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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

10. 5. 2012 - 18:09

Schrecklich lustig

In ihren neuen Filmen “50/50“ und „21 Jump Street“ verknüpfen Seth Rogen und Jonah Hill erneut Humor mit Herz und Hirn.

Bizarrer und komplett sinnentleerter Klamauk kann natürlich etwas Wunderbares sein, wenn ich jetzt mal schnell an legendäre Filme der Zucker-Brüder oder von Monty Python denke.

Die besten Komödien der letzten Dekade aber, das predigt euch auch meine geschätzte Kollegin Pia Reiser in regelmäßigen Abständen hier vor, die sind auf unübersehbare Weise mit dem echten Leben und dessen Höhen und Tiefen verknüpft, die transformieren die kläglichen Facetten des Alltags in kathartisches Bruhaha. Seth Rogen und Jonah Hill spielten in nicht wenigen dieser Filme mit, des Öfteren sogar gemeinsam.

Als Zöglinge des unübertrefflichen Comedy-Produzenten Judd Apatow (der heuer auch endlich eine neue eigene und extrem vielversprechende Regiearbeit präsentieren wird) schafften es die beiden Jungstars inzwischen an die Hollywood-Spitze.

50/50

Universum Film

Comedy-Apokalypse

Rogen gehört zusammen mit seinem Produzentenkumpan Evan Goldberg zu den Top-Playern an der Schnittstelle von rabiater Komödie und Blockbuster, Hill hat mit seiner ersten ernsten Rolle im Baseball-Drama „Moneyball“ gleich eine Oscar-Nominierung eingeheimst. Vor Flops („Bad Sitter“) und unaufregendem Mittelmaß („The Green Hornet“) sind sie trotzdem nicht gefeit.

Das vielleicht ultimative Zusammentreffen der beiden Herren um die Dreißig steht uns 2013 bevor, wenn in Seth Rogens Regiedebüt Jonah Hill den Weltuntergang erleben muss. In „The End Of The World“ mischen auch Jason Segel, Danny McBride, Jay Baruchel oder Aziz Ansari mit, alle Comedygötter, spielen sich selbst und werden bei einer Party in James Francos Haus von der Apokalypse erwischt. Hört sich wie ein irrwitziger Traum an, wird aber tatsächlich gerade gedreht.

50/50

Universum Film

Diffizile Gradwanderung

In dem Film mit Seth Rogen, der gerade bei uns angelaufen ist, geht es aber um ein etwas ernsthafteres Thema als das jüngste Gericht. Welche Verheerungen Krebs anzurichten vermag, wissen vielleicht auch manche von euch schon aus tieftraurigen Erfahrungen im Familienumfeld oder Freundeskreis.

Wie man die Krankheit auf schmalzfreie und unverkitschte Weise in einem Film behandeln kann, hat zuletzt der deutsche Filmemacher Andreas Dresen bewiesen. In „Halt auf freier Strecke“ zeigt er das Sterben eines Familienvaters auf schrecklich realistische und alltägliche Weise. Ein anderes Wagnis geht der junge US-Regisseur Jonathan Levine ein. In „50/50“ riskiert er die diffizile Gradwanderung zwischen Buddy-Comedy und bestürzender Tragödie.

50/50

Universum Film

Darf man über das Grauen lachen? Ist eine Komödie über einen Krebskranken wirklich eine gute Idee? Ja, sagt der Drehbuchautor Will Reiser. Vor einigen Jahren hat es den jungen Amerikaner selber erwischt, ein Tumor an der Wirbelsäule warf sein Leben aus allen Bahnen. Aber Reiser hatte Glück und konnte den Krebs besiegen. Noch mitten in der Chemotherapie wurde der Autor von seinen Freunden gezwungen, die Geschichte seiner Krankheit aufzuschreiben.

Freunderlwirtschaft-Connection

Will Reiser hat allerdings nicht irgendwelche Kumpels. Der bereits erwähnte Evan Goldberg und Seth Rogen produzierten zusammen Filme wie den köstlichen „Pineapple Express“, in ihren Kollaborationen ist das Schenkelklopfen ein fixer Bestandteil. Also hat auch Reiser seine schrecklichen Erfahrungen mit Witzen gespickt.

„50/50“ lauten die ärztlichen Prognosen für den von Joseph Gordon-Levitt gespielten Radiojournalisten Adam, als er eine schockierende Krebsdiagnose erhält. Während seine Beziehung bald tiefe Risse erleidet, versucht ihm Seth Rogen als bester Freund beizustehen. Mehr schlecht als recht, muss man sagen.

