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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

15. 5. 2012 - 19:28

Im Bann der Bestenliste

Das Trickbike-Game "Trials" ist seit über zehn Jahren ein perfektes Training für Konzentration und Selbstbeherrschung.

Früher war es "Mikado" oder das Ausschlachten eines Holzklötzchenturms bei "Jenga". Heute finden diese Geschicklichkeitstests, die unsere Fingerfertigkeit an die äußersten Grenzen treiben, immer öfter am Computer oder auf der Konsole statt. Eine dieser Geduldübungen ist das Motorradrennspiel "Trials", das um die Jahrtausendwende als kleines 2D-Spiel im Browser seinen Anfang genommen hat. Man rast dabei nicht in Höchstgeschwindigkeit über Straßen, sondern humpelt mit speziellen Trials-Bikes über Stock und Stein - so, wie bei der gleichnamigen Sportart.

Ein Bildschirmfoto aus "Trials Legends": Das Trials-Bike fährt in 2D-Darstellung über hohle Rollen und unterschiedlich große Kisten.

Red Lynx

"Trials", damals. Die frühen Jahre der Serie sind Ende 2010 unter "Trials Legends" zusammengeführt worden.

Über 100.000 Mal ist "Trials Evolution", der neueste Teil der Serie, bereits am Veröffentlichungstag Mitte April heruntergeladen worden - was kurzfristig die Server zum Erliegen gebracht hat. Das exklusiv für Xbox 360 entwickelte Trickbike-Spiel wird nun längst nicht mehr in simpler Zeichengrafik dargestellt, sondern hat sich zu einer detailliert modellierten 3D-Schönheit gewandelt. Verändert hat sich auch die Steuerung: mussten die Motorräder früher noch durch simples Tastendrücken am Keyboard gelenkt werden, passiert das heute mit den hochpräzisen, analogen Steuertasten des Xbox-360-Controllers, der in Gamer-Kreisen als das beste Eingabegerät für Videospiele überhaupt gilt.

Die "Trials"-Fans sind treu und dankbar dafür, dass der finnische Entwickler Red Lynx (vor einigen Monaten von Ubisoft aufgekauft) sein Spiel nun schon über zehn Jahre lang konstant weiterentwickelt und verfeinert. In Anbetracht der Tatsache, dass kleinere Games abseits großer Namen und teurer Konsolen im Jahr 2000 noch eine sehr junge Entwicklung waren und alles andere als einen lukrativen Markt dargestellt haben, war und ist dieser feste Glauben an die Serie tatsächlich bemerkenswert.

Ein Trials-Bike erklimmt in einer Waldlichtung einen großen Stein.

Red Lynx / Ubisoft

"Trials", heute. Trotz der Darstellung in 3D fährt unser Bike weiterhin automatisch auf einer Linie, man kümmert sich also "nur" um Beschleunigung und Neigung.

"Trials" ist mittlerweile eine Referenz in Sachen präziser Videospielsteuerung. Zunächst kommt alles harmlos daher: man gibt Gas und bremst. Zusätzlich dazu muss man das Gewicht des Fahrers verlagern um die Balance zu halten. Doch Balance halten ist leichter gesagt als getan. Vor allem, wenn man meterhohe Sprünge durch die Luft macht, durch halsbrecherische Loopings fährt und extrem steile Anhöhen hinaufklettert. Immerhin gibt es alle paar Meter Checkpoints, von denen aus man weiterspielen kann, wenn man gestürzt ist. Wer ein echter Highscore-Fuchs ist, spielt aber natürlich auch das allerschwerste Level durchgehend und ohne Stürze - auch, wenn es dafür dutzende Anläufe braucht.

Kleiner Ableger: "1000 Heroz" (iOS), auch vom Entwickler Red Lynx, hat ein sehr ähnliches Spielprinzip wie "Trials".

"Evolution" ist - wie schon der Vorgänger "Trials HD" - ein Community-Game, das sowohl für das Spielen in gemeinsamer Runde daheim als auch für den internationalen Online-Wettbewerb bestens geeignet ist. Für jede Strecke gibt es eine eigene Bestenliste, und weil das Spiel mittlerweile fast eine halbe Million Menschen spielen, ist bereits ein Eintrag in den Top 50.000 eine gute Leistung. Wer nicht nur fahren, sondern auch gestalten möchte, macht sich mit dem Streckeneditor vertraut und designt eigene Levels - oder lädt die der anderen herunter.

Das Motorrad liegt auf einer Steinklippe, der Fahrer hängt am Abgrund.

Red Lynx / Ubisoft

Alltag in "Trials Evolution": waghalsige Stunts und institutionalisiertes Scheitern.

"Trials Evolution" ist exklusiv für Xbox 360 als Download erschienen und kostet rund 15 Euro.

"Trials Evolution" meistert den Spagat zwischen niederschwelliger Unterhaltung und dem unnachgiebigen Einfordern hochpräziser Steuereingaben. Ohne messerscharfe Hand-Augen-Koordination läuft hier gar nichts. Bei so einem archaischen Spielerlebnis zeigt sich der Charakter. Egal, ob ehrgeiziges Zornbinkel, leidensfähiger Geduldsengel oder leichtfüßiger Popcorn-Zocker: hier kann niemand länger als zehn Minuten seiner Natur zuwider spielen.