Erstellt am: 15. 5. 2012 - 11:45 Uhr
Katastrophen - Widerstand - Alternativen
Graz ist ja nicht gerade arm an Festivals, die spannende Inhalte mit ebenso ansprechenden Kulturangebot verbinden. Spring-Festival, Steirischer Herbst, Elevate – kaum hat man sich von einem Festival erholt, beginnt schon wieder das nächste. Nun wird der steirische Festivalkalender noch enger. Vom 18. bis 27. Mai findet im Forum Stadtpark Crossroads statt.
Kuratiert wird das Festival für Dokumentarfilm und Diskurs von Josef Obermoser, der in den letzten Jahren schon eine zentrale Figur hinter dem Elevate war. Vielleicht auch, weil bei Letzterem das abendliche Musik- und Partyprogramm den politischen Anspruch manchmal etwas in den Hintergrund zu drängen droht, verzichtet das Crossroads auf Unterhaltungsprogramm abseits der inhaltlichen Auseinandersetzung.
Zu sehen und zu tun gibt es ohnehin genug: Anlässlich des bevorstehenden großen UNO-Erdgipfels Rio+20 setzt sich Crossroads neun Tage lang in 30 Dokumentarfilmen, zahlreichen Workshops und Podiumsveranstaltungen mit drängenden ökologischen und politischen Problemen, dem weltweiten Widerstand dagegen sowie gesellschaftlichen und ökonomischen Alternativen dazu auseinander.
Raising Resistance
Der Film Raising Resistance, den FM4 beim Crossroads-Festival präsentiert, wird am Dienstag, 22.4, um 14:00 gezeigt.
Wie eng ökologische und soziale Katastrophen zusammenhängen, zeigt unter anderem der Film Raising Resistance. Er erzählt vom Kampf der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Paraguay gegen die massive Expansion von gentechnisch verändertem Soja. Was David Bernet, einer der beiden Regisseure des Films, anhand der Sojaproblematik beispielhaft darstellt, trifft dabei auf viele Menschen weltweit zu: Die Katastrophe ist für sie kein düsteres Zukunftsszenario oder punktuelles Ereignis, sondern sie ist längst zum Alltag geworden:
„Die Campesinos von Paraguay erleben „Soja“ wie eine große Walze, die auf sie zurollt: Soja nimmt ihnen den Boden, von dem sie leben, und die Luft, die sie atmen. Die Expansion der Soja-Felder ist für sie die mächtige, alltägliche und eigentliche Gegnerin. In diesem meist stummen, aber dramatischen Sachverhalt, der die meisten südamerikanischen Landbewohner betrifft, erkannten wir die grundsätzliche Ebene des Konflikts, den wir mit unserem Film erzählen. Es ist ein Konflikt, der für mich archetypischen Charakter hat, weil er sich in vielen Weltgegenden exakt auf die gleiche Weise abspielt: überall dort, wo globale Rohstoffgewinnung der höhere Zweck ist, dem kleinere Interessen unterliegen.“
Im Fall der paraguayanischen Bäuerinnen und Bauern wird der Widerstand gegen die alltägliche Katastrophe mit Gewalt niedergeschlagen. Zu wichtig sind die Deviseneinnahmen, die Paraguay aus dem Export von Soja lukriert, welches in Europa zur Produktion von Agrotreibstoff ebenso gebraucht wird wie zur Sicherstellung des massiven Fleischbedarfs. Doch trotz der (temporären) Niederlage der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern lässt einen der Film nicht nur deprimiert zurück: So zeigt er zumindest auch, wie sich im Aufbegehren der Menschen gegen scheinbar übermächtige Gegner neue Formen des kollektiven Selbstverständnisses und Handelns etablieren, die auch durch Schüsse nicht so leicht wieder abgetötet werden können.
Film und Diskurs
Etwas abseits des Ökologieschwerpunkts zeigt das Festival auch einen spannenden Film über die Unruhen, die Los Angeles 1992 nach dem Freispruch der Polizisten, die den Afroamerikaner Rodney King auf offener Straße misshandelt hatten, erschütterten: UPRISING: Hip Hop & The LA Riots läuft am 23.5. um 21:30
Viele Filme des Crossroads-Festivals begleiten Menschen in ihrem Kampf für eine gerechtere Gesellschaftsordnung und gegen die Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen. Seien es Bewohner_innen der türkischen Schwarzmeerküste, die gegen den Ausbau von Staudämmen protestieren (A few brave people) oder afrikanische und europäische Aktivist_innen, die im Winter 2011 einen politischen Protestzug zum Weltsozialforum in Dakar organisierten, um für Bewegungsfreiheit und eine gerechtere Entwicklung zu protestieren (... denn wir leben von der gleichen Luft).
Andere Filme präsentieren konkrete Alternativen, die Schritte hin zu einer ökologischeren und gerechteren Welt sein könnten, wie etwa ein Film über die Wurzeln der urban gardening Bewegung in Detroit (Urban Roots).
Alle Veranstaltungen des Festivals finden im Forum Stadtpark statt. Die Eintrittspreise gestalten sich nach eigenem Ermessen, Richtpreis für einen Dokumentarfilm sind 5 Euro.
Oft besteht im Anschluss an die Filme die Gelegenheit, mit den Filmemacher_innen zu diskutieren. Zudem werden die Dokumentarfilme an den beiden Festivalwochenenden von einem umfangreichen „Diskursprogramm“ begleitet, in denen sich das Kinoprogramm inhaltlich spiegelt: In den zahlreichen Workshops und Diskussionsveranstaltungen, die von in- und ausländischen politischen Aktivist_innen und Wissenschafter_innen gestaltet werden, kann tiefergehend über die sozial-ökologische Krise und ihre Ursachen sowie über mögliche Alternativen dazu diskutiert werden.
In diesem Sinne: Tanzschuhe diesmal zu Hause lassen, und ab ins Forum Stadtpark in Graz!