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Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

19. 5. 2012 - 18:24

A Trip To Monkeytown

Springfestival, Tag 3: Little Boots, The Shoes, Modeselektor auf allen Kanälen.

Heute einmal nichts über große Hallen und ihre Anmut. Es soll die Rede sein ausschließlich vom Guten und vom Schönen, von der guten, guten Musik - und die kommt am Tag 3 des Springfestivals wieder in Wagenladungen. Den Abend in der Grazer Stadthalle, wo für gewöhnlich Veranstaltungen vom Kaliber "Best of Austria - Die Seer, EAV, Rainhard Fendrich" - abgehalten werden, wird, mit immerhin fast zwei Stunden Verspätung, von Little Boots und ihrer Band eröffnet.

Little Boots

Philipp L'heritier

Little Boots in der Stadthalle
Little Boots

Philipp L'heritier

Die englische Musikerin, Multiinstrumentalistin, Sängerin und kleine YouTube-Sensation Victoria Christina Hesketh gilt mit ihrem Projekt Little Boots seit gut vier Jahren als das, was gemeinhin "Pop-Hoffnung" genannt wird. Die junge Frau baut mit Unterstützung solch unterschiedlicher Menschen wie Joe Goddard von Hot Chip, Jas Shaw von der Simian Mobile Disco oder Lady Gagas Haus-Produzenten RedOne schön glitschigen Synthie-Pop, der sich nicht zwischen Kylie Minogue in ihrer coolen Phase, Kylie Minogue im leichten Stock/Aitken/Waterman-Sommerkleidchen und dezent clubtauglichen Beats für die halbwegs hotte Indie-Disco entscheiden muss. Little Boots' Debütalbum "Hands" aus dem Jahr 2009 war dann auch ein etwas durchwachsenes Dokument des Durchschnittlichen - für Platz Fünf in den Albumcharts im UK hat es dennoch oder deshalb gereicht. Drei, vier sehr gute Songs sind auf dem Album drauf, "Stuck On Repeat" etwa, oder "Meddle", die auch in der Live-Performance zu erwartbaren Höhepunkten werden.

Ihre aktuelle Single "Every Night I Say A Prayer", der Vorbote zum noch dieses Jahr erscheinenden zweiten Album, hat Little Boots gemeinsam mit Andy Butler von Hercules & Love Affair produziert - es ist ihr bester Song bisher. Ein fast perfekter, schlichter Popsong, der easy zu memorierende, ewige Pop-Themen mit einem House-Piano koppelt: "I Have Seen Into The Future/I Want You To Take Me There/I Have Seen Into The Future/Every Night I Say A Prayer". Madonna und Kylie dürften ihr neidig sein. Das, was Little Boots und ihre dreiköpfige Band auf die Bühne stellen, ist charmant, gut gelaunt und supersweet - um nicht zu sagen: nett. Der Sound ist nicht besonders, die Stimme etwas dünn - um einen Platz im Popsuperstarhimmel zu erreichen, fehlt dieser sympathischen, prinzipiell tollen jungen Künstlerin noch der außerweltliche Glam und die Selbstüberschätzung. Es bleibt bei der Hoffnung.

The Shoes

Philipp L'heritier

The Shoes
The Shoes

Philipp L'heritier

The Shoes

Philipp L'heritier

Eine Überraschung im positiven Sinne stellt der Auftritt der Band The Shoes dar: Das französische Duo steht unter hippstem Hipster-Verdacht und produziert sich für gewöhnlich einen Disco-Pop zurecht, der in wenigen guten Momenten immerhin schemenhaft den Geist der Pet Shop Boys oder ihrer Landsleute von Phoenix erahnen lässt, meist aber eher wie jede dritte, x-beliebige Band des ebenfalls französischen Coolness-Labels Kitsuné klingt: Quietschbunter Elektronik-Pop-Radau in vor allen Dingen guten Schuhen.

Live gestaltet sich das anders: The Shoes haben zwei Kollegen mitgebracht, die im Bühenhintergrund zusätzliche rhythmische Trommel-Arbeit besorgen, selbst wechseln sich die zwei schicken Herren Guillaume und Benalways an Bass, Gesang, Synthies und Geklopfe ab und deuten ihren Sound so Richtung im letzten Jahrzehnt oft gehörten Discorock Marke LCD Soundsystem, !!! oder auch Soulwax. Diese Klasse erreichen The Shoes freilich nie ganz, unterhaltsam ist das alles dennoch. Es gibt auch Prince-Falsett-Gesang, die Verwurstung von Zitaten aus der Geschichte der House Music und ein Herumgepose an der Bassgitarre, das Rick James im Grab rotieren lässt.

Der Headliner in der Stadthalle ist an diesem Abend Modeselektor, und niemanden soll es wundern, dass das Berliner Duo wieder einmal die Menschenmassen vor Verzückung erbeben lässt. Die stilgerechte Stapelung und Gegeneinanderverschneidung von Dub und Ragga, von fiepsender und brummender Elektronika und Techno sowie herzerwärmende Wohlfühlpassagen in rhythmischer Zeitlupe. Ein Höhepunkt des Festivals, dazu tiptop Visuals wie für Modeselekor üblich von der Pfadfinderei. Wir wollen den zwei Herren Modeselektor für dieses Konzert selbst die Sektduschen verzeihen, die sie ins Publikum sprühen. Ebenso die Quatsch-Zwischenansagen mit nach oben oder unten gepitchter Stimme.

Modeselektor

Philipp L'heritier

Modeselektor
Crowd

Philipp L'heritier

Modeselektor

Philipp L'heritier

Modeselektor

Philipp L'heritier

Man könnte nun mit DJ Hype oder Drumagick im ppc Drum'n'Bass hören, nach Donnerstag noch einmal Gilles Peterson mit Anhang im Dom besuchen oder sich ein doch recht atemberaubendes Programm in der Postgarage zu Gemüte führen. In den zweiten Floor haben ebenda - schon wieder - die zwei Boys von Modeselektor Acts ihrer zwei famosen Labels 50Weapons und Monkeytown geladen: Anstam, Siriusmo und vor allem das ursprünglich aus San Francisco stammende Duo Lazer Sword, das sich mit seinem neuen Album für einen Platz in der Kategorie "Alben des Jahres" empfiehlt. Gernot Bronsert von Modeselektor stellt mit einem DJ-Set den kleinen Raum danach noch einmal komplett auf den Kopf.

Lazer Sword

Philipp L'heritier

Lazer Sword in der Postgarage
Modeselektor

Philipp L'heritier

Gernot Bronsert/Modeselektor

Im Hauptraum der Postgarage treten dOP auf. Die drei Franzosen sind im letzten Jahr schon da gewesen. An diesem Abend ist es nicht viel anders als damals. Es ist gut.

dOP

Philipp L'heritier

dOP
crowd

Philipp L'heritier

dOP

Philipp L'heritier