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Eva Umbauer

Popculture-Fan und FM4 Heartbeat-moderierende Musikjournalistin.

28. 5. 2012 - 12:15

Citizens! sind unser Artist Of The Week

Das Londoner Quintett Citizens! - mit Rufzeichen - veröffentlicht endlich sein Debütalbum, "Here We Are", und gibt Pop wieder Seele.

Thom - mit "h", Tom - ohne "h", Lawrence, Mike und Martyn. Diese fünf jungen Männer sind die Citizens! Bleiben wir einfach bei ihren Vornamen, so wie es für fünf junge, süße, nette, charismatische, ehrgeizige (noch ein Adjektiv vielleicht?) junge Londoner Typen gehört. Immerhin war ein Teil der Band mit der Vorgängergruppe Official Secrets Act vor drei Jahren durchaus ein wenig so etwas wie ein mögliches next big thing im britischen Gitarrenpopgeschäft. Daraus wurde aber nichts, trotz hübschem Album "Understanding Electricity" und knackigen, tanzbaren, aber auch nachdenklichen Indie-Songs wie "The Girl From The BBC", "Bloodsport", dem hoffnungslos optimistischen "So Tomorrow", "Hold The Line" samt der großartigen Textzeile "As the wold collapses around my ears, I play guitar to Tears For Fears.", oder dem unfassbar talentierten Popsong "Little Birds".

Re-Invention?

Citizens!-Sänger Thom Burke über den Bandnamen, den man sich etwa auch gut in Sand geschrieben, an einem Strand, vorstellen kann.
"Late last summer in the UK, when we were thinking of a name, every paper, every TV show and every pub were full of talk about citizens and citizenship. There was compassion, there was condemnation, fear and fury. It was a time that brought out the best and the worst in people. We wanted a name that evoked the time we got started. It’s not a political thing, it’s a personal thing. It’s a call to arms."

Der Drummer war auf eine Weise mit "Schuld", dass der Ball doch nicht weiter ins Rollen kam. Schlagzeuger stehen in der Rockmusik ja grundsätzlich für Troubles. Sie sind, wirft man einen Blick auf die Popgeschichte, fast immer die Wildesten in der Band. Sie schreiben meist keine Songs, außer etwa Lars Ulrich von Metallica, sie brauchen meist keine Interviews zu geben etc. Der Drummer ist carefree, und er schlägt gern mal über die Stränge, siehe Keith Moon von The Who oder John Bonham von Led Zeppelin. Aber auch aktuellere Beispiele gibt es, etwa den Ex-Stereophonics-Drummer Stuart Cable. Alex, der Drummer vom Official Secrets Act, ist jedoch glücklicherweise am Leben und er erholt sich auch von seinem Unfall. Ganz fit ist er noch immer nicht, aber es wird schon wieder, sagen die Citzens! Hoffentlich.

Alex hatte einen Unfall, aber nicht etwa einen vom möglicherweise heftigen Rock ´n´Roll Leben verursachten, sodass er nicht mehr spielen konnte. Nein, Alex McKenzie hatte in London einen Fahrradunfall, der ihm eine Rückenverletzung einbrachte. Ein Auto hatte ihn niedergestoßen und ein weiteres dann halb überfahren.

Alex ist nach wie vor befreundet mit seinen Bandkumpels von damals, Teil der Nachfolgeband Citizens! ist er aber nicht. Thom und Co haben sich neu erfunden, gewissermaßen, auch wenn die Citizens! dieses Wort als zu stark empfinden, so als ob sie alles ganz genau geplant hätten, was nicht der Fall war. Die Bandmitglieder Martyn und Tom waren nicht bei Official Secrets Act, sie sind erst bei den Citizens! dazugekommen.

UK Band Citizens! Quintett, London, junge Männer

Kitsune

Stars In Their Eyes

Auch das Plattenlabel, bei dem Citizens! veröffentlichen, ist ein anderes, als das der Vorgängerband. War man erst bei One Little Indian zuhause, jener Londoner Independentfirma, die einst Björk mit ihrer Band Sugarcubes rausbrachte, und mit der die Isländerin nach wie vor freundschaftlich verbunden ist, so hat man als Citizens! beim weiterhin angesagten, in Paris ansässigen Kitsune Plattenlabel unterschrieben. Two Door Cinema Club, die nordirische Band, waren da ein wenig das Vorbild für die Kitsune-Entscheidung, sagt Thom Burke von Citizens! Wenn es für den Two Door Cinema Club dort funktioniert, dann könnte das auch für uns passen, dachten Citizens! Eine austauschbare Kitsune-Band? Nein, gar nicht. Eklektizismus statt Revivalismus. Grab a bit here, grab a bit there - Bowie, Sparks, Human League, XTC, Super Furries, Martin Rev etc - und am Ende kommt ein Gesamtes raus, das einfach total passt. This is...

Pop

Jede Woche gibt es einen neuen

"...is not a dirty word, it´s a holy one", sagt Lawrence Diamond von Citizens! Mit "Pop" meint er - die älteren unter uns wissen das - nicht etwa X-Factor-Absolventen, sondern große Persönlichkeiten wie eben David Bowie. Die Citizens!-Boys haben Sternderln in ihren Augen. Das ist schön, das berührt und lässt mich wieder mehr Brit-Musik hören als zuletzt. Die Citizens! hauchen dem Pop wieder eine Seele ein. Und Thom Burke ist ein natural born frontman, mit toller Stimme.

