Standort: fm4.ORF.at / Meldung: ""Niemand hier weiß, was das ist: Abenteuer""

Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

7. 5. 2012 - 18:02

"Niemand hier weiß, was das ist: Abenteuer"

Felicitas Hoppe, Liebling des Feuilletons, bastelt in ihrem neuen Roman weiter an der Definitionshoheit für Abenteuer im Kopf.

Buchcover von "Hoppe". Weißer Hintergrund, fett gedruckt der Titel "Hoppe" und eine Figur, die sich verbeugt.

S.Fischer Verlag

"Hoppe" ist im S.Fischer Verlag erschienen.

Es gibt AutorInnen, die bleiben trotz großer Erfolge ein Geheimtipp und der großen Masse verborgen. Felicitas Hoppe ist eine davon. Sie ist eine der meist gerühmten deutschen Schrifstellerinnen, schreibt in einem angesehenen und großen Verlag, wird in allen großen Feuilletons rezipiert und ist trotzdem nicht zum Literatur-Star geworden. Hoppes Prosa zählt zwar zu den phantasievollsten und sprühendsten im deutschen Sprachraum, ist aber nicht leicht "konsumierbar". In ihrem neuen selbstbetitelten Roman stellt sie das wieder unter Beweis.

Eine Traumbiographie

Nachdem sie sich mit früheren Romanen schon historischen Figuren angenähert hat, in "Pigafetta" dem Chronisten des Weltumseglers Magellan und in "Johanna" Johanna von Orleans, geht sie diesmal auf Endtdeckungsfahrt nach sich selbst. "Hoppe" ist eine fiktive Autobiographie, in der die Felicitas Hoppe ihren Lebenslauf neu schreibt. Und wie sie schon die "Heilige Johanna" mehr um Krönungsfragen hat kämpfen lassen als gegen die Engländer, strickt sie nun auch für die eigene Lebensgeschichte an neuen Abenteuern. "Ehrliches Erfinden" nennt sie diesen Stil.

Auf der Website des Verlags führt Hoppe das Spiel mit den unterschiedlichen Identitäten fort, indem sie sich von (fh) interviewen lässt.

Als Ausgangsmaterial verwendet sie ihre eigenen Geschichten und Romane und bastelt sich die Autorin dazu. Um das ganze noch verwirrender zu machen erzählt sie den Roman aus der Perspektive einer positivistischen Literaturwissenschafterin, die immer wieder mit dem Kürzel (fh) kommentierend eingreift - Felicitas Hoppe hoch drei also. Die Unterscheidung zwischen diesen drei Ebenen fällt nicht immer leicht.

Weite Welt statt beschaulicher Provinz

Die Biographie der Protagonistin hat mit jener der Autorin nicht mehr viel gemein. Statt im beschaulichen Hameln wächst Hoppe in Kanada auf, statt vier Geschwistern hat sie nur ihren "Entführervater", der als Patentprüfer arbeitet und dauernd außer Haus ist, und anstatt im Hamelner Freilufttheater in Rattenfänger-Aufführungen mitzuwirken kreuzt die fiktive Hoppe mit dem jungen Wayne Gretzky, dem größten Eishockeystar aller Zeiten, die Hockeyschläger.

Wayne wird ihre erste Liebe, doch sie kommt nicht an ihn ran, weder in Liebesdingen, noch beim Eishockeyspielen. Dabei tritt sie am Eis leidenschaftlich und furchtlos auf, aber auch leichtsinnig, übermütig und kühn inkompetent. Außerdem hat sie eine Anlage zum unfreiwilligen Spielverderbertum, weil sie die Neigung hat, immer über das Spielfeld hinauszudenken. Mit solch einer lästigen Neigung wisse niemand was anzufangen, meint ihr Eishockeytrainer, für den Fall des Falles wäre sie aber ein guter Verlierer.

Der Trainer hat Recht. Hoppe ist nicht besonders traurig darüber, dass sie nicht wie Wayne zum Eishockey-Profi wird, und auch ihr zweiter Berufswunsch Dirigentin geht nicht in Erfüllung, sodass sie schließlich doch Schriftstellerin wird, womit sich die Schicksale der Autorin und der Protagonistin wieder treffen.

Selbstverliebtheit und Selbstreflexion

Wie in Biographien üblich kommen auch in "Hoppe" zahlreiche Bekannte und Wegbegleiter der Protagonistin zu Wort, verschiedene Vater- und Mutterfiguren die sich Hoppe in Abwesenheit ihres Vaters erschreibt, und auch Literaturkritiker kommen zu Wort. Deren Meinung zu Hoppes Schaffen sind äußerst kritisch, sie sei eine Plagiatorin und die Last "Hoppe'scher Gedankenprosa" begrabe ein "ungeheures Potential" und schließe willige Leser aus.

Mit Selbstverrissen wie diesen spielt Hoppe mit ihren Kritikern und ihrer Rezeption, die oft nur ihr Sprache würdigen, weniger ihre Geschichten. Dabei sind ihre Geschichten großartig erfunden, wahre Abenteuer im Kopf, nur zielen sie nicht auf den Geschmack der Masse. Im Buch verteidigt sich die Figur Hoppe einmal gegenüber einem Kritiker, dass sie mit ihrer Literatur ein anderes Spiel mit anderen Regeln spiele. Nicht alle müssen diese Regeln verstehen, aber einige lassen sich von diesem Spiel begeistern. Wenn man sich die bisherigen Rezensionen ansieht, trifft das auch hier wieder zu.

In einem Interview in der Sendung Druckfrisch spricht Felicitas Hoppe von "Hoppe" als ihrem persönlichstem Buch, weil sie trotz aller Fiktionalisierung doch den Menschen beschrieben hat, zu dem sie geworden ist. Das ist schön, um die Autorin, näher kennenzulernen, aber die Idee der fiktiven Biographie trägt die über 300-Seiten nicht. "[K]ein Hoppewerk ohne Happy Ending!", heißt es im Roman, bis dahin werden aber wohl nur eingefleischte Hoppe-Fans kommen, GermanistInnen oder KritikerInnen.

Update Büchner-Preis

Hoppe ist ein Star im Literaturzirkus, das beweist eine weitere Ehrung: Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hat Felicitas Hoppe heute den Georg-Büchner-Preis verliehen, die wichtigste literarische Auszeichnung im deutschsprachigen Raum. Als Begründung wird angeführt, dass Hoppe "mit ihrer eigensinnigen und abenteuerlustigen Prosa Grundfragen eines postmodernen Daseins mit virtuoser, befreiender Fantasie durchspielt". Es wäre ihr zu vergönnen, wenn sie mit diesem Preis ein der Bedeutung ihrer Literatur angemessenes Publikum findet.