Erstellt am: 17. 5. 2012 - 09:20 Uhr
Unser Mann in Kairo
- FM4 Doppelzimmer spezial am 17. Mai 2012, von 13 bis 15 Uhr, und nach der Sendung hier als Stream on demand
Dass Karim El-Gawhary in Deutschland geboren und aufgewachsen ist und seit vielen Jahren mit seiner amerikanischen Frau und seinen Kindern in Kairo lebt, ändert nichts an der Wahrnehmung des österreichischen Fernsehvolkes: Er ist unser Mann in Kairo. Er hält für uns das Bullauge, durch das wir in den Nahen Osten schauen. El-Gawhary arbeitet als freier Journalist, das heißt: in neun verschiedenen Längen und Formaten über ein und dasselbe Ereignis berichten und das innerhalb sehr kurzer Zeit.
Als ich ihm auf dem Weg zum Studio sage, dass wir zwei Stunden Sendezeit und rund 80 Minuten Gesprächszeit für ihn reserviert haben, verliert er für einen Moment seine Gelassenheit und kann es für einen zweiten Moment kaum glauben.
"Fassen Sie mir bitte in einer Minute und 40 Sekunden den Konflikt im Nahen Osten zusammen, so lauten nicht selten die Vorgaben meiner Medienkunden", grinst Karim El-Gawhary.
Er sieht sich weder als Kriegsreporter noch als Krisenberichterstatter. Er möchte Geschichten über Menschen und deren Leben und Überleben erzählen, gesellschaftliche Prozesse medial begleiten und beobachten. Aber die Medienwelt braucht täglich ihre Schlagzeilen. Schon gar, wenn es wo kracht. Und das tut es im Nahen Osten bekanntlich ständig.
Aber lassen wir das Tagesgeschäft kurz beiseite.
Kommen wir zu den Menschen und ihren Geschichten abseits der medialen Hauptstraße: Ich wusste nicht, dass in Ägypten
über 90 Prozent der verheirateten Frauen beschnitten sind. Man kann sagen, fast jede verheiratete Frau musste diese grausame Prozedur über sich ergehen lassen. Dann gab es 2007 einen Erlass, den Mubaraks Ehefrau Susan unter ihrem Namen gestellt hat: Die Beschneidungen sollten verboten werden. Und schon wird es kompliziert. Die Diktatorengattin unternimmt einen wichtigen gesellschaftspolitischen Schritt. Halt, zurück. Sie instrumentalisiert einen wichtigen gesellschaftspolitischen Schritt. Ist ja egal, wenn es Frauen davor bewahrt, verstümmelt zu werden, oder? Aber wenn dieses wichtige Menschenrecht auf Unversehrtheit des Körpers an ein totalitäres Regime gekoppelt wird, das schließlich gestürzt wird, was tun die politischen Gegner in dieser Frage?
"Es ist Teil eines Prozesses, eines Demokratisierungsprozesses. Das braucht Zeit. Was sehr schade ist, dass die Welt rundum keine Geduld für diesen Prozess aufzubringen scheint. Ganz schnell kommen aus Europa Mutmaßungen über das Scheitern der Revolution und über chaotische Zustände."
Um sich vom Einweg- News-Journalismus etwas frei zu spielen, führt Karim El-Gawhary seinen Blog Arabesken und einen aktiven Austausch mit seiner Leserschaft auf Facebook und Twitter. Dort kann er die Geschichten erzählen, für die sonst Platz und Zeit fehlen. "Außerdem bekomme ich oft hilfreiche Hinweise und Kontakte von den UserInnen. Und ich habe das Gefühl, die Menschen nehmen Anteil an meiner Arbeit, an meinen Reisen. Ich berichte nicht mehr für einen anonyme Masse."
In seinem Buch "Tagebuch der arabischen Revolution" baut er die Chronologie der Ereignisse 2011 in Tunesien und Ägypten über Facebook-Einträge, Kommentare und Reportagen zusammen. Eine emotionale Rückschau, die genau das liefert, was Karim El-Gawhary mag: den Blick rechts und links von den Kameras.
In einem Doppelzimmer spezial am 17. Mai 2012, von 13 bis 15 Uhr, erzählt der Leiter des ORF-Nahost-Büros in Kairo, Karim El-Gawhary, warum er aus Deutschalnd weggegangen ist, warum er nicht zweisprachig aufgewachsen ist und wie sich seine Kinder während der Wochen der Revolution in Ägypten verhalten und verändert haben. Er erinnert sich an die Nächte am Tahrirplatz 2011 und spricht über die bevorstehenden Präsidentenwahlen in Ägypten am 23. Mai.
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