Damit diese jungen Männer aber nicht ganz allein ihren ersten Longplayer schaffen mussten, fand sich kein geringerer als Alex Kapranos, Sänger und Gitarrist von Franz Ferdinand. Hinauf nach Schottland ging es dann auch zu den Album-Aufnahmearbeiten, ins Studio von Mr. Kapranos, wo sich Citizens! gleich einquartierten und vom wirklich begabten Koch Kapranos versorgen ließen. Er hatte schon mit den Jarman-Brüdern gezeigt, dass er auch im Producer-Sessel etwas kann. Er hatte 2007 das dritte Album der englischen Band The Cribs, "Men's Needs,Women's Needs, Whatever", produziert. Und so streuen Citizens! dann auch Mr. Kapranos nichts als Rosen:

"We had meetings with other producers, but often they had a cynical and jaded attitude towards making music. Meeting Alex was like a breath of fresh air. His attitude is just entirely pure. He´s like an art school teacher. All he wants to do is challenge you: Why have you made these decisions, can you justify it? And also, he´s like, let´s just enjoy recording this music and let people hear our character and not try to hide the fact that it was actually recorded by human beings."

Sänger der Citizens!, UK-Band

Stipkovits

Citizens!-Sänger Thom Burke beim FM4-Geburtstagsfest 2012. Thom Burke wuchs in Watford auf, gleich nördlich von London. Dennoch schien die Stadt als Kind für ihn so weit entfernt. London ist noch immer ein inspirierender Ort, sagt Thom, trotz aller Probleme, die die Stadt hat. London als magischer Ort, wie das auch der junge Paul Weller einst spürte.

Here We Are - Song by Song

Albumcover UK-Band Citizens!

Universal

"Here We Are" von Citizens! ist bei Kitsune/COOP/Universal erschienen.

True Romance: Die erste Single. Seither gespanntes Warten auf mehr von dieser Band.

Reptile: Die nächste Single. "I´m turning into a reptile", singt Thom Burke. Wie denn das? Wird der Mann etwa zum Krokodil, oder zu einem Waran? Einer Schlange? Eidechsen sind des jungen Mannes Lieblingsreptilien, sagt er jedenfalls im FM4-Interview. Schildkröten sind auch Reptilien, wusstet ihr das?, fragt er. Im Song geht es darum, dass Thom sich einmal untertags im Londoner Regents Park wiederfand, mit einer Flasche Wein neben sich. Geht´s noch?, fragte er sich, und dachte, I´m turning into a reptile. Peinlich, reiß dich zusammen, junger Mann, sagte er sich. "It´s easy in the city to kind of lose your sense of humanity and discipline."

Caroline: Die neue Single. Caroline gibt es wirklich. "We stopped making sense, we never made any sense", heißt es im Text. Citizens! hier in einer großen Poptradition: Es bleibt der Fantasie des Hörers überlassen, wer das Mädchen im Song ist. Siehe Tom Waits´ "Martha", Elvis Costellos "Alison", "Angie" von den Stones, "Gloria" von Van Morrison, oder, ah, Barry Manilows "Mandy".

Love You More: "There´s no greater crime than to hide away", singt Thom Burke. Ja? Weil sich verstecken nicht mit "pop" einhergeht? Es handelt sich schlicht und einfach um ein Liebeslied. Sind die Citizens in love? Was, ineinander?, fragt Thom. Nein, Scherzkeks. Manche in der Band sind glücklich verliebt, andere sind glücklich nicht verliebt. Ok.

Let´s Go All The Way: "This is when the days get old, you better put your plans on hold", so eine Textzeile. Erinnert ein wenig an die Wild Beasts. Die Beasts und Citizens! kennen einander. Von "candles" singt Thom Burke, aber auch Wörter aus dem Finanzjargon verwendet er: asset stripping, aquisition, up asgainst the dollar. Er hasst diese Wörter. Wirtschaftskrise. Dancing through the dark times mit den Citizens! Auch die Band und ihre Freunde spüren die Krise. Aber: Citizens! verstehen sich dennoch nicht als politische Band. Thom Burke: "It´s a song about defiance. Carry on and stick to your guns."

(I´m In Love With Your) Girlfriend: Sex and, ah, in the city? Thom Burke, wohlerzogen und stets höflich: "It´s just a song. Isn´t that a great line for a song?, 'I´m in love with your girlfriend'?"

Weitere Songs

Nobody´s Fool: That summer feeling. Hübsches Intro, tolle Percussion-Spielereien. Thom: "It´s about being really angry with a friend."

Monster: "Which ever deathly place you find yourself in", heißt es im Text. "Any deathly place you may find yourself in", sagt Thom. Dr Fahrradunfall von Alex etwa war eine beinahe deathly place Situation.

Die Flaming Lips sind die beste Band überhaupt für Citizens! Sie sind "fearless freaks". So muss, laut Citizens!, gute Popmusik klingen. Ein anderer fearless freak, den die Band verehrt, ist der US-Musiker Daniel Johnston.

She Said: In den Versen gibt Thom einem Freund guten Rat. Narrativer Refrain dann. Kein offensichtlicher Song-Text. Bob Dylan und Jarvis Cocker als Texter-Einflüsse.

I Wouldn´t Want To: Ein gutes Album braucht auch eine gute Ballade, nicht wahr? "Taste heaven, taste hell...Take me with you", heißt es im Songtext.

Know Yourself: "Let´s all keep moving." Ja, das tun wir. Hübsche Instrumentierung, hübscher Beat, hübscher Drive. Der Song ging laut Thom Burke erst nicht so richtig los. Zu langsam, dann zu schnell. Pause machen, ein Roast Beef kochen, eine Flasche Wein dazu trinken und ein wenig südamerikanische Dance-Folk-Musik hören, dann weitermachen. Ja, da waren sie leicht beschwipst, aber gewiss nicht mehr. Ein Volltreffer.