Erstellt am: 1. 5. 2012 - 05:30 Uhr
Economy Death Match: Der 1. Mai
Seit mehr als die Hälfte der täglichen Nachrichten aus Wirtschafts-Zeug bestehen, muss man sich mit derlei zwangsläufig beschäftigen. Und neben vielen fremden Begriffen gibt es noch ein Problem: Fragt man fünf Fachleute, bekommt man mindestens zehn Antworten. "Gibt es so etwas wie „die Wahrheit“ in Wirtschaftsfragen?", fragen sich Paul Pant und Robert Zikmund daher in „Economy Death Match“.
Heute ist also wieder einmal „1. Mai“. Die meisten von uns werden, ganz ähnlich wie zu Pfingsten oder Allerheiligen, einfach nur froh sein frei zu haben. Trotzdem ist der 1. Mai ein vergleichsweise junger Feiertag: In Österreich ist er etwa erst seit knapp hundert Jahren arbeitsfrei. Doch auch in vielen anderen Ländern galt und gilt dieser „Tag der Arbeit“ als „Kampftag der Arbeiterbewegung“, also ein Tag der Bewusstsein für Unterprivilegierte schaffen soll. Klassische Arbeiter gibt es immer weniger, Unterprivilegierte dafür noch immer nicht zu knapp.
Und über 40 Jahre nach der ersten SPÖ Alleinregierung hat sich das Selbst- und Fremdbild der Sozialdemokratie ebenfalls stark verändert. Wie aktuell ist also dieser Feiertag mit seinen Aufmärschen und roten Nelken überhaupt noch? Diese Frage bestreiten Paul Pant und Robert Zikmund heute in einer Feiertags-Ausgabe des Economy Death Match. Natürlich im Boxring...
Contra: "Wenn ich Dinosaurier sehen will, schau ich mir lieber Jurassic Park an"
Der erste Mai als Kampftag der entrechteten Arbeiter und Arbeiterinnen… Darf ich noch lachen oder soll ich schon verzweifelt den Kopf schütteln? Noch nie ist es uns so gut gegangen wie heute, die größte Sorge der meisten Österreicher ist ja wohl eher, wohin sie heuer auf Urlaub fahren, oder welches Smartphone sie kaufen. Schaut Euch doch die Parade vor dem Rathaus einmal an – man hat bisweilen ein bisschen den Eindruck von „Jurrasic Park meets roter Platz“. Da winken sozialistische Multifunktionäre von der Bühne, die noch nie eine Fabrik von innen gesehen haben und deren „Karriere“ sich ausschließlich in geschützten Werkstätten abspielt. Während nostalgische Pensionisten vorbeiziehen und von den alten Zeiten träumen, untermalt von folkloristischen Arbeiterliedern und dem Odeur von Bier und Langos. Ein bisschen wie das Donauinselfest, nur ohne Bands – und unter der Woche.
Und was den Verweis auf die 30er Jahre sowie böse Kapitalisten die kleine Kinder an ihre Maschinen ketten betrifft: Bitte nicht die Mottenkiste auspacken! Seit über 40 Jahren regiert die SPÖ fast ohne Pause. Die wirklich Prekären, also die Ich-AGs, die Scheinselbständigen und die kleinen Unternehmer werden allerdings gar nicht vertreten. Ich sehe hier ein anachronistisches Klassentreffen jener, die noch immer glauben man kann sein Leben lang im staatsnahen Bereich arbeiten – am besten gleich pragmatisiert.
Und noch eine wichtige Frage: Warum gehen denn bei den Maiaufmärschen so wenig junge Leute mit? Ganz einfach: Eben weil sie für die Veranstalter dieser Kasperl-Parade keine Rolle spielen. Den Jungen werden Milliarden Schulden für einen Hängematten-Staat und obszöne Pensionen für golfspielende Rentner hinterlassen! Und dieses Vergehen an der jungen Generation unter dem Deckmantel „sozialer Gerechtigkeit“ soll dann ein Zukunftsmodell sein?
Hoch der erste Mai, kann ich da nur sagen…am besten machen es übrigens die Grazer, dort wurde das Theater heuer mangels Interesse einfach abgesagt.
Pro: "Hoch der erste Mai"
Vielleicht mal ein Zitat zu Beginn: „Die Tausenden von Kleinbürgern werden es den Hundertausenden von Proletariern gewiss gern vergönnen, sich auch einmal das Erwachen der Natur, das alle Dichter preisen und wovon der Fabrikszwängling so wenig bemerkt, in der Nähe zu besehