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Natalie Brunner

Appetite for distraction. Moderiert La Boum de Luxe und mehr.

8. 5. 2012 - 16:44

Wohin mit all dem Zorn

Hustensaft, "Herr der Fliegen" und die Angst der Erwachsenen, dass sich Inszenierung und Realität überschneidet. Und warum ich auf einen Sohn wie Earl Sweatshirt sehr stolz wäre.

Kinder sind kleine Soziopathen, die aber sehr wohl den politischen Verstand haben, die Korruption dieser Welt zu durchblicken und deshalb ist in ihrem Zorn, in ihrer Anarchie etwas Reines und Wahres. Das ist nicht Realität, das ist nicht meine Meinung, sondern die Idee, die sich durch die Videoarbeiten des 24-jährigen Regisseur AJ Rojas in meinem Kopf schleicht.

Waren bei Harmony Korines "Gummo" noch feine Verbindungen zur sozialen White-Trash-Apokalypse zu finden, gibt es hier nur mehr inszenierte theatralische Destruktion als radikalen Gestus der Verweigerung.
Rojas meinte in einem Interview, dass seine primäre Frage war, was Kids in der Vorstadt so tun würden, wenn mit einem Schlag alle Erwachsenen verschwunden wären. Die Kälte und Absurdität dieser Welt springt uns noch einmal ins Auge, wenn Volksschüler den ganzen masochistischen Scheiß aufführen, dem wir uns normalerweise ab der Oberstufe widmen


“When I started directing, I spent a lot of time cultivating relationships with skate kids around L.A.-- I'm attracted to their vulnerability, and their performances are really beautiful because they don't have any preconceptions of what acting is”, erzählt Rojas im Interview.

Eines dieser Skate Kids war der 16-jährige Thebe Kgositsile - neben Tyler der talentierteste MC der Odd Future Posse - und gerade im Begriff, sein erstes Album als "Earl Sweatshirt" herauszubringen.

oddfutur

2010 musste Earl zwangsbedingt eine Pause einlegen, weil seiner Mama das Ganze zu bunt wurde und sie ihn in ein Bootcamp im Inselstaat Samoa schickte. Ich kann mir vorstellen, dass das unten stehende Artefakt, das Resultat der Zusammenarbeit von Rojas und Earl, eine nicht unwesentliche Entscheidungshilfe der Frau Mama war.


Odd Future bauten eine virale "Free Earl"-Kampagne, auch ich besitze dieses T-Shirt. Earl Sweatshirt ist inzwischen wieder zurück und die NY Times schreibt dreiseitige Artikel über ihn. Er hat das gleiche Management wie Andrew 3000 und seine Mutter Cheryl Harris, eine Professorin der Rechtswissenschaften kommuniziert via Anwälten mit dem ODD Future Management, was geschehen wird, wenn demnächst Earls zweites Album erscheint und Earl meint, er will nur in Ruhe irgendwo Skateboard fahren können, ohne, dass ihm jemand "Free Earl" nachbrüllt. Vor vier Tagen posteten Odd Future die "Samoa Files".


Wer weiß, Juvenile Delinquency hin, Authentizität her, vielleicht hat Earl eine Handycam mitgeschmuggelt – und die abendfüllende Dokumentation lässt nicht lange auf sich warten. Ich persönlich leide übrigens sehr darunter volljährig zu sein und jeden Scheiß tun zu können, ohne dass irgendwer auf die Idee kommt, mich nach Samoa zu schicken und nur maximal meine Versicherungsprämien steigern.