Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Song Contest und Pressefreiheit"

Mari Lang

Moderiert, beobachtet und probiert aus – neue Sportarten, Bücher und das Leben in der Ferne. Ist Ungarn-Fetischistin.

21. 5. 2012 - 15:43

Song Contest und Pressefreiheit

Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, über die Pressefreiheit in Aserbaidschan und warum der Song Contest den Druck auf regimekritische Journalisten sogar noch erhöht.

Salon Baku
Das Songcontest-Finale 2012 mit Stermann & Grissemann

Am Samstag, dem 26. Mai ab 21.00, auf FM4 und in ORF1 im Zweikanalton.

Am Samstag ist mal wieder Song Contest, diesmal in Baku, der Hauptstadt von Aserbaidschan. Dabei hat es schon im Vorfeld viel Kritik gegeben: Für die große Show wurde in Baku nämlich mächtig gebaut, Menschen wurden umgesiedelt und generell ist es mit den Menschenrechten in Aserbaidschan nicht so gut bestellt. Aserbaidschan belegt in der internationalen Rangliste der Pressefreiheit von "Reporter Ohne Grenzen" gerade einmal den 162. Platz und liegt damit hinter dem Irak und Afghanistan.

Zu Gast bei Mari Lang im FM4 Studio war Rubina Möhring, die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Mari Lang: Der Menschenrechtsorganisation "Reporter Ohne Grenzen" geht es ja vor allem um die Wahrung der Pressefreiheit. 80% der Zeitungen in Aserbaidschan und 21 von 23 Fernsehsendern sind in der Hand der Regierung. Was bedeutet das denn für die Pressefreiheit und für die Informationslage?

Rubina Möhring: Das ist natürlich eine ganz und gar geregelte Geschichte, wobei der Staat über die meisten Medien, die es im Land gibt, die Kontrolle hat. Das findet man öfters in postkommunistischen Staaten. Pressefreiheit ist ein Basiswert der Demokratie, und das will gelernt sein. Es heißt ja nicht nur Pressefreiheit, sondern auch Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit. Wir sind hier nicht so etwas wie eine Journalistengewerkschaft, sondern wir wollen dazu beitragen, dass die Bürger eines Landes die Informationen frei bekommen können, die sie haben wollen. Das geht klarerweise nur im Rahmen der Medienfreiheit, deshalb setzen wir uns genau dafür ein. Wir haben jetzt auch ein spezielles Forum für Kolleginnen und Kollegen in Aserbaidschan gemacht, um ihnen eine Stimme zu geben. Das ist sehr wichtig, und die Rechnung ist auch aufgegangen. Die ganze Welt schaut auf Aserbaidschan, und wie es mit den Menschenrechten dort ausschaut.

Wie ist denn das Internet in diesem Fall zu beurteilen? Erreicht das die Menschen in Aserbaidschan?

Das erreicht sie schon, aber es gibt natürlich auch Sperren. Vor allem die aserbaidschanischen Blogger sind in Gefahr. Wenn wir Eynulla Fatullayev nehmen, der jetzt den UNESCO-Preis für Pressefreiheit bekommen hat: Er war unser Preisträger für 2009, Reporter ohne Grenzen Österreich hat ihn ausgezeichnet, da saß er noch im Gefängnis, weil er regime-kritische Blogs geschrieben hatte. Er ist dann einige Monate nach unserer Preisverleihung herausgekommen. Man sieht also: Wenn man sich dafür einsetzt und den entsprechenden Druck und die entsprechende Öffentlichkeit schafft, dann passiert auch etwas im guten Sinne. Wie gesagt, er ist jetzt frei, ist international bekannt und hat jetzt auch den UNESCO-Preis für Pressefreiheit bekommen.

Im Blog von Reporter Ohne Grenzen gibt es immer wieder Updates über die Lage von Journalistinnen und Journalisten in Aserbaidschan. Da ist zum Beispiel zu lesen, dass Journalisten bewusstlos geschlagen werden, ins Gefängnis gesteckt, oder auch mit privaten Videos erpresst und öffentlich gedemütigt werden. Die Situation soll jetzt durch den Song Contest noch schlimmer geworden sein. Wie darf man das verstehen?

