Erstellt am: 7. 6. 2012 - 18:50 Uhr
EM-Journal '12-17.
Das EM-Journal 2012 begleitet täglich die Euro in Polen und der Ukraine, ähnlich wie schon das WM-Journal '10 beim letzten Großereignis.
Heute: ein genauerer Blick auf eines der sechzehn teilnehmenden Teams - Spanien.
Bisher erschienen:
1) England
2) Tschechien
3) Portugal
4) Irland
5) Dänemark
6) Schweden
7) Kroatien
8) Polen
9) Italien
10) Ukraine
11) Russland
12) Niederlande
13) Frankreich
14) Griechenland
15) Deutschland
Das alles im Rahmen des heurigen Fußball-Journals '12, welches sich - wie schon 2011 - mit den aktuellen Unwägbarkeiten dieses besten aller nicht lebenserhaltenden Systeme beschäftigt.
Siehe auch: Afrika-Cup-Journal '12. Upcoming, im August: ein Journal zu den London-Olympics.
FM4 hat auch diesmal wieder ein EM-Quartier im Wiener WUK, mit Public Viewing, Moderation und netten Gästen.
In der herausragenden EM-Vorschau des besten deutschen Taktik-Blogs spielverlagerung.de, einem 200-seitigen E-Book, das alle Stückln spielt, werden 8 (in Worten: acht) taktische Varianten aufgezeigt, die Spanien unter Trainer Del Bosque seit 2010 gespielt hat. Das geht von einem 4-2-2-2 über ein 4-3-3, ein 4-1-4-1, ein 4-2-4 bis hin zu einem 3-4-3.
Da ist alles dabei, was das Herz begehrt.
Und das ist nicht nur Theorie: die spanische Mannschaft beherrscht all diese strategischen Kniffe, kann sich auch innerhalb eines Spiels umstellen.
Dieser Variationsreichtum machte Spanien zum Weltmeister. Wo bei der Euro 08 noch Plan A und Plan B ausreichten, um die Gegner zu verstören, hatte Team Espana in Südafrika bereits drei bis vier Varianten im Köcher.
Und für die Titelverteidigung in Polen und der Ukraine hat man sich jetzt eben noch stärker flexibilisiert.
Dass das auch dringend nötig ist, zeigen die zunehmend funktionierenden Rezepte, die gegen die Dominanz von Barcelona (von Inter, Real oder Chelsea) entwickelt wurden, auf. Und die eignen sich auch in der Bekämpfung der Selección, die ja genauso auf Ballbesitz, Kombinationssicherheit und druckvolles Offensivspiel setzt und dabei auf das gesamte Barcelona-Mittelfeld zurückgreift.
Deshalb gilt es für Del Bosque und sein Team, vor allem die Kapitäne auf dem Platz (Casillas, Ramos, Xavi, Xabi, Cesc...) sich der eigenen Schwachstellen bewusst zu werden und Gegen-Maßnahmen zu entwerfen.
Es ist zwar nicht so, dass die Nationalmannschaften der Üblichen-Verdächtigen (Ausnahme: Deutschland) stärker geworden wären (Frankreich, Italien sind im Neuaufbau, Niederlande und England schwächen sich intern ganz von selber, Portugal stagniert), ihnen werden aber durch die vielen Anti-Barca- und Anti-Spanien-Strategien, an denen seit 2009 fußballweltweit gebastelt wird, zunehmend mehr und bessere Tools in die Hand gegeben, um dem etwas entgegenzusetzen.
Nicht die Stärke der Anderen schwächt den Welt- und Europameister, sondern das zunehmende Wissen um seine Rezepte und die steigende Verfügbarkeit möglicher Gegenmittel.
Deshalb haben Del Bosque und sein Stab die gesamte völlig unbestrittene Qualifikation (8 Spiele, 8 Siege) über strategisch massiv nachgerüstet und Lösungen für die Problemzonen gesucht.
Über Rezepte, Gegenmittel und das nötige Nachrüsten
Die erste und gravierendste Problemzone ist der verletzungsbedingte Ausfall zweier Akteure von zentraler Bedeutung: in der Innenverteidigung fehlt mit Carles Puyol der Taktgeber der Defensiv-Abteilung; vorne fehlt mit David Villa der einzig wirklich treffsichere Stürmer. Zweiterer kann ad personam irgendwie nachbesetzt werden, bei Puyol wird es schwieriger.
Um seine Bedeutung in der Zentrale zu kompensieren, wird Sergio Ramos von rechts in die Mitte (neben Pique) wechseln. Denn der Rechtsverteidiger ist (mit Arbeloa) eher zu ersetzen. Trotzdem bleibt die rechte Abwehrseite eine Schwachstelle; links sollte Alba eine gute und auch offensive Rolle spielen.
Vicente Del Bosques Selección:
Tor: 1 Iker Casillas (Real Madrid), 12 Victor Valdes (Barcelona), 23 Jose Manuel 'Pepe' Reina (Liverpool/ENG).
Defenders: 17 Alvaro Arbeloa, 15 Sergio Ramos, 2 Raul Albiol (Real Madrid), 3 Gerard Pique (Barcelona), 5 Juanfran Torres (Atletico Madrid), 18 Jordi Alba (Valencia), 4 Javi Martinez (Athletic Bilbao).
Midfielders: 16 Sergio Busquets, 8 Xavi Hernandez, 6 Andres Iniesta, 10 Cesc Fabregas (Barcelona), 14 Xabi Alonso (Real Madrid), 20 Santi Cazorla (Malaga), 13 Juan Mata (Chelsea/ENG), 22 Jesus Navas (Sevilla).
Forwards: 21 David Silva (Manchester City/ENG), 9 Fernando Torres (Chelsea/ ENG), 7 Pedro Rodriguez (Barcelona), 19 Fernando Llorente (Athletic Bilbao), 11 Alvaro Negredo (Sevilla).
Im nominierten Großkader waren zudem: David De Gea (Manchester United/ ENG); Alvaro Domínguez (Atletico Madrid), Nacho Monreal; Isco Alarcon (Malaga), Benat Extebarria (Betis Sevilla), Javi García (Benfica/POR), Bruno Soriano (Villarreal), Adrián Lopez (Atletico Madrid), Roberto Soldado (Valencia).
Weil auch Cesc Fabregas angeschlagen ist, stellt sich das an sich überbesetzte Mittelfeld von selber auf: Sergi Busquets als Sechser, Xabi Alonso als Sechser/Achter-Hybrid davor, Xavi und Iniesta sind so offensiv, wie sie wollen.
Allerdings wäre, bei Gegnern, gegen die man sehr offensiv spielen will, auch Busquets (wie auch Javi Martinez) ein Kandidat für die Innenverteidigung, was wiederum Ramos als Rechtsverteidiger freispielen würde...
Ganz vorne wird wahrscheinlich der versatile David Silva (Backup: Mata) den Stoßstürmer unterstützen. Pedro oder Navas kommen eher bei einem System mit echten Außenstürmern (einem 4-3-3 oder einer speziellen Variante des 4-1-4-1) zum Einsatz.
Im übrigen unterscheidet sich das Euro-Team 12 vom WM-Kader 10 nur auf vier Positionen, zwei davon verletzungsbedingt. Die personelle Konstanz ist also erheblich. Auch vom 08er-Europameister sind noch deutlich mehr als die Hälfte der damaligen Spieler dabei.
Wer fehlt?
Das Herz der Mannschaft: Carles Puyol von Barcelona:, der zu klein geratene Innenverteidiger mit den hässlichen Locken und dem Instinkt eines Löwen.
Und der Verwerter: David Villa, auch Barcelona, der verlässlichste und treffsicherste Angreifer in einer Offensive, die oft zu viele Chancen für ein Tor braucht.
Die beiden sind ebenso verletzt wie Teamkollege Thiago Alcantara, der Jungstar, der aber wohl wegen des Überangebots im Mittelfeld nicht nominiert worden wäre.
Dasselbe trifft auf den anderen Jungstar, nämlich den vielseitigen Mittelfeld-Spieler Iker Munain zu. Munain gehört in die aktuelle spanische Nationalmannschaft.
Vom heuer groß aufspielenden Team von Athletic Bilbao stand noch Rechtsverteidiger Andoni Iraola hoch im Kurs, hat es aber ebenso wie Tormann Gorka Iraizoz, Ander Herrera, Óscar de Marcos oder Markel Susaeta gegen die große Konkurrenz nicht geschafft.
Ebenso out: Borja Valero (Villareal) und Alberto Botía (Gijón)
Kein Thema waren Altstars wie Marcos Senna und Carlos Marchena (Villarreal), David Albelda (Valencia), Gabi (Atletico), Joaquin (Malaga), Vicente (Brighton) oder José Antonio Reyes (Sevilla) sowie einige Ex-EM/WM-Teilnehmer wie Dani Güiza (Getafe), Diego Lopez (Villareal) oder Fernando Navarro (Sevilla). Und auch der langjährige Linksverteidiger Joan Capdevila (mittlerweile bei Benfica in Portugal) wurde ausgeschieden.
Wer seine Akteure aus einer so gut und dicht besetzten Liga wie der spanischen auswählen kann, greift maximal auf die besten Stars aus England zurück. Mikel Arteta von Arsenal, Pablo Ibánez von Birmingham, Carlos Cuéllar von Aston Villa oder José Enrique von Liverpool sind zu schwach, Oriol Romeu von Chelsea noch zu grün.
Bleibt noch der Hinweis, dass ich alle UserInnen ersuche, mich doch auf ihnen allfällig fehlende Namen und Taten hinzuweisen; entweder im Forum oder per Mail. Ich habe sicher den einen oder anderen Pablo Hernández übersehen.
Alle anderen Legionäre blieben ohne Chance: Bojan Krkic von Roma, Albert Riera von Galata, Diego Capel, Jeffrén oder Rodrigo von Sporting, Nolito von Benfica, Jurado oder Escudero von Schalke. Der große Raul ist längst zurückgetreten. Alberto Zapater von Lok Moskau hat nie seine eigentlich verdiente Chance bekommen. Und der alte Nacho Novo, aktuell bei Legia Warschau, bekommt jetzt zumindest einige TV-Expertenauftritte.
Was steht zu erwarten?
Das Finale.