Erstellt am: 27. 5. 2012 - 10:30 Uhr
Seewiesenfest #19
Das Erste, was beim Eintreffen auf dem Gelände auffällt, ist der riesige Gulasch Topf. Seit drei Tagen wird hier für die BesucherInnen des Seewiesenfest über offenem Feuer Gulasch gerührt, gekocht und abgeschmeckt.

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Sicherlich das kulinarischste Essensereignis der Festivalsaison. Auf dem familiären Seewiesenfest ist diese Essenseinlage nur ein kleines Puzzleteil von vielen, das zum Gesamt-Prädikat "liebevoll" beiträgt. In so einer Athmosphäre schaut man sich gern alle Bands an, auch den Heavy-Metal-Eröffnungsact, der die ersten Zugabe-Rufe des Abends erntet. Familiär eben.
Liz Green, den Namen soll ich mir merken, hat man mir doch schon vor Wochen gesagt. Auf der Bühne steht ein Trio bestehend aus Kontrabass, Schlagzeug mit Besensticks und Liz Green selber an den Vocals und am Keyboard bzw. an der Gitarre. Als Backingband auf einer Kreuzfahrt der Gefühle gerne, aber für mein Festival-Empfinden ein wenig zu viel rauchiges-jazziges Gesinge und Gezupfe.

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Vom Zeltplatz bis Backstage
Aber der Tag ist noch jung und mit Still Flyin aus San Francisco wird ein erster Freudensprung aus den Publikumsreihen erwartet, der auch eintritt, sobald die erste Person den schüchternen Kreis der Leere in den ersten Reihen antanzt. Die für die Europa-Tour auf sechs Köpfe reduzierte Band rund um den Sänger Sean Rawles spielt sich zackig und zügig von Song zu Song. Vorgestellt wird das neue Albummaterial, für das die Band einen Koffer voller "wires&cables" mitgebracht hat, denn darin sind die 80er Jahre-Referenzen eingewickelt. Ein Saxophon gab es auch. Ich war glücklich.

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Tu Fawning aus Portland haben mit ihrer aktuellen Platte "Monument" all das präzisiert, was auf ihrem Debüt zart angedeutet wurde: Die perkussiven, durch die Ära der 40er und 50er dahinstampfenden Pop-Noir-Songs ein wenig entschlackt, man nennt ihr neues Werk deswegen auch "accessible". So großartig die Band auch ist und so beeindruckend ihr perfektes Zusammenspiel: Tu Fawning sind sichtlich genervt vom andauerndem Rumgegröhle des unaufmerksamen Partyvolks in der ersten Reihe und der Unterhose, die schließlich auf die Bühne geworfen wird. Nein, man ist nicht gekommen, um sich auszuziehen, sondern um ein paar Lieder zum Besten zu geben.

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Laute und rauschige Lieder zum Beispiel! Gezapft aus den Gitarrenhälsen von Lower Dens! Eingedickter Wohlfühl-Noise-Pop! Ein Höhepunkt des Abends!
Lower Dens haben Athmosphäre auf die Seewiese gebracht und die Citizens! Hits und hübsche Frisuren. Eindeutig selbstbewusster und routinierter als noch Anfang des Jahres am FM4 Geburtstagsfest.

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Die Band hat mal gemeint "You can´t make music that is not retro!" Sie wollen in den Vergangenheiten graben und diese in neuem Kontext besetzen, das ihnen das mit einem Michael Jackson-Cover nicht gelingen wird, sollte man ihnen vielleicht noch mitteilen. Reptile Youth hingegen brauchen als Headliner nur sich selbst zu covern: Speeddance ist von der ersten Minute des Konzertes angesagt, lange bevor die Band ihre erste Single anstimmt und lange nachdem der letzte Song ausklingt. Da sieht man die Band in inniger Umarmung am Bühnenrand stehen. Yes, auch heute sind sie ihrem Ruf, musikalische Endorphin-Maschinen zu sein, gefolgt.

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