Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Sonne auf dem Plattenteller, aber auch kühle Brise"

Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

24. 5. 2012 - 13:22

Sonne auf dem Plattenteller, aber auch kühle Brise

Das kalifornische Duo West Coast, pardon, Best Coast, veröffentlicht seinen zweiten Longplayer "The Only Place". Bitte ein Westerl einpacken, wenn´s frisch wird am Abend.

Bethany Cosentino und Bobb Bruno begeisterten vor nicht ganz zwei Jahren mit ihrem von den Breeders, Hole, Garage-, Surfrock- und Sixties-Girlgroup-inspirierten Debutalbum "Crazy For You", samt der Single "Boyfriend". Mit dem Nachfolger präsentieren sich die beiden jetzt gereifter. I know, I know, das könnte nach, nun ja, öde klingen, erwachsen und so, aber das muss es gar nicht sein.

US-Duo Best Coast Mann und Frau in Band

Best Coast

Best Coast nennen ihr neues Album "The Only Place". Ob damit Kalifornien gemeint ist? Na klar. Die US-Westküste gilt ja schon immer als magischer Ort, in der Popkultur und darüber hinaus. Ob der US-Bundesstaat heute noch gar so ein zauberhafter Flecken Erde ist, sei dahingestellt, aber wollen wir unsere Bilder im Kopf vom sonnengeküssten Kalifornien-Pop nicht zerstören, von den Ladies of the Canyon, dem Chateau Marmont-Hotel und seinen Rock´n´Roll-Eskapaden und so weiter und so fort. "The Only Place" von West Coast, pardon, Best Coast, zaubert jedenfalls Sonne auf den Plattenteller, aber nie soviel, dass die Haut Verbrennungen erleiden würde.

Albumcover 2012 US-Band Best Coast mit är am Cover, hält Kalifornienlandkarte

Cosentino

"The Only Place" von Best Coast ist bei Wichita/PIAS erschienen.

Genug jetzt aber mit West Coast is the best coast und so, auch wenn allein das Plattencover von "The Only Place" schon zum Reden darüber anregt. Da hält ein Bär - diese Tiere sind immer gut im alternativen Pop der Gegenwart: von Minus The Bear über Grizzly Bear bis zum Bear In Heaven und noch weiteren dieser oftmals in der Menschheitsgeschichte so geknechteten (Lieblings-)Tieren - ein Stück Landkarte in den Armen, eine, ganz genau, Kalifornienlandkarte.

Das "Valley" ist die Gegend nördlich der Hollywood Hills, das San Fernando Valley, bestehend aus Orten wie Encino, Van Nuys, Burbank etc., die weniger glamourös sind als Hollywood, Beverly Hills oder Santa Monica. Im Valley gibt es alle möglichen Neighbourhoods - hübsche, weniger hübsche, und auch gefährlich(er)e.

Nein, nach Brooklyn würde dieses Valley Girl Bethany Cosentino nie ziehen. Ostküste? No, no, no. Vielleicht irgendwann mal, aber jetzt gewiss nicht. Moment mal, Bethany, die gebürtige Kalifornierin, hat einmal an der East Coast gewohnt. Sie war an einem Collge in New York eingeschrieben, sehnte sich aber so sehr nach der Westküste, dass sie es nicht einmal ein Jahr in New York aushielt.

Bethany Cosentino, Sängerin, USA, Coachjella Festival 2011

Coachella

Bethany Cosentino beim Coachella Festival, Kalifornien, 2011

"We were born with sun in our teeth and in our hair", singt Bethany Cosentino im Titelstück "The Only Place", einer California-Hommage: "We´ve got the ocean, got the babes, got the sun, we´ve got the waves." Bangles? Oh mein Gott, die Bangles, lang ist´s her, aber gut war´s. Bethany Cosentino weiß jedoch auch, dass es da einmal einen Typen namens Charles Manson gegeben hat, unter der California-Sonne. Dass der scheinbar unendliche Sonnenschein-Himmel getrübt worden war, was niemals vergessen wird. Und darum packen wir eine Jacke ein, oder einfach ein kleines Wollwesterl, wenn es kühl wird des Abends, draußen am Strand mit der Musik von Best Coast in den Ohren. "Chilly now, end of summer, no more shiny hot nights..." sang einmal das California-Girl Joni Mitchell, das eigentlich ein kanadisches war, im Song "For The Roses", obwohl wir jetzt eigentlich ihr "California" auf den Plattenteller legen sollten: "California, I´m coming home, I´m going to see the folks I dig. I´ll even kiss a sunset pig." Großartig.