Natürlich ist die Regierung nicht an Kritik interessiert. Zusammengeschlagen wurde zum Beispiel ein Journalist, der über Zwangs-Absiedlungen rund um Baku geschrieben hat. Wer Kritik übt, muss in Aserbaidschan darauf gefasst sein, dass er verfolgt wird, beispielsweise durch üble Nachrede, die Veröffentlichung von persönlichen Bildern, wie es einer sehr bekannten, sehr guten Journalistin passiert ist, die auch für Radio Free Europe arbeitet. Die anderen verschwinden im Gefängnis und werden dort zum Teil auch sehr schlecht behandelt, wenn sie krank sind. Sie bekommen nicht die entsprechenden Medikamente wenn sie krank sind und sie haben keine wirkliche Möglichkeit mit ihren Anwälten zu reden. Das ist der Versuch einzuschüchtern und dadurch Zensur zu üben. Denn natürlich gibt es da dann auch eine Reaktion in Form von Selbstzensur, weil Journalisten und Journalistinnen nicht mehr wagen, kritisch zu schreiben. Andererseits: Dadurch dass wir das so in die Öffentlichkeit getragen haben, ist der Song Contest in gewisser Weise auch gut für die Pressefreiheit und Informationsfreiheit in Aserbaidschan, weil alle jetzt darauf konzentriert sind. Es wird enorm konzentriert darüber berichtet, was natürlich für die Regierung unangenehm ist.

Für viele hier in Europa war Aserbaidschan ja bisher eher ein weißer Fleck auf der Landkarte. Glauben Sie, dass das Interesse an dem Land im Kaukasus auch nach dem Song Contest noch bestehen bleiben wird? Im Moment sind ja sehr viele - auch internationale - JournalistInnen vor Ort. Aber was wird danach passieren?

Das Interesse wird wohl bleiben. Wirtschaftlich ist das Land ja sehr interessant, es hat sehr große Öl- und Gasvorkommen. Natürlich sind im Rahmen dieser Wirtschaftsinteressen die Menschenrechte nicht so wahnsinnig wichtig. Ich glaube aber doch, dass, wenn einmal damit angefangen wurde, ein Land zu beobachten, das dann nicht mehr abreißen wird. Es wird nicht mehr so intensiv sein wie jetzt, aber es wird bleiben. Es gibt ja auch diese Menschenrechtsorganisation "Sing for Democracy", die wird beispielsweise natürlich weiter aktiv bleiben. Die haben auch dazu aufgerufen, dass beim Song Contest entsprechende politisch kritische Texte gesungen werden. Das wird allerdings sicher nicht passieren, weil es auch im Rahmen der Statuten gar nicht erlaubt ist. Das soll ja alles auch Gewinn bringen und ein Land soll nicht blamiert werden, so sehen es die Organisatoren jedenfalls. Das werden also vornehmlich Lieder sein wie "Wackel mit dem Hinterteil" oder so irgendwas. Diese Hoffnung wird also nicht erfüllt werden. Ich glaube aber schon, dass genügend sensibilisiert wurde, um weiterhin auf Aserbaidschan und die Menschenrechtslage dort zu schauen.

Welche Möglichkeit haben denn die Opposition und die Regierungskritiker in Aserbaidschan jetzt in den Tagen rund um den Song Contest? Können die diese Öffentlichkeit auch für sich nutzen?

Das können sie und das tun sie. Wir haben ja von Reporter Ohne Grenzen eine Plattform eingerichtet, "Pressefreiheit für Baku", wo wir Interviews machen (das macht vor allem die deutsche Sektion in Berlin), wo gebloggt werden kann, wo aus dem Land selbst berichtet werden kann. Das ist für die Kolleginnen und Kollegen in Aserbaidschan eine sehr große Hilfe. Dadurch können sie berichten. Wir haben hier in Österreich auch die neue Zeitschrift "Press Freedom Now", die genau für jene Journalistinnen und Journalisten gedacht ist, die zuhause nicht publizieren können, aber dadurch zumindest eine Stimme hier bei uns haben und ihre Anliegen weiter transportieren können.