Erstellt am: 30. 5. 2012 - 11:24 Uhr
My Mate Manchester United
Ich saß vor einigen Jahren auf dem Sofa in meiner Wohnung in Sofia und bekam meine jährliche Dosis Fernsehkotze. In Wien besitze ich keinen Fernseher, deshalb hole ich immer wenn ich in Bulgarien bin, meine Versäumnisse in Sachen unnützliche Information aus der Glotze nach. Ich wechselte die Kanäle – eine neue Partei wurde wieder gegründet und sie verspricht die Gehälter in einem Jahr zu verdoppeln, falls sie an die Macht kommt, das Budget der bulgarischen Regierung für Überwachung ist zwei Mal größer als das für Bildungswesen, das neue Album einer neuen Turbofolksängerin wird vorgestellt ... Nichts fesselte meine Aufmerksamkeit für mehr als einer Minute bis diese „Nachricht“ kam: Ein Mann aus einer kleinen Stadt an der Donau hat sich nach jahrelangen Verhandlungen erfolgreich und gesetzlich in „Manchester United“ umtaufen lassen. Im Unterschied zu allem zuvor, brachte mich die Geschichte vom bulgarischen „Man U“ zum Lächeln. Ich lachte aber den Mann nicht aus, sondern dachte mir nur, zu was die Menschen bereit sind, um einen Sinn in ihrem leeren Leben zu finden. Bald danach hatte ich die Geschichte vergessen.
iffi.at
Sie kam zurück in meine Erinnerung, als ich vom Debütfilm des bulgarischen Künstlers Stefan Vuldobrev erfahren habe. Im „My Mate Manchester United“ beschäftigt er sich mit diesem bulgarischen „Manchester“. Marin „Manchester“ Levidzhov ist ein gewöhnlicher 50-Jähriger Gelegenheitsarbeiter aus der kleinen Stadt Svischtov an der Donau, der allein mit seiner Mutter und seine Katze „Beckham“ lebt. Er ist einfach einer von Millionen, die einen Sinn in ihrem Leben durch die Siege ihrer Idole finden. Was bringt einen Menschen dazu, sich offiziell in einem Fußballverein umzutaufen? Damit und mit der Frage, wer wir wirklich sind, beschäftigt sich dieser Film.
Stefan Vuldobrev ist ein bekannter bulgarischer Schauspieler, Sänger und Komponist. „My Mate Manchester United“ ist sein erster Film, den er nach dem Studium der Filmregie an der Prager Filmakademie FAMU gemacht hat. Der Film ist heute im Rahmen des Dokumentarfilmprogamms des „LET`S CEE Film Festival“ um 19.00 Uhr in der Wiener Urania zu sehen. Im Film werden einerseits die jahrelangen Kämpfe des kleinen Mannes mit dem System bei der Verfolgung seines Traumes gezeigt. Andererseits ist er ein Porträt des heutigen Bulgariens mit seinen Bürgern, die so enttäuscht von der Wirklichkeit sind, dass sie sich ständig nach einem Leben in einer anderen Realität bemühen. Ich hoffe wir sehen uns da!