Erstellt am: 7. 5. 2012 - 18:49 Uhr
Munich Bass
Es ist eine bizarre Welt, anno 2012. Terror-Bassmusik machende Plastik-Manga-Mädchen wie Nicky Minaj hüpfen in der Superbowl-Halbzeit-Show als Maskottchen des geriatrischen Hypeblutegels Madonna vor Millionen herum. In dem nach Aufmerksamkeit schreienden Lärmterror, den Nicky Minaj macht, sind noch Spuren von den Bassexperten zu hören, von denen sie wohl gestohlen hat. Obwohl - in diesem Fall war der Diebstahl noch viel direkter.
Mit Schlachthofbronx hat das insofern zu tun, dass 2012 zerhackte, aufs Essentielle reduzierte Bassmusik derart chartkompatibel ist, dass es mich nicht mehr wundern würde, wenn eines Tages die Bavarian Bulldogs in Top of the Pops ihre mit Kuhglocken-Sounds bestückten Sampler auspacken.
Edward Beierle
2009 haben sie mit ihrem ersten, selbst betitelten Album bewiesen, dass Weltmusik nicht nur traditionell folkloristisch sein muss, sondern dass von Luanda über Mexico City bis nach Belem Producer aus ihren Samplern basslastigen Wahnsinn zaubern, der, kombiniert mit Hip Hop, Detroit Techno oder Chicago House zu einer mächtigen Bassfront anwächst, von der wir uns wegblasen lassen können. Egal ob wir in einem Bombenschutzkeller in Shanghai, in einem Theater in Graz, dem US-Hipster-Himmel SXSW Festival in Austin oder in Messehallen in Barcelona bei der Sonar stehen.
Der scherzhaft von seinen Schöpfern Munich Bass betitelte Drei-Wetter-Taft der Partyschönwetter-Front Schlachthofbronx garantiert maximalen Spaß.
Diplo, der sich als Handlungsreisender in Sachen globaler Basskultur hervorgetan hat, veröffentlichte verzückt Schlachthofbronx-EPs auf seinem Label Mad Decent, M.I.A. ist glühender Fan und auch die vor zwei Jahren auf dem Berliner Label Man Recordings erschienene LP "Ayoba" mit dem südafrikanischen MC Spoek Mathombo war ein Versprechen, dass da noch Massives auf uns zukommen wird.
"Inspiration kommt in Wellen, wir lassen uns beim Reisen überraschen und von dem, das Kollegen mitbringen. Und dann gibt es auch so Momente, wo wir uns sagen, es muss im Club wieder was Neues passieren und nicht nur immer diese langweilige Puff-Zack-Musik."
Im Soundkosmos von Schlachthofbronx gibt es Spuren von süßem karibischen Socca, den Stakkato-Rhythmus des angolanischen Kuduro, Cumbia-Rhythmen, Dubstep-Soundästhetik oder Autotune-Futurismus aus jamaikanischen Dancehallproduktionen.
Sie sammeln, sampeln und bauen die mächtigsten Bassmonster, die man sich nur wünschen kann, und laden auch die eine oder andere Stimme ein auf ihre Produktionen.
Etwa Dancehall MC Natalie Strom, die Autorin der Punany Monolouges, einer jamaikanischen Version der "Vagina Monolouges", sie ist auf "Touch your Toes", einem rhythmischen Hybrid aus Dancehall und Drum'n'Bass zu hören. Hybrid aus Dancehall und Drum'n'Bass? Ist das nicht die lexikalische Definition von Jungle? Eigentlich ja, aber Schlachthofbronx haben daraus den 2012 "Attention Defizit Syndrom Stop and Go"-Enkel synthetisiert.
Ein weiterer Gast ist die kultisch verehrte Booty-Bass-Instanz DJ Assault, der über einen Track mit einem Reggae Sample, Sirenen und kurzzeitig einsetzenden Stampftechno genau das erzählt, was man von Assault erwartet, und Menschen, die es ernst nehmen dazu bringt, Bierbecher zu werfen.
Schlachthofbronx wissen genau was sie tun, sie sind eine körperlich wirkende Macht und sie schaffen es, Menschen, die immer viel zu viel interpretieren wollen, genauso zum Schwitzen zu bringen, wie die breakverliebten Könige des Taggada im Wiener Prater.