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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

10. 5. 2012 - 12:09

Economy Death Match: EU-Fiskalpakt

In den Nachrichten taucht aktuell eine sperrige Bezeichnung auf: EU-Fiskalpakt. Was hat es damit auf sich?

Seit mehr als die Hälfte der täglichen Nachrichten aus Wirtschafts-Zeug bestehen, muss man sich mit derlei zwangsläufig beschäftigen. Und neben vielen fremden Begriffen gibt es noch ein Problem: Fragt man fünf Fachleute, bekommt man mindestens zehn Antworten. "Gibt es so etwas wie „die Wahrheit“ in Wirtschaftsfragen?", fragen sich Paul Pant und Robert Zikmund daher in „Economy Death Match“.

"Europäischer Fiskalpakt", das klingt nach purem Beamten-Kauderwelsch. Dahinter verbirgt sich aber ein wesentlicher Vertrag zwischen den EU-Staaten. Dieser verpflichtet die Mitgliedsländer zu sparen. Die einen sagen, das sei notwendig, um aus der Schuldenkrise rauszukommen, Kritiker allerdings befürchten, dass damit der Sozialstaat schon bald Geschichte sein wird. Ein Wirtschaftsthema, das uns also alle betrifft. Ring frei für die Argumente:

Contra Fiskalpakt: Der Sozialstaat wird stranguliert

Der neu gewählte französische Präsident Francois Hollande hat angekündigt, den Fiskalpakt nicht ratifizieren zu wollen. Denn: die Sparverpflichtung der Staaten im EU-Fiskalpakt, ohne ein gleichzeitiges, gesamteuropäisches Konjunkturprogramm, würden die Wirtschaft abwürgen und geradewegs in eine neue Krise führen, so die Kritiker des EU-Vertrags. Mit Hollands Wahlversprechen spüren die Gegner nun wieder Rückenwind.

Münzen

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Einer dieser Kritiker ist der österreichische Ökonom Stephan Schulmeister. Er sagt, dass der EU-Fiskalpakt in der vorliegenden Form das europäische Sozialsystem strangulieren werde. Die Vorgaben wie gespart werden soll, kämen in Zukunft aus Brüssel. Die Staaten hätten dann keine Möglichkeit mehr für umfassende Konjunkturprogramme.

Im EU-Fiskalpakt haben sich die Staaten zu zwei folgenschweren Regeln verpflichtet: Die EU misst die sogenannten strukturellen Defizite der Staaten. Das ist die konjunkturunabhängige Neuverschuldung der Länder. Diese darf maximal ein halbes Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen. Der Gesamtschuldenstand darf 60 Prozent des BIP nicht übersteigen. Schulden über diesen Wert müssen jährlich zu einem Zwanzigstel eingespart werden. Bei Verstoß drohen Sanktionen.

In den Annahmen, mit denen das strukturelle Defizit berechnet wird, liegt aber der Hund begraben, meint Schulmeister. Ein konkretes Beispiel: Die EU-Statistiker gehen davon aus, dass die spanische Volkswirtschaft nur vier Prozent mehr produzieren kann, als sie es jetzt schon tut. Diese Annahme produziert im Fiskalpakt eine folgenschwere Situation: Der Staat darf dann nur mehr so viel investieren, dass diese vier Prozent Wirtschaftswachstum erreicht werden können. 25 Prozent Arbeitslosigkeit in Spanien wird man damit allerdings nicht bekämpfen. Ein Lehrstück der neoliberalen Wirtschaftspolitik, wie man eine Struktur schafft, die den Sozialstaat automatisch und elegant zurückdrängt. Das europäische Sozialmodell wird verkauft mit neoliberaler Wirtschaftstheorie durch die Hintertür.

Pro: Fiskalpakt zwingt Politiker zu sparen

Ohne Fiskalpakt geht die Krise erst richtig los. Die EU-Staaten stehen vor einem Berg von Schulden, die werden täglich mehr. Das kostet Zinsen, die von unserem Steuergeld bezahlt werden. Geld, das für Investitionen fehlt. Der Fiskalpakt zwingt die Staaten zu sparen. Und das ist gut so, weil Politiker es einfach nicht machen, sondern lieber auf ihre Umfragewerte schielen. Regierungen können dann nicht mehr die Sparpflichten hinten anstellen, wenn Wahlen vor der Türe stehen. Wohin nicht sparen geführt hat, sehen wir aktuell am Beispiel Griechenland.

Schulden machen für einen überbordenden Sozialstaat, Stimmen kaufen durch Schulden. Es braucht eine Kontrolle der Schulden. Jede Firma hat ein Controlling, nur der Staat darf machen was er will. Es braucht grundlegende Strukturreformen und die kommen erst, wenn die Politiker dazu gezwungen werden. Warum sollen schließlich wir die Schulden der Griechen bezahlen?

Im Prinzip steht hinter der Kritik des EU-Fiskalpakts eine verdrehte Sichtweise, eines falsch verstandenen Solidarprinzips. Das hat uns geradewegs in die Schulden geführt. Immer mehr Geld drucken, immer mehr Schulden machen, lautete in den vergangenen Jahren die Devise. Der Fiskalpakt ist das zentrale Instrument für Stabilität, denn die Schulden von heute sind die Zinsbelastung von morgen. Dann wird es mehr Geld für neue Investitionen geben, aber durch den Markt, nicht per Dekret. So funktioniert Wirtschaft.

Economy Death Match

Robert Zikmund und ich schlüpfen in die Rollen der Streitenden und legen Zahnschutz und Suspensorium an. Im verbalen Boxring schlagen wir uns die Argumente um die Ohren. Und wer dabei die besseren Argumente hat entscheidet ihr. Discussion welcome!

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