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Alex Wagner

Zwischen Pflicht und Kür

10. 5. 2012 - 18:30

Du alter Frettsack

Spermaspender, Frettchen und Entmannung: Derber Humor in Murmel Clausens Debütroman "Frettsack", inklusive Liebesgeschichte.

Das Verhältnis Autor zu Schauspieler ist ähnlich wie das Verhältnis Redakteur zu Moderator: Erstere denken sich die Geschichten aus, füllen das Programm mit ihren Ideen und ihrer Kreativität, aber den Applaus ernten die Zweiteren, die dem ganzen Gesicht und Stimme verleihen. Meistens macht es den Redakteuren und Autoren nichts aus, unter dem Deckmantel der Anonymität zu arbeiten, denn nur so können sie den Vorderen ihre schrägen Einfälle unterjubeln, ohne dass ein schiefes Licht auf sie zurückfällt.

Weitere Buchvorstellungen

Murmel Clausen ist einer aus den hinteren Reihen, versucht sich nun aber vorzudrängeln. Man kennt ihn nicht, obwohl man ihn kennen sollte. Und würde man ihn kennen, würde man ihn nicht so schnell vergessen, bei dem Namen. Ich überlege, ob ich einen schlechten Wortwitz in den Text integriere ("Seine Eltern haben doch was an der Murmel"), lasse es aber sein.

Frettchen, Buchcover von Murmel Clausens "Frettsack"

Wilhelm Heyne Verlag, Eisele Grafik-Design München, Retales Notijero/Flickr/Getty Images

Murmel Clausens "Frettsack" ist im Heyne Verlag erschienen.

Mit so einem Namen kann man eigentlich nur Komiker werden. Und irgendwie ist Murmel Clausen das auch geworden. Angefangen hat er als Autor für Radiocomedy, dann wurde er Gagschreiber für Sketchserien wie "Bullyparade" oder "Ladykracher". Er war Co-Autor bei der deutschen Kinokomödie "Der Schuh des Manitu". Er war sogar Christoph Schlingensief. Und nun hat er seinen Debütroman veröffentlicht. Frettsack heißt der, das "r" dabei in roter Farbe, ein Konglomerat aus den Worten Frettchen und Fettsack. Rein äußerlich erinnert das Buch an Hummeldumm, den Spiegelbestseller aus dem Vorjahr, nur dass mich anstatt eines Erdmännchen eben ein Frettchen auf dem neongrünen Cover anlächelt. "Das komischte Buch des Jahres" und "Verfilmung in Vorbereitung" ist auf der Rückseite zu lesen und schreckt mich ab, es überhaupt in die Hand zu nehmen. Insgeheim hoffe ich, dass die Stehsätze ironisch gemeint sind.

Volles Rohr

Wem der neongrüne Umschlag schon zu aufdringlich vorkommt, wird auf den ersten Blick auch Probleme mit dem Setting der Geschichte haben. Anstatt mit der feinen Klinge zu hantieren, wird in Frettsack mit der Machete alles niedergeholzt. Das Buch handelt vom 36-jährigen Jens Fischer, einem typischen Loser. Einen geregelten Job hat er nicht, hin und wieder arbeitet er als Gelegenheitsmoderator auf Verkaufsmessen. Weil er sich allein keine Wohnung leisten kann, wohnt er mit seinem Kumpel Sven in einer WG in München. Jens ist ein Durchschnittstyp, sieht nicht gut aus, aber auch nicht schlecht, hat ein paar Kilos zu viel auf den Rippen und kommt bei Frauen nicht an. So gar nicht. Immer, wenn Jens jemanden anspricht, erntet er Spott und Verachtung. So weit, so platt.

Jens dringlichster Wunsch ist es, Kinder zu bekommen. Weil das mit den Frauen aber nicht klappt und sein Erbgut nicht völlig unnütz im Kübel landen soll, spendet er sein Ejakulat einer Samenbank. Auch wenn er die potenzielle Mutter nicht kennen wird, steigert er so seine Chancen Vater zu werden, und Geld gibts obendrauf. 110 Euro pro Spende. Damit lässt sich auch die Wohnung finanzieren. Das geht so lange gut, bis sich ein verheerender Unfall ereignet. Das nach einem Diktator benannte Frettchen seines Mitbewohners entkommt, krabbelt Jens ins Hosenbein und beißt ihm in die Hoden. Und zwar so unglücklich, dass Jens entmannt wird. Aus der Traum, fürs Wichsen Geld zu bekommen und doch noch eigene Kinder mit der Frau seines Begehrs zu zeugen. Bis ihn Sven auf die rettende Idee bringt: Er muss in die Samenbank einbrechen und sich seine "Männlichkeit" zurück holen.

Hier spricht der Autor höchstpersönlich

Klingt auf den ersten Blick natürlich nach Supertopfen. Doch so überzeichnet und unrealistisch Clausen seine Figuren auch skizzieren mag, so überraschend sind die Wendungen, die das Buch einnimmt. Und das ist gut, weil witzig. Ich musste an manchen Stellen laut auflachen, was mir beim Lesen selten passiert.

Wer sich loslösen kann von dem Gedanken, dass die Handlung immer realistisch sein muss, kann im Buch wirklich komische Momente vorfinden, nachdem er die Exposition rund um Fremdschämen und peinliche Pubertätskalauer hinter sich gelassen hat. Und eine schöne weil unkonventionelle Liebesgeschichte erleben. Und das müsst ihr mir jetzt einfach mal glauben.