Erstellt am: 6. 5. 2012 - 13:20 Uhr
Song Zum Sonntag: Zammuto
Schon wieder eine Ausnahme im Schrein des vielsagenden Textes und der lyrischen Message: Ein Instrumental. Vielleicht ein Semi Instrumental. Ein Dampfhybridkarussell ziemlich aller Musiken des Jahrhunderts: Blues, Rock, Kirmesmusik, Musical, Folk, Freejazz, Soundtracks.
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Es betritt die Bühne: Ein schwer grollendes, hatschertes Drum Intro, das auf David Coverdale zu warten scheint, dann aber immer mehr Zwischenrhythmen auf der HiHat spielt, dann kommen zerhackte Donald Duck "Vocals", die rund um eine euphorische Melodie herumzittern, eine fette Kinderlied- Keyboardlinie, streng nach den Regeln der Kunst eingestreute Breaks und Pausen, noch schwerer werdende Drums, noch mehr Layer von absoluter Harmonie, die Piepsvocals werden immer hektischer, immer mehr versuchen sie sich durchzusetzen - dann ist das Lied zu Ende. Yay!
Was für Geschichten das erzählt. Die Geschichte der Avantgarde als Zwilling der Kommerzmusik, von John Coltrane und Albert Ayler, die Karnevalsklänge und Musicallinien in ihre Improvisationen einfließen lassen, von dem großen spirituell - ernsten Rahsaan Roland Kirk, dessen rasanter, zwischen die Musik eingestreuter Zitathumor durch die Novelty verstärkt wurde, dass er der einzigen Musiker war und bis heute ist, der je 4 Saxophone zugleich spielte und eine Nasenflöte dazu, die etwa Thomas Kapielski zur Gründung seines witzigen Orchesters inspirierte.
- Der Song zum Sonntag auf FM4
- Über Zammuto macht sich auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar in der Presse am Sonntag seine Gedanken.
- ">Zammuto zum Nachhören auf Soundcloud
Die Geschichte von großen Erneuerern der Harmonie und Tradition als Knechte des großen Geldes. Von Arnold Schönberg, dem Erneuerer derMusik, der - vor den Nazis geflohen - in Hollywood keinen Job fand, weil er auf die Frage "Can you whistle one of your tunes?" keine rechte Anwort wusste (oder geben wollte). Von Stravinski bei Walt Disney, der mit großen musikalischen Ideen seinen geldzählenden Auftraggeber fast in den Ruin stürzte. Von Carl Stalling bei Warner Brothers der als namenloser Hintergrundmann den Errungenschaften der Comic Strips von Tex Avery erst zu einem runden Bild verhalf, indem er die halsbrecherischen Schnitte bei Verfolgungsjagden zwischen Roadrunner, Wylie Coyote und Speedy Gonzales mit ebenso winzigen und hektischen Tonart- und Musikstilwechseln unterlegte, wie er die Hipster Coolness von Bugs Bunny oder die Redneckwut von Elmer Fudd mit gerade mal sekundenlangen Zitaten aus 600 Jahren europäischer Musikgeschichte zu Ende malte.
Die von großen gelangweilten Alleswissern und Könnern als Kasperln des Dur Harmoniediktats der Traditionen. Von Eugene Chadbourne, der zwanzig Sekunden Bluegrass Banjo einen Lärmterror mit einem elektrisch verstärkten Gartenrechen folgen ließ. Von John Fahey, der die von ihm virtuos beherrschten Traditionsmusik auf der Bühne schlafend spielte und Platten mit Musik von Irving Berlin und Gershwin ebenso aufnahm, wie mit japanischer Avantgarde. Von den Butthole Surfers, die die Hippiespülhymne "Hurdy Gurdy Man" als die LSD Nummer coverte, die sie war, aber als die sie der der nur scheinbar harmlose Donovan (zusammen mit "mellow yellow") seiner Blumenkinderklientel gerade nicht präsentiert hatte - mit einem ähnlichen Zerhackeffekt, der den hilflosen "Gesang" auf "Yay!" zum Gegenteil von Lead Vocals werden läßt.
Vielleicht erzählt auch "Yay!" dieseGeschichten nicht, sondern ich wollte sie nur einmal erzählen. Aber als Dekonstruktions- Popnummer des jungen Sommers hat sie wohl ihren Platz hier verdient.