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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

3. 6. 2012 - 09:44

Grimmige Schönheit

"Snow White and the Huntsman" verspricht einen düsteren Zugang zum alten Märchenklassiker.

Spieglein, Spieglein an der Wand, wer macht die erfolgreichste Märchenverfilmung im ganzen Land? Die alten Geschichten der Gebrüder Grimm, von übervorsichtigen Eltern zu Unrecht aus den Kinderzimmern verbannt, sind en vogue in Hollywood. Allerdings, wie meine Kollegin Conny Lee hier unlängst ausführte, stets mit einem poppigem Twist versehen.

Im nächsten Jahr werden wir Hänsel und Gretel auf der Leinwand erleben, die nach ihren traumatischen Erfahrungen im Knusperhäuschen zu Hexenjägern mutieren. Bereits 2011 schlüpfte Amanda Seyfried für "Red Riding Hood" ins Rotkäppchen-Kostüm. Und auch Schneewittchen wurde unlängst von Tarsem Singh, dem Spezialisten für überstilisierte Bilder, in "Mirror Mirror" adaptiert.

Snow White and the Huntsman

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Dem Spirit der grimmigen Brüder wurden die beiden letztgenannten Filme dabei in keiner Weise gerecht. Während das Rotkäppchen in einem antiseptischen Szenario agierte, umgeben von föhngewellten Highschool-Schönlingen und aalglatten Kulissen, missglückte das neumodische Schneewittchen durch ein Übermaß an Ironie. Und auch die Vorliebe des Regisseurs für übertriebene Opulenz sabotierte den Gänsehaut-Faktor.

Der Regie-Newcomer Rupert Saunders stürzt sich nun in "Snow White and the Huntsman" endlich einmal auf das düstere Potential, das in vielen klassischen Märchen schlummert. Schließlich sind die zentralen Erzählungen der Brüder Grimm, von Ludwig Bechstein oder Hans Christian Andersen im Kern keine Disney-Vorlagen, sondern gnadenlose Schauergeschichten, die uns im kindlichen Alter auf spielerische Weise mit den Schrecken der Existenz vertraut machen sollen.

Snow White and the Huntsman

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Rupert Saunders nimmt diesen Auftrag sehr ernst: Wenn Charlize Theron als böse Königin ihren Ehemann ermordet und das ganze Land unterwirft, dann verfault die Natur, dann fließt Blut und es sieht ziemlich hoffnungslos aus für Schneewittchen. Man kann sich diesen Film wohl eher nicht in Sonntagnachmittagsvorstellungen für die lieben Kleinen vorstellen.

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"Snow White and the Huntsman" verzichtet auf satirische Umdeutungen, aber trotzdem nicht auf moderne Zugänge. Die unterschätzte Kristen Stewart, frisch den Fängen der "Twilight"-Saga entkommen, ist in der Titelrolle kein passives Mäderl mehr, dass auf den edlen Prinzen wartet. Und der Jäger (Chris "Thor" Hemsworth), der ihr im Auftrag der Königin nachstellt, wird plötzlich zu einer martialischen Hauptfigur. Beide zusammen verbünden sich sich gegen die Tyrannei der herrlich diabolisch outrierenden Charlize Theron.

Snow White and the Huntsman

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Spätestens nach einer Episode im dunklen Wald, in dem gefährliche Pilze für psychedelische Visionen sorgen, die auch in Marilyn Manson Videos passen würden, fragt man sich: Ist das nun die Gruftie-Version von Schneewittchen, mit einem Hauch von "Lord Of The Rings"? Tatsächlich wirken die unvermeidlichen sieben Zwerge, gespielt von toughen Charakterdarstellern wie Ian McShane, Bob Hoskins, Ray Winstone oder Brian Gleeson, wie aus der Tolkien-Verfilmung entlaufen.

Im Vergleich zu Peter Jackson mangelt es Rupert Saunders aber leider an Gespür für die Schauspieler. Und auch im Drehbuch wimmelt es vor zahlreichen dramaturgischen Schwachstellen. Meiner Wenigkeit, als Liebhaber bestimmer Gothic-Kitsch-Facetten und vor allem als jemanden, der von seinen großartigen Eltern mit unzensurierten Märchen überhäuft wurde, ist das aber egal. Die hinreißend morbide Optik, die finstere Charlize und die ätherische Kristen machen vieles wett. "Snow White and the Huntsman" scheitert auf märchenhafte Weise.

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