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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

5. 5. 2012 - 02:57

Flimmern und Leuchten

Donaufestival, Tag 5: Chris Cunningham, Felix Kubin & Martha Colburn, Pantha du Prince, Walls.

Alle Geschichten aus Krems
fm4.orf.at/donaufestival2012

Vorletzte Runde am Donaufestival: das Programm der heutigen Nacht wird von der Idee des Visual-Konzepts zu elektromusikalischen Ausgeklügeltheiten zusammengehalten und beginnt in der großen Halle gleich mit dem, was man als Hauptact bezeichnen kann.

Eva Brunner als Chris Cunningham-Spezialistin und -Interviewende macht den Anfang:

Chris Cunningham

Florian Schulte

Der Brite Chris Cunningham ist der Großmeister der messerscharf geschnittenen Bilderflut. Musikvideos, mit denen er vom Comic-Zeichner zum Star der Videokunst wurde, macht er schon lange keine mehr. Aphex Twin, Björk, Autechre, Portishead, Squarepusher. Been there, done that.

Seit 2005 konzentriert sich Cunningham auf seine musikalischen Talente, fungiert als Produzent für Grace Jones, Gil Scott-Heron oder The Horrors und verbindet seine Werke zu einem audiovisuellen Live-Schlachtfeld. So auch am fünften Festivaltag in Krems: Cunningham huscht auf die Bühne.

Die Laser gehen an. Man sieht auf fünf Leinwänden Grace Jones' Bauchmuskeln, zuckend zum Beat. Ein nacktes Pärchen, das sich blutig schlägt - Nanosekunden genau im Takt mit Cunninghams Musik. Cunningham legt Gil Scott-Herons zerzaustes Konterfei und seine lebensmüden Augen über die Skyline von New York. Er zeigt ein kleines Mädchen im Bett liegend, dessen Augen, Lippen und Nasenlöcher wie von Geisterhand verzerrt werden. Die Live-Show ist laut, hart, brutal, verstörend, fantastisch. Cunningham eben.

Florian Schulte

Dieses Mädchen wird in euren Träumen sein.

Die Meinungen des Publikums über Cunninghams Show driften auseinander: Von "Das war eine riesen Verarsche, es war vollgespickt mit altem Material!" bis zu "Das war die beste Visual Live-Show, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe!" ist alles dabei. Cunningham lässt sich davon sicher nicht beeinflussen.

Florian Schulte

Die Lasershow, direkt aus Cunninghams Hirn.

Es stimmt schon, die Figur "Rubber Johnny" etwa stammt aus einem alten Aphex Twin Video und auch sonst bedient sich Cunningham beliebig aus seinem eigenem Regal. Aber auch andere Musiker spielen ihre "Hits" immer wieder live. Und das sicher nicht so beeindruckend wie Cunningham. Apropos live, apropos neu: Cunningham arbeitet derzeit an einer neuen Live-Show mit neuem Material und diversen Musiker-Kollaborationen. Start ist Sommer 2013.

Felix Kubin & Martha Colburn

Komm rein in meinen Traum, Felix Kubin! Komm rein in meinen Traum, Martha Colburn! Nachdem Chris Cunningham unsere tiefsten Albträume beschworen hat, geht es bei Felix Kubin und Martha Colburn bunter und versöhnlicher zu.

Felix Kubin

Florian Schulte

Anders als bei CocoRosies Stummfilm-Vertonung letzte Woche, die fast vollständig auf Improvisation aufgebaut war, kennen sich der Hamburger Synth-Pop-Dadaist Felix Kubin und die New Yorker Videokünstlerin Martha Colburn seit Jahren und sind ein eingespieltes Team. Während Kubin im smart-grauen Anzug kleine, eingängige Melodien in eine mir unsichtbare Klaviatur hämmert, bunte Kabel an seinem Modularsynthesizer - dem vielleicht am schwierigsten zu verstehenden Instrument der Welt? - herumsteckt, in seinen Texten Donald Duck aus seinem Traum vertreibt und ein kleines, elektronisches Menuett klimpert, lässt Colburn Pistolen-Autos-Pferde-Worte-Farben-Schädel-Maden über die Leinwand wandern. Ihre Bilder haben dabei drei oder vier Ebenen: Videocollagen werden zugespielt, während Martha mit Farbfolien unter der Live-Kamera herumwedelt und kleine Papierfalter auf Holzstäbchen vorbei fliegen lässt. Fein und ausgeklügelt ist das und Spaß macht es auch.

Felix Kubin

Florian Schulte

Pantha du Prince

Pantha du Prince

Florian Schulte

Visuals gibt es auch: ein sich drehendes Windspiel, das per Kamera auf die Leinwand projeziert wird. Man erkennt aber nicht viel.

Ach, Pantha du Prince und seine geliebten Glocken. Obwohl der Kasseler Musiker ihre Bedeutung heute im Interview relativiert hat ("Ich bin ja kein Glockenfetischist oder so, sie haben sich für mich einfach als kompakter Klang ergeben"), mag und kann man sich ihrer Wirkung nicht entziehen, wenn das Glockenmotiv einsetzt, besser: eines dieser Glockenmotive. Sobald ihre Melodien in flächigen Harmonien aufgelöst werden, durchfließt ein warmer Schauer den Raum, und umso besser ist das Wissen darum, dass einen die Bassdrum früher oder später nicht im Stich lassen wird. Denn das ist (unter anderem!) das Wunderbare an Pantha du Prince: da steht ein durch und durch kunstsinniger, konzeptueller Künstler auf der Bühne, achtet auf jedes Rauschen und Knacken, steckt seine Energie in die Optimierung jedes noch so kleinen Soundbausteins aus Field Recordings, Jam Sessions und Lautforschungsprozessen, und doch vergisst er nie darauf, seine luftigen Stücke durch den Herzschlag der Kickdrum auf der Erde zu verankern. Sie transportiert diese filigranen Klanggeflechte in den Club - nicht, dass sie nicht in Galerien oder Kirchen eine eigene Magie entwickeln würden! - an einen Ort, den Pantha du Prince auch in Zukunft nie aus den Augen und wissenden Produzenten-Ohren verlieren mag. Es mache ihm dort einfach zu viel Spaß. Es ist ein Versprechen.

Pantha du Prince

Florian Schulte

Eva Brunner übernimmt wieder:

Walls

"Wir sind live spontan und surfen mit dem Publikum gerne auf einer Soundwelle." Das behaupten die in England lebenden Alessio Natalizia und Sam Willis, die zusammen das viel gerühmte Ambient-Duo Walls bilden. Seit das Kölner Techno-Label Kompakt Ende September 2011 ihr Debütalbum "Coracle" veröffentlicht hat, haben sich die Wogen der Begeisterung von Fans, Kritikern und Musikerkollegen noch immer nicht geglättet.

Donaufestival 2012

Florian Schulte

Sam Willis und Alessio Natalizia

Walls haben etwa die Battles so von sich überzeugt, dass das Duo im Vorprogramm bei der letzten US-Tour aufgetreten ist. Zurecht. Die beiden hantieren auf der Bühne gekonnt mit ihren drum machines, Pedalen, Mixern, Gitarren und diversem Sample-Equipment und schaffen das, was sie sich vorgenommen haben. Sie treten in Interaktion mit dem Publikum und driften zugleich weg.