Erstellt am: 25. 5. 2012 - 14:26 Uhr
My Reality: Wind of Change
von Christian Wind
Es lastete mir auf der Seele. Dieses Nichtwissen, was ich beruflich machen soll. Dieses Nichtwissen, wohin mit meiner Energie? Und wo finde ich die Selbstbestätigung. Diese Zweifel machten mich klein, stellten mich in den Schatten jener Freunde, die genau wussten, wohin sie wollten. Die waren ausgezeichnet in dem, was sie wirklich tun wollten. Ich stand hingegen da und hatte keinen Plan.
FM4: My Reality
It’s time once again for a member of the FM4 Community to tell the story behind their personal headline on FM4’s Saturday Reality Check Special-My Reality. This week Christian Wind shares his journey from an education and burgeoning career in law and the soul-searching involved in breaking with a planned path and going in a completely new direction. The accomplished photographer’s motto is to "live passionately" and he’s intent on making each moment count.
Also es gab schon so Interessen. Politik zum Beispiel. Daher inskribierte ich Jus. Der Staat hat mich interessiert. Die Organisation des Gemeinwesens. Aber so richtig motiviert war ich nie, in der Rechtswissenschaft. Das Studium war ein Kampf für mich, für die später Erfolgreichen schien es wie ein Spaziergang. Bei ihnen machte es Sinn, dachte ich mir. Bei mir war das irgendwie anders. Ich hab zwar das Studium gut abgeschlossen, aber irgendwie wollte keine rechte Freude aufkommen: Ich hab mich eigentlich nie als Jurist gefühlt, mir fehlte jegliche Identifikation, ich hatte keinerlei Ziele für meine Laufbahn.
Christian Wind
Nach dem Studium durchlief ich ein trostloses Gerichtsjahr. Ich war paralysiert. Die Folge war ein nicht minder trostloser Job in einer ehrgeizigen Wirtschaftskanzlei. Der Alltag im Büro erdrückte mich. Ein Ausweg?
Ein Postgraduate Studium in Italien, das war es, zumindest für den Augenblick. Der dann fast ein Jahr gedauert hat. Bologna. Wundervoller Platz voll Lebensfreude. Und: ich durfte als Fotograf für die Uni fotografieren, meistens ältere Männer, die Vorträge an der Uni hielten, ehrwürdige Herren, aber durchaus interessante Gesichter. Und ich bekam Geld dafür. Zum ersten Mal Geld für eine Arbeit, die mir Spaß machte, die ich nicht als Arbeit empfand. Das Feuer der Beobachtung, die Begeisterung des festgehaltenen Moments war da. Ein erstes Aufflackern einer Leidenschaft war spürbar. Sie wurde erstickt.
Christian Wind
Ich fand keinen Einstieg in die Berufswelt. So fand ich mich mit 28 Jahren als Fahrradbote wieder, kam erst langsam wieder in die Gänge und wurde durch einen Zufall nach Brüssel gespült, wo ich nun wirklich meiner Ausbildung gemäß arbeiten wollte. Aber keiner brauchte meine Arbeit in Brüssel. Es gab überhaupt keine Verwendung für mich. Ein höchst unbefriedigender Zustand. Doch vorläufig brachte mir die neue Position für zwei Jahre Sicherheit. Und Freiheit, und auf einmal richtig Zeit. Die es zu nutzen galt. Ich hatte Zeit für eine andere Dimension. Vielleicht endlich daran zu glauben, dass ich das machen darf, was ich mir wünsche, auch wenn es nicht meiner Ausbildung entspricht. Aber dieser Gedanke musste noch weiter reifen.
Aus Brüssel wechselte ich in eine renommierte Wiener Wirtschaftskanzlei. Drei Jahre lang habe ich dort viele, viele Stunden gearbeitet. Dabei sicher auch viel gelernt. Aber glücklich hat mich die Arbeit nicht gemacht. Und so endete diese Zeit mit einem Gespräch, in dem mir der um ein Jahr jüngere Chef erklärte, ich käme ihm vor, wie einer, der sich die ganze Sache hier wie ein Theaterstück ansieht. Aber ich sei nie Teil des Stücks. Ich bin immer nur Beobachter, meinte er. In dem Moment war ich am Boden zerstört. Aber ich wusste, er hatte Recht. Endlich war ich am Ende meiner eigenen Sackgasse angelangt.
Christian Wind
Ich hab's versucht als DJ, als Reiseleiter, als Model, Nachrichtenschreiber, als Telefonist, als Verfasser von Artikeln über ethische und rechtliche Fragen der Biotechnologie für eine wissenschaftliche Plattform, als Rechtsanwaltsanwärter; alles hat mir durchaus Freude bereitet, aber ab nun wollte ich endlich meiner Leidenschaft folgen. Den Bildern.
Es ist mir nun ein Leichtes, meine ganzen Umwege zu ertragen, weil ich spüre, dass sie mich tatsächlich zu dem gemacht haben, was ich bin. Ich bin viel herum gekommen, durfte in viele verschiedene Welten eintauchen, ohne - fotografisch betrachtet - Ergebnisse abliefern zu müssen. Das war meine Schule. Ich wurde ohne mein Wissen ausgebildet.
Ich weiß jetzt zumindest, dass es nicht einfach ist, seinen Weg zu finden. Ich darf nur in aller Bescheidenheit für mich erkennen, dass ich ein viel besserer Fotograf bin, als ich je als Jurist geworden wäre. Die Fotografie fühlt sich einfach besser an. Und das ist eigentlich das Wichtigste.
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