50/50

Universum Film

Komisch, traurig, berührend

Sicher, manche Momente in dem filmischen Mix aus Humor und Horror wirken geschönt, bisweilen schleicht sich eine Glätte in die Inszenierung, wie man sie auch aus anderen sogenannten Indiemovies made in Hollywood kennt. Aber im Großen und Ganzen funktioniert Jonathan Levines Streifen, der neben dem sensiblen Gordon-Levitt und dem gewohnt tölpelhaft-liebenswürdigen Rogen auch von fantastischen Nebendarstellern profitiert.

Anjelica Huston holt aus einem kleinen Part als Adams Mutter ein Maximum heraus. Und es wird Zeit, ein Loblied auf Anna Kendrick zu singen, die potentiell unvorteilhafte und biedere Rollen so authentisch und im besten Sinne menschelnd verkörpert, dass es eine reine Freude ist. Wie sie als junge, unerfahrene Therapeutin mit dem verbitterten Protagonisten umgeht, alleine das lohnt den Kinobesuch.

„50/50“ ist tatsächlich ein komischer, trauriger, berührender Film zwischen Chemotherapien und seelischen Zusammenbrüchen, Hoffnungsschimmern und derben Blödeleien, ein schallendes und befreiendes Lachen in das Angesicht des Todes. Ach ja, Bonuspunkte gibt es noch für den besten Einsatz eines Songs der grandiosen New Yorker Noiserocker Liars in einem Spielfilm.

21 Jump Street

Sony

Highschool-Demontage

Viel banalere Fragen stellen sich angesichts von Jonah Hills neuem Film. Hat die Welt auf ein Kino-Reboot der TV-Serie „21 Jump Street“ aus den achtziger Jahren gewartet? Muss eine Teenieschmonzette, die zurecht in den Fernseharchiven verstaubt, für die Kinoleinwand recycled werden?

Zugegeben, auf dem Papier hört sich die Idee grausam an und nach einem Neuzugang für die Kategorie „Filme, die keiner braucht“. Aber ganz so berechenbar geht es anscheinend in Hollywood doch nicht zu. Die Filmemacher gehen nämlich erst gar nicht auf das Original ein. Im Gegenteil, das Regieduo Phil Lord und Chris Miller persifliert ganz grundsätzlich den Trend der ideenlosen Remakes.

Aber wie die besten Komödien der Gegenwart, und damit sind wir wieder am Anfang angekommen, ist „21 Jump Street“ auch mehr als nur eine Aneinanderreihung gelungener Gags. Lord und Miller benutzen die Vorlage für eine clevere und böse Demontage sämtlicher Highschool-Klischees.

21 Jump Street

Sony

Stereotypen und Traumata

Zurück ins Klassenzimmer: Für Jenko (Channing Tatum) und Schmidt (Jonah Hill), zwei frische Absolventen der Polizeiakademie, hört sich dieser Befehl wie eine schreckliche Drohung an. Weil sich die beiden Jungcops bei ihren Einsätzen so tollpatschig anstellen, werden sie strafversetzt. Und zwar zu einer Spezialeinheit, geleitet vom strengen Captain Dickson (Ice Cube), die verdeckt unter Teenagern ermittelt.

Schon bald schwirren die Polizisten als Berufsjugendliche auf der Highschool herum und versuchen dem Drogenhandel auf die Spur zu kommen. Dabei kommen alte Traumata hoch. Während Jenko als braungebrannter Footballstar zu den Mädchenlieblingen in der Schulzeit gehörte, wurde Schmidt als Bilderbuch-Nerd gehänselt und verprügelt.

21 Jump Street

Sony

Charmant und ambitioniert

In einer der herrlichsten Wendungen der jüngeren Comedygeschichte dreht sich in der von unkonventionellen Werten dominierten Schul-Gegenwart der Spieß um. Da wird dann der muskulöse Sunnyboy Jenko plötzlich zum Außenseiter. Und ausgerechnet der übergewichtige Schmidt schafft den Einstieg in die kühlste Clique.

„21 Jump Street“ unterläuft etliche solcher Stereotypen, gibt sich durchaus unberechenbar und schafft es mitten im Klamauk auch noch die politisch korrekte Popkultur der Gegenwart aufs Korn zu nehmen. So viel Ambition hat dann auch den Star der alten Serie, einen gewissen Johnny Depp, überzeugt. Sein Kurzauftritt gehört zu den Highlights in diesem an Höhepunkten nicht armen Film.

Wer ein Klassentreffen à la „American Pie“ fürchtet, darf sich beruhigen und freuen. „21 Jump Street“ ist durchaus derb, aber auch charmant, klug und subversiv, definitiv eine der positiven Überraschungen des Frühjahrs.

21 Jump Street

Sony