Erstellt am: 4. 6. 2012 - 18:36 Uhr
Wolken über Solidaritätsfest für Griechenland
Vergangenen Sonntag hat die griechisch-orthodoxe Gemeinde in Wien zum Solidaritätsfest für Griechenland eingeladen. Zum Pfingstfest. Nach dem griechisch-orthodoxen Kalender findet es traditionell eine Woche nach dem römisch-katholischen statt. Trotz hohem Besuch von Würdenträgern aller Konfessionen stand aber dieses Jahr nicht der Glaube im Vordergrund. Die jüngsten Meldungen zur Stimmung gegenüber Griechenland haben die BesucherInnen bewegt.
Raus aus dem Euro?
Laut den Meinungsumfragen sind 71 Prozent der ÖsterreicherInnen für den Austritt von Griechenland aus der Währungsunion. Statt dem Euro soll wieder die Drachme eingeführt werden. In vielen anderen europäischen Ländern zeigt sich ein ähnliches Bild. PolitikerInnen in Europa scheinen nur noch eines zu diskutieren: Grexit. Auf Deutsch: "Rauswurf aus der Währungsunion". Deutsche und österreichische PolitikerInnen denken laut darüber nach. Jüngst hat sich auch der französische Finanzminister dieser Meinung angeschlossen.
FM4 / Paul Pant
Griechische Insel in Wien
Ein Schlag ins Gesicht für viele GriechInnen, die in Österreich leben. Trotz rauem Wind, der ihnen aus Europa entgegen weht, versuchen sie, beim Solidaritätsfest in der versteckten Griechengasse dagegen zu halten. Auf den ersten Blick eine Insel griechischer Idylle, inmitten fotografierender Touristenströme der Wiener Innenstadt. Vor der Georgskirche spielt Volksmusik, eine Gruppe in griechischen Trachten zeigt traditionelle Tänze, dazu wird Moussaka, Pastitio und Souvlaki vom Grill serviert. Zwischen dem Klatschen und Lachen der Gäste sieht man aber viele ernste Gesichter.
Mehr Fragen, als Antworten
"Was sollen wir denn dann machen?", fragt ein älterer Grieche aus Thessaloniki. Er lebt seit 52 Jahren in Österreich. "Raus aus dem Euro ist doch a Bledsinn", sagt er in breitem Wienerisch. Die 18-jährige Efrosini hat ebenfalls mehr Fragen als Antworten. Sie hat griechische Eltern, ist in Österreich aufgewachsen. Die Schülerin fragt sich, warum nur noch über Ausstiegsmöglichkeiten diskutiert wird und nicht mehr über Menschlichkeit? Denn, so Efrosini, sie erlebe bei Verwandten und FreundInnen hautnah, wie schlecht es den Menschen in Griechenland mittlerweile geht.
FM4 / Paul Pant
Spenden für GriechInnen in Not
Der Hauptzweck des bunten Solidaritätsfestes ist Spenden zu sammeln. Für Menschen, die durch die Krise alles verloren haben, sagt Arsenios Karadamakis, das kirchliche Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche in Österreich. Er berichtet mit ruhiger und ernster Stimme, wofür das Geld verwendet wird. 100.000 Mahlzeiten müssen täglich ausgegeben werden, Medikamente für Ärzte, Spitäler und Altersheime werden von der Kirche bezahlt. Großhändler liefern Medikamente nur noch gegen Bargeld, kann man am selben Tag in der Zeitung lesen. Die Kirche wird zum letzten Zufluchtsort für viele Menschen.
Kardinal Christoph Schönborn, der sich an diesem Tag solidarisch zeigt, findet klare Worte bei seiner Ansprache: Es sei eine Schande, mit welcher Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit heute über die GriechInnen geurteilt und geredet werde. "Wir sind alle Griechen", beschwört Schönborn seine Gläubigen und fordert mehr Solidarität in Europa. Ob diese Botschaft bei den 71 Prozent ankommt, bleibt trotz des Solidaritätsfests allerdings fraglich.