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Martin Pieper

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Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

16. 5. 2012 - 16:38

Small Screen Stories: New Order

Am Freitag, 18. Mai 2012, spielen New Order oder das, was von ihnen übrig ist, ihr erstes Österreichkonzert seit 1984. Hier zu sehen: Small Screen Stories mit Synth-Porn, Coverversionen und Nebenschauplätzen.

Die Geschichte von New Order ist schon oft erzählt worden. Es ist eine Geschichte über den Aufbruch aus der Post-Punk-Düsternis in das helle Licht Ibizas, von Joy Division in den Electro-Discohimmel. Bei New Order bleibt allerdings immer noch ein Rest an Mysterium, trotz aller Popgeschichte, die sie mit sich herumtragen und die in zahlreichen Büchern, Filmen und Artikeln aufgearbeitet wurde .

new order arenaplakat

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Legendäre Konzerte: Plakat für das 1984er Konzert in der Wiener Arena

Die stets glatten, perfekten Oberflächen ihrer Produkte - von Factory-Records-Hausdesigner Peter Saville gestaltet - sorgen für eine gewisse Anonymität der Bandmitglieder. Die Strategien von New Order: stets unvorhersehbar. Über ihre Livequalitäten sind sich selbst die Fans nicht ganz einig. Sänger Bernard Sumners, der Anfang der 80er Jahre das schwere Erbe des verstorbenen Ian Curtis antrat, ist jedenfalls das Gegenteil eines Profi-Vokalisten. Bei Castingshows modernen Zuschnitts wäre er jedenfalls schon in der Vorrunde hochkant rausgeflogen. In einer BBC-Radiosession von 1984 kann man wunderbar beobachten, wie Sumners, gerade am ersten Höhepunkt der Karriere, um den richtigen Ausdruck ringt. Da kann die berühmte "Maschinengewehr-Kick-Drum" von Blue Monday noch so unbeirrbar vor sich hin tuckern, die "menschliche Komponente" macht New Order auch zum Gegenpol von Giorgio Moroder oder Kraftwerk, von denen sie sich in elektronischer Hinsicht so einiges abgeschaut haben. Man beachte außerdem die sehr kurze Hose, die swingenden BBC-Techniker und die schönen analogen Synthesizer.

Der Bassist Peter Hook, hier noch ohne Bart und Bauch, war einer der ersten, der mit seiner Band "Revenge" eine Solokarriere versucht hat. Ich erinnere mich dunkel an ein schreckliches ROCK-Konzert im U4. Mittlerweile ist Hook, der mit seinen melodiösen Bass-Linien den Sound von New Order wohl am stärksten geprägt hat, aus New Order ausgestiegen. Er tingelt gerade mit seiner Band Peter Hook and the Light durch die Lande und führt das Joy Division Album "Unknown Pleasure" auf. Traurige Sache. Auf New Order und insbesondere Bernard Sumners ist er jedenfalls nicht besonders gut zu sprechen. Dafür ist auf der aktuellen New Order Tour endlich wieder Gillian Gilbert mit dabei, die Keyboarderin und Frau des Drummers Stephen Morris hat sich in den letzten Jahren vor allem der Kindererziehung gewidmet. Dabei hat das Ehepaar Morris/Gillian mit ihrem Seitenprojekt unter dem anspielungsreichen Titel „The Other Two“ die beste New-Order-Platte ohne New Order veröffentlicht.

Und dann wär da noch die Sache mit den Coverversionen. Neben Arcade Fire, die sich auf ihrer Neon Bible Tour gerne an „Age of Consent“ versucht haben, sind in letzter Zeit auch Radiohead aufgefallen, die die allererste Single von New Order, das ursprünglich Joy Division zugedachte Stück „Ceremony“ gecovert haben. Thom Yorke, ein Sänger der expressiven Schule, versucht dem todtraurigen Grabgesang Emotion abzugewinnen. Mit dem sympathisch trockenen Gesang von Bernard Sumners hat das nicht viel zu tun.

Wie man hört, ist die aktuelle New Order Tour einem Best-Of Programm aus ihrer 30-jährigen Bandgeschichte gewidmet. Ist mir recht, auch wenn natürlich der Hautgout der „Cash-In-Tour“ über dem Unternehmen liegt. Die letzte Platte der Band („Waiting for the Sirens Call“, 2005) war für New-Order-Verhältnisse eher halbgut, dafür lebt das klassische Liedgut der 80er Jahre in umso bizarreren Versionen weiter. Etwa der Song „Love Vigilantes“ vom Album „Low-Life“ (das mit dem Butterbrot-Papier-Cover): 2009 hat der bärtige amerikanische Singer-Songwriter Iron and Wine eine Folkversion davon veröffentlicht, die jeden Abspann von "Greys Anatomy" veredeln würde.

Darauf folgte eine Flut an sehr privaten Coverversionen, die man auf Youtube besichtigen kann. Bizarrer Höhepunkt: Ein Video, das einen Post-Punk-Manchester-Song, mit der für New Order typischen Mischung aus Nordengland-Tristesse und hedonistischer Euphorie, zur Durchhalte-Ballade für amerikanische GIs, die aus dem Irak-Krieg zurückkehren, umdeutet. Schauerlich, aber die Wege von zeitlosen Songs sind eben unergründlich.

New Order live: 18. Mai, Gasometer Wien; Beginn 20.00