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Pinguin

Hinweise zur geistigen Selbstverteidigung in Wirtschaftsfragen. Hauptwohnsitz: Zeitschrift Malmoe

18. 5. 2012 - 12:52

Fahrstuhl zum Bankrott?

Was würde bei einem Euro-Austritt Griechenlands passieren? Eine ausführliche Mutmaßung.

Die jüngste Wahl in Griechenland hat zwar keine tragfähige Regierung gebracht, aber den Sparkurs-SkeptikerInnen so viel Aufwind verschafft, dass Spekulationen über einen Austritt Griechenlands aus dem Euroraum wieder zunehmen. Zwar sind angeblich 80% der GriechInnen für den Verbleib im Euroraum, aber die Frage ist, ob sich das mit einer Absage an die Auflagen der Kreditgeber von EU und IWF vereinbaren lässt, wie das einige der erfolgreich wahlwerbenden Kräfte propagieren.

Beratungen

ANA-MPA/ALEXANDROS BELTES

Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias (rechts) spricht mit dem Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (links)

In der Debatte, ob ein Austritt die Lage verbessern oder weiter verschlechtern würde, speisen sich die Meinungen angesichts der vielen Unwägbarkeiten häufig aus einer Grundsatzhaltung pro/kontra Euro (siehe die Übersicht über die Positionen hier).

Doch wie kann man sich das praktisch vorstellen, einen Euro-Austritt? Geht das überhaupt, und wie läuft das ab?

Austritt ist, wenn…

…in Griechenland eine neue Währung eingeführt wird. Das Problem: Eine neue Währung zu planen, zu drucken (oder notfalls alte Scheine umzustempeln bzw. zu Anfang erst mal nur als Buchgeld zu führen) und in Umlauf zu bringen kostet Zeit. Zeit, in der alle, die Euro besitzen, versuchen werden, ihre Euro-Bestände vor der Umstellung auf eine weniger werthaltige Währung in Sicherheit zu bringen. Der Versuch, die Umstellungsvorbereitungen geheim zu halten, ist angesichts der vielen notwendigen Beteiligten sinnlos. Deshalb ist damit zu rechnen, dass…

…ein Ansturm auf die griechischen Banken einsetzt. Schon seit Monaten ziehen Menschen ihr Geld ab, die Reichen haben ihre Vermögen längst im Ausland in Sicherheit gebracht. Wenn die Austrittsgerüchte zur Gewissheit werden, werden auch die letzten versuchen, ihre Gelder abzuziehen. Das würde die geschwächten örtlichen Banken zum endgültigen Zusammenbruch bringen, also müssten diese zur Sicherheit schon vorher solange geschlossen werden, bis die Umstellung auf eine neue Währung vollzogen ist. Um Geldkoffer-Transporte über die Grenze einzudämmen, müssten die Grenzen dicht gemacht werden.

...Leute ihrer Unzufriedenheit über die Schließung der Banken und drohende Vermögensentwertung auf der Straße Luft machen, und das staatliche Gewaltmonopol ins Wanken gerät.

Demonstration in Griechenland

ANA-MPA/SIMELA PANTZARTZI

…Griechenland den Bankrott erklärt, also keine Rückzahlungen fälliger Altschulden mehr macht. Ausländische Banken haben kaum mehr griechische Papiere im Tresor, wären also weniger betroffen als griechische Versicherer, Pensionsfonds und Banken, die aus den Zinseinnahmen ihre Auszahlungen an die Kundschaft finanzierten und diese nun einstellen müssen.

…der griechische Staat über Nacht ohne ausländische Kredite auskommen muss. Auch ohne Zins- und Schuldenrückzahlungen braucht der griechische Staat derzeit mehr Geld, als er aus den schwachen Steuereinnahmen, die eine schwache Wirtschaft hergibt, einnimmt. Wenn diese Lücke nicht mehr durch Kredite gefüllt wird, müsste noch drastischer bei den Ausgaben gespart werden. Es sei denn, es gibt eine freundschaftliche Regelung des Austritts, bei der die Kreditgeber von Euroraum und IWF auch nach einem Austritt die vereinbarten Kreditprogramme weiterlaufen lassen. Oder die Zentralbank deckt die neuen Schulden ab, was aber die Inflationsängste anheizen würde.

…die RechtsexpertInnen in Brüssel und Athen Überstunden machen müssen. Rechtlich ist ein Austritt aus dem Euroraum nicht vorgesehen, also würde ein Euro-Austritt wohl auch einen EU-Austritt bedeuten. Allenfalls könnte das Land nach dem Austritt der EU gleich wieder beitreten (sofern die anderen EU-Länder das zulassen), um zumindest ein Mindestmaß an Club-Vorteilen zu behalten.

Demonstration in Griechenland

ANA-MPA/SIMELA PANTZARTZI

…durch das Chaos die griechische Wirtschaft weiter geschwächt würde - weil wer investiert schon in eine dunkle Zukunft? Allerdings würde eine neue Währung gegenüber dem Euro abwerten. Das gäbe einer (derzeit kaum vorhandenen) griechischen Exportwirtschaft mittelfristig die Chance, günstiger in den Euroraum zu exportieren, während Importe teurer würden. Dadurch könnte das chronische Handelsdefizit gesenkt werden – aber wegen der teureren Importe auch die Inflation steigen.

…die griechischen und ausländischen Gerichte über Jahre mit Rechtsstreitigkeiten eingedeckt wären, über die Behandlung von bestehenden Verträgen, die Zahlungen in Euro vorsehen: Sind sie in Euro oder in der neuen Währung zu begleichen?

…der Austrittsschatten sich über die gesamte Währungsunion ausbreitet. Denn sobald ein Land die Phase der „unwiderruflichen Aufgabe der eigenen Währung“ zugunsten des Euro rückgängig macht, richten sich aller Augen auf die nächsten Länder, die am Euro-Krisentropf hängen: Italien, Irland, Spanien, Portugal etc. Und allein schon diese Aufmerksamkeit kann Dinge in Gang setzen, die das Ergebnis vorwegnehmen: Zukunftspläne im Land werden aufgegeben, Vermögen werden außer Landes gebracht, Banken wackeln, Gläubiger schrauben die Zinsen für Staatsschulden in die Höhe etc.