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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

10. 6. 2012 - 11:11

Song zum Sonntag: Beach Boys - "Summer's Gone"

Sonnendurchflutetes Alterswerk: Die Beach Boys besingen das Ende des Sommers. Freilich als Bild für Abschiede jeglicher Natur.

Wenn man Glück hat, widerfährt einem eher früher als später im Leben jener Erweckungsmoment, der einem klarmacht, dass die Beach Boys weit mehr – und auch anderes - waren und sind als gut gelaunte Luftikusse, die beschwingt vornehmlich die Freuden des Wassersports vertonen. Es handelt sich bei der Band aus Kalifornien um von Augenblicken des Genies befallene Großkünstler - allen voran, bis in alle Ewigkeiten hinein, der kindsköpfige Motor und Mastermind Brian Wilson. Diese Erkenntnis scheint fast zwangsläufig mit der Entdeckung des Beach-Boys-Albums „Pet Sounds“ einhergehen zu müssen; jenem Klangwunderwerk aus dem Jahr 1966, das nicht wenigen Menschen, Musikmagazinen und Listenverwaltern schlicht – und mit einigem berechtigten Anspruch auf den Titel – als das beste Album aller Zeiten gilt. Delikates Popsongwriting und abenteuerliche Klangforschung umschmiegten sich da und verschwommen zu einem so noch nie – und auch seither selten in ähnlich imposanter Qualität – gehörten magischen Nebel, der gleichsam ein Portal in neue Welten der Sinneswahrnehmung darzustellen schien.

Beach Boys

Beach Boys

Nach etlichen Zäsuren, Tiefpunkten und depressiv unter der Bettdecke verbrachten Jahren in der Bandbiografie und damit einhergehenden mal soliden, mal weniger soliden Alben hat vergangenes Jahr mit den opulenten, in den Jahren 1966 und 1967 aufgenommenen „Smile Sessions“, die wohl kaum jemand erhofft hätte noch jemals zu Gehör zu bekommen, eine weitere irre und wirre Großtat der Beach Boys in all ihrer strahlenden Pracht das Licht der Welt erblickt.

Nun erscheint dieser Tage mit „That’s Why God Made The Radio“ das erste reguläre Beach-Boys-Album mit neuem Material seit "Summer in Paradise" aus dem Jahr 1992. „That’s Why God Made The Radio“ ist keines dieser Meisterwerke geworden, eine sehr gute Platte jedoch immerhin, ein würdiges Alterswerk, auf dem, vielleicht verständlich, keine neuen Welten mehr erkundet werden, sondern ein gut eingeführter – und unverkennbarer - Stil auf höchstem Niveau verwaltet wird. Es gilt melancholische Popsongs im ganzen Körper zu erfahren, in denen das Verblassen der Sonne hörbar wird, eingebettet in üppige – mitunter vielleicht ein wenig zu gut gemeinte – Instrumentierung mit allen Flöten und Pauken.

„Summer’s Gone“ ist der vermutlich beste Song des Albums, programmatisch für die Platte und eigentlich die ganze Karriere der Beach Boys. Es ist der zwölfte und somit letzte Song auf "That's Why God Made The Radio" - ein Stück, das eben auch vom Abschiednehmen handelt. Die Abschiede, die die Seele trübe und wehmütig färben, aber auch das eigene Leben mit - wenn eventuell auch nur kurzfristig selbst vorgegaukelter - Bedeutsamkeit aufzuladen vermögen. Musikalisch wird noch einmal, einer filigranen Materialschlacht gleich, alles aufgefahren, was der Instrumenten-Fundus hergibt, Oboe, Saxofon, Piano, Streicher und dreißig Klangquellen mehr - dennoch bleibt das Stück leicht, unaufdringlich, intim. Hier liegt eine große Kunst der Beach Boys. Am Ende hört man nur mehr den Regen. Ein Lied, wenn es denn einmal sein müsste, zu dem es sich, so wie es der ehemalige Beach Boy Dennis Wilson 1983, völlig fertig mit dem Leben, getan hat, gut und gerne im Ozean ertrinken ließe.