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Todor Ovtcharov

Der Low-Life Experte

16. 5. 2012 - 12:03

Wie Katze zur Wand

Für Österreicher hört sich mein Name wie das Quietschen einer rostigen Tür an. Und wenn sie ihn sich nicht merken können, sagen sie "Hey, du" zu mir.

Seit zwei Tagen tut meine Hand weh. Ich kann die Gabel nicht richtig halten und die Flecken auf mein Lieblingsshirt haben sich verdreifacht. Schuld daran ist Tigra. Tigra ist eine Katze.

Ich mag Katzen. Solang ich mich erinnern kann, habe ich zu Hause eine Katze. Tigra ist die Katze von Freunden von mir. Sie lief weg von mir und ich lief hinterher. Ich wollte sie streicheln. Irgendwann drängte ich Tigra ins Zimmereck. Sie zerkratzte meine Hand. Seitdem kann ich die Gabel nicht richtig halten.

Katze zeigt Krallen

Marcin Wichary - flickr.com/mwichary

Ihr fragt euch sicher, warum ich euch die Geschichte von der Katze erzähle. Sie kam zurück in meinen Kopf, als ich die Ergebnisse von der neuen Studie der Wiener Arbeiterkammer erfahren habe. In dieser Studie wird gesagt, dass Migranten auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden. Es kommt mir seltsam vor, dass man eine Studie über etwas macht, das man schon längst weiß. Vor fünf Jahren, als ich mich im Bus nach Wien setzte, sagte mein Vater zu mir: „Sohn, wenn Franz 3 Leute kennt, muss du 30 Leute kennen, um dich auf dem Arbeitsmarkt gegen ihn zu behaupten!“ Mein Vater hat die Sachen unterschätzt. Man muss nicht 30, sondern 300 kennen.

Für die Österreicher hört sich mein Name wie das Quietschen einer rostigen Tür an. Viele Türen blieben für mich wegen meines Namens für immer zugesperrt. Ich kenne Geschichten von Leuten, die ihre Namen geändert haben, um den Leuten hier vertrauter vorzukommen. Ich sagte mir aber: „Schwarzenegger hat die Amerikaner dazu gebracht, sich seinen Namen zu merken, vielleicht schaffe ich es auch, die Österreichern dazu zu bringen, sich meinen Namen zu merken, Todor ist doch viel kürzer.“

Ich versuchte es zuerst in einer Bäckerei in der Nähe von Wien. Ich habe keine Ahnung, was die österreichischen Arbeiter dort verdient haben. Ich habe 7 Euro die Stunde bekommen und 2 davon waren für die Agentur, die mich (schwarz) zum Job vermittelt hat. Ich hatte kein Geld für Brot, aber ich habe die ganze Nacht Kipferln gebacken. Das Problem war nicht die schwere und schlecht bezahlte Arbeit. Im Vergleich zur Einstellung meiner österreichischen Kollegen mir und den anderen Ausländern in der Bäckerei gegenüber, kam mir die wie ein Lied vor.

Meine österreichischen Mitarbeiter waren hart arbeitende Menschen aus dem Dorf. Anscheinend wurden sie ihr ganzes Leben als Außenseiter abgestempelt. Ich hatte den Verdacht, dass sie schlecht in der Schule waren oder keinen Erfolg mit den Mädchen hatten. Ich könnte mir sonst ihren Wunsch, sich ständig als höhere Wesen den Ausländern gegenüber zu beweisen, nicht erklären.

Sie fingen an, dich anzuschreien, noch bevor du dich bewegtest. Und weil sie sich meinen Namen nicht merken konnten, sagten sie „Hey, du“ zu mir. Odysseus wurde auch „Niemand“ vom Zyklopen Polyphem genannt. Das hinderte ihn aber nicht daran, seine Kameraden aus der Hölle des Zyklopen zu befreien. Dieses schöne mythologische Beispiel half mir aber auch nicht weiter. Am Ende wurde ich nicht bezahlt. „Niemand“ kann man nicht bezahlen. „Niemand“ kann auch nicht seine Rechte durchsetzen.

2012 hat Österreich die Schutzklausel, die bulgarische und rumänische Staatsbürger vom Arbeitsmarkt fernhalten soll, bis 2014 verlängert. Das einzige, was daraus folgen wird, ist dass man mehr Menschen zur Schwarzarbeit oder zur Kriminalität zwingen wird. Die Arbeiter in der Bäckerei werden weiter jemanden haben, den sie terrorisieren dürfen. Die österreichische Regierung hat das einfach „legalisiert“, während die Migranten weiter „illegal“ bleiben werden. Anstatt ihnen zu ermöglichen, sich einen normalen Job zu suchen und ihre Steuern zu zahlen, werden sie weiter "niemand" sein.

Und jetzt zurück zur Katze. Warum hat sie meine Hand zerkratzt? Weil sie mit dem Rücken zur Wand stand. Und ich wollte sie nur streicheln.