missmutige, nörgelnde und letztlich destruktiv eingestellte Mannschaft auf dem Platz, die ab der ersten Minute beleidigt darüber war, dass man ihnen nicht gefälligst sofort den Sieg zu Füßen legt.

Dabei ist die Elftal mittlerweile so ausrechenbar wie Arjen Robbens einziger Trick. Und ein Zirkustier, das nur einen Schmäh beherrscht, macht sich nicht nur angreifbar, sondern auch unbeliebt bei den Kindern (also den Zuschauern).

Van Marwijk hat das Match durch sein 25-minütiges Zögern in der 2. Halbzeit vercoacht: die Offensive (am Schluss hatten wir eine Art 4-0-6 auf dem Platz) kam deutlich zu spät, hatte zu wenig Zeit einen zunehmend erschöpfter werdenden Gegner mürbe zu spielen. Der Standfußball zwischen Minute 15 und 70 hatte Holland das Match verloren.

Die Lösung ist recht simpel - raus mit den schweren Brocken im Mittelfeld, rein mit den flinken Aufbauern, Strootman-Van der Vaart etwa. Und vorne ein deutlich fluideres System, am besten mit Kuyt, am besten ohne Robben dieser Tage, vielleicht mit Van Persie hinter Huntelaar, so wie einstens Bergkamp hinter Kluivert.

Sie hättens ja, die Herren in Oranje: Dutzende Beispiele in ihrer glorreichen jüngeren Historie, die zeigen, wie's gehen kann.

Nur: diese Umstellung in der Philosophie muss jetzt passieren, im Match der letzten Chance am Mittwoch, ...

... im Spiel der umgekehrten Vorzeichen

Denn: wo sich die Holländer zuletzt als griesgrämige Panzerfahrer definiert hatten, waren es ihre selbsternannten Erzfeinde, die Deutschen, die ein flüssiges fantasievolles Kombinationsspiel auf allen Kanälen aufgezogen hatten und mit diesem Offensiv-Räuscherl die Herzen der Kinder im Zirkus erobert hatten.

Und just die haben gestern einen ersten echten Rückfall erlitten. Selbst in den verlorenengegangenen Tests wie gegen Frankreich war das deutsche Team nämlich farben- und launefroh unterwegs - gegen Portugal waren die Errungenschaften seit 2006 wieder wie weggeblasen. Es stand wieder der Geist einer Mannschaft auf dem Platz, die zwar andrückt, aber keine Ideen hat und sich letztlich über ein Tor aus eigentlich keiner echten Chance freut; der alte Piefke-Dusel, der sie lange Jahre zur unattraktivsten und mit Abstand unbeliebtesten aller großen Teams gemacht hatte, blitzte da wieder auf.

In diese Unsicherheit, in diesen Rückfall müssen die Holländer reinstochern. Mit einer überschwappenden Welle des Überrollens, eine an '88 gemahnende Orgie der Offensivpower.

Das wär's.
Wird's aber nicht spielen.
Weil die schwache Vorstellung der Löw-Truppe gestern nämlich wirklich nur ein Ausrutscher war, einer strategisch unglaublich guten Leistung von Paulo Bentos Portugal (denen ich das, ich gestehe, nie zugetraut hatte) geschuldet, die den Favoriten an den Rand der Verzweiflung spielte.
Und weil das wahre Gesicht des DFB-Teams immer noch ein anderes, ein offensives, ein optimistisches ist, eins mit einem Schuss Naivität - das lieben die Zirkuskinder.

Team Oranje hingegen hat das alles nicht, müsste sich innerhalb von 3 Tagen von der Bissgurn zur Seute Deern entwickeln, eine Philosophie-Wandel hinlegen. Sowas funktioniert im komplexen holländischen Fußball-Betrieb, in dem alle Ex-Stars laut mitreden wenn, dann nur langsam. Changing Horses in Midstream ist nicht nur gefährlich, es ist auch keine niederländische Fußball-Tugend.

Deshalb bleibt für Holland letztlich nur eine schlechte Nachricht.