Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Fremdhören"

Rainer Springenschmid

Punk & Politik, Fußball & Feuilleton: Don't believe the hype!

22. 5. 2012 - 18:03

Fremdhören

Treffende Zeitgeistkommentare an abgeklärter Rockmusik: Mit dem neuen Album "Xenophonie" machen die Fehlfarben da weiter, wo sie mit "Glücksmaschinen" vor zwei Jahren aufgehört haben.

Ich muss doch schon lang nicht mehr probieren
die Lage wie sie ist zu kommentieren
ich hab doch lang genug gelebt vom Kopieren
um jetzt noch den Durchblick zu verlieren
(Fehlfarben, Lang genug)

Wut? Zorn? Gelassenheit!

Cdcover

Fehlfarben

Fehlfarben "Xenophonie", Tapete Records 2012

Nein, Peter Hein ist nicht müde, wie man aus dem obigen Text vielleicht heraushören könnte. Wutbürger ist Peter Hein ganz sicher auch keiner, und auch das Wort Zorn gefällt ihm nicht. Auch wenn das neue Fehlfarben-Album noch druckvoller klingt als der Vorgänger, der Gesang noch emphatischer - Wut und Aufgeregtheit sind ihm fremd. "Ich seh das ja alles ziemlich gelassen", sagt er im Interview. "Je mehr es den Bach runtergeht, umso größer sind die Chancen, dass es auch mal ein paar Arschlöcher erwischt, und nicht nur immer die armen Deppen."

Sigrid Maurer, Peter Hein und Dorid Knecht beim Protestsongcontestfinale 2010

Radio FM4 / Christian Stipkovits

Peter Hein mit Sigrid Maurer (l.) und Doris Knecht in der Jury des Protestsongcontest-Finales 2010

Die distanzierte Herangehensweise an den Lauf der Dinge hat die Fehlfarben immer schon ausgezeichnet. Ist Xenophonie dann auch Musik von Menschen, die sich in dieser Welt fremd fühlen? Eher nicht, meint Peter Hein. Der Titel ist direkt nach den Aufnahmen entstanden, im Studio von Moses Schneider, in der bier-seligen und euphorie-trunkenen Stimmung nach dem letzten Take. "Das bezieht sich auf den Klang. Es war eher gemeint, dass der Sound, den Produzent Moses Schneider mit uns hingekriegt hat, einfach überhaupt nicht das ist, was gängig ist zur Zeit. Ich weiß jetzt zum Glück nicht, was der gängige Sound ist, damit muss ich mich zum Glück ja nicht abgeben."

"Lang genug gelebt vom Kopieren"

Nein, nach Moden, Trends und Chartskompatibilität müssen die Fehlfarben zum Glück nicht schielen. Auch so kann man obige Textzeilen verstehen: Peter Hein ist lang genug im Büro eines Kopiererherstellers gesessen. Er hat es nicht nötig, beim Musik machen etwas anderes zu tun als das, was er tun will. Die Fehlfarben hatten das eigentlich nie nötig.

Fehlfarben

http://www.flickr.com/photos/fehlfarben/

Die Fehlfarben

Die Fehlfarben entstammen der Keimzelle des deutschen Punk in Düsseldorf (die mit Buch und Film „Verschwende Deine Jugend“ vor ein paar Jahren gebührend gewürdigt worden ist). Ihr erstes Album, Monarchie und Alltag aus dem Jahr 1980, gilt gefühlten drei Vierteln aller Musikkritiker immer noch als das beste deutschsprachige Popalbum aller Zeiten. Ein Jahr (Es geht voran) war ein früher NDW-Superhit. Seither gab es das übliche Auf und Ab, das eine Band in 30 Jahren so erleben kann: Besetzungswechsel, Auflösung, Neugründung.

30 Jahre Punk

Geblieben ist vor allem eine Arroganz-freie Abgeklärtheit, die Musikern ihres Alters natürlich hervorragend steht - und die von der druckvollen, energetischen Musik der Fehlfarben 2012 prächtig untermalt wird. Der Sound und die immer wieder erfrischend geradlinigen Texte verhindern, dass diese Abgeklärtheit in Langeweile umschlägt. Und ziemlich lustig können die Beobachtungen des politischen Alltags auch sein. Dass Peter Heins Stimme und Tonalität der von Helge Schneider nicht unähnlich ist, stört dabei nicht wirklich.

Seine rheinische Herkunft hört man Peter Hein noch deutlich an. Trotzdem sind die Fehlfarben inzwischen auch von Wohnorten unabhängig. Die Bandmitglieder sind über den ganzen deutschen Sprachraum verstreut, geprobt wird, wo es gerade passt. Peter Hein lebt seit ein paar Jahren, der Liebe wegen, in Wien. Hat das seine Perspektive auf die Welt verändert? "Ich sag es mal so: ein Tag ohne Jeannée ist ein verlorener Tag. Dann weiß man wieder nicht, worüber man schreiben möchte. Also Zeitung ... nein: Krawallblatt im Kaffeehaus muss schon irgendwie sein. Aber dann langt's auch wieder für den Rest des Tages."