Us-Duo Best Coast - Bobb und Bethany, 2012

Bestcoast

Das California-Thema lässt einen absolut nicht los, geht ja auch gar nicht bei diesem neuen Longplayer von Best Coast. Und weil zu L.A., ja immer auch das Wort "gloss" passt: Glossier ist der neue Longplayer von Best Coast geworden, mehr Hochglanz, weniger Lo-Fi als das Debut. Größerer Sound und so. Bär am Cover statt Katze. Ali Koehler, Ex-Vivian-Girls, am Schlagzeug ist nicht mehr dabei. Schade. War sie gar etwa nicht glamourös genug für diese zweite Runde von Best Coast?

Jon Brion hat das Album zusammen mit Bethany und Bobb produziert. Der eigentlich von der US-Ostküste stammende Musiker bringt das Lichte und das Dunkle in Songs gut zusammen. Er hat schon mit Evan Dando, Elliott Smith, Eleni Mandell, Rufus Wainwright oder Marianne Faithfull Studiozeit verbracht, oder auch mit der von vielen kultisch verehrten Kalifornierin Fiona Apple, die in den 90er Jahren erfolgreich Riot Grrrl trifft auf Pop umsetzte, aber Mr Brion war auch schon mit Kanye West im Studio. Mit Best Coast setzt er auf eine straighte Production, weg mit dem ganzen Fuzz-Zeugs, das nur die (tolle) Stimme von Bethany Cosentino verschleiern würde. Das (verbotene) Zeug zum Rauchen ist weggepackt ("Sun Was High (So Was I)" vom Debutalbum). Gut so, und die Haare sind jetzt auch gewaschen. Aus dem beach bum girl Bethany wurde eine beach goddess. Dass manche von uns da jetzt auch die Bethany vom Debutalbum von Best Coast vermissen werden, ist verständlich.

US-Musikerin Bethany Cosentino, Band: Best Coast

Cosentino

Watching The Clouds As The Sun Fades

Ihr geliebtes Kalifornien hat Bethany Cosentino seit dem Debutalbum von Best Coast aber gar nicht so oft gesehen, weil die Band so viel auf Tour war, der großen Nachfrage wegen. Um das Nicht-Zuhausesein geht es auch auf dem neuen Album der Band, in Songs wie "Let´s Go Home", "My Life" oder "Why I Cry". Jammern, na gibt´s denn das? - könnten wir jetzt schimpfen. Tun wir aber nicht. Und schon gar nicht wenn dabei Songs wie "Dreaming My Life Away" herauskommen - ein an Stevie Nicks und Fleetwood Mac erinnerndes (California-)Stück. Heimweh. Wir bedenken, am ersten Album ging es noch um die Boyfriendsuche und sowas.

Bethany Cosentino machte als Kind und Jugendliche bei Talenteshows in L.A. mit. Sie sprang der Popindustrie aber gerade noch von der Schippe, wurde keine Katy Perry, sondern gründete ihre Band Pocahaunted - in Anlehnung an die legendäre nordamerikanische Ureinwohnerin Pocahontas und an den Dreampop-Sound der britischen Band The Cocteau Twins und ihrer Sängerin Liz Fraser.

Jetzt kommt der Zeitpunkt, wo wir die mitgebrachten Jacken anziehen, ich mein kleines Wollwesterl. Wolken ziehen vorbei, die Sonne sinkt ins Meer. Als upfront und very honest, sieht sich Bethany Cosentino, dieses Riot Grrrl von nebenan, und sagt, dass sie schon mal einen Courtney-Love-Moment haben kann. Publikumsbeschimpfungen und so. Aber wir müssen uns dennoch keine Sorge um die mentale Gesundheit der Bethany Cosentino machen, denn sie isst dann schon wieder ihr Müsli und trinkt ihren Apfelsaft, bio, versteht sich, organic, wie der englischsprechende Mensch dazu sagt.

Ach ja, und weil sich das fast schon so gehört für die Post-Riot-Grrrls, Bethany Cosentino ist unter die DesignerInnen gegangen: Für eine kalifornische Kette hat sie soeben Kleider entworfen. Nice, very nice. Hmm, ich kaufe mir aber trotzdem eher ein schönes Kleid von Liza Rietz, handgenäht von Liza von der Band Tu Fawning aus Portland, Oregon. Ihre Stücke waren zuletzt bei der Berlin Fashion Week zu sehen und können via Mailorder bezogen werden. Dennoch nichts gegen die Kleider von Beth Ditto, ah, Beth Cosentino - für Urban Outfitters übrigens. .

If you like this, try these:
Neko Case, Rilo Kiley, Go Go´s, She & Him, Patsy Cline.

Weitere Anspieltipps auf "The Best Place"

"How They Want Me To Be": Ein non-conformity-Song: "I don´t wanna be how they want me to be." Bethany in love: "You don´t want me to be how they want me to be."

"Better Girl": Ok, das ist er, der Courtney Love Moment: "It´s no fun when I´m freaking out, and it´s no fun when I´m down", singt Bethany Cosentino.

"Up All Night": "I´m still awake and still afraid". Bethany Cosentino at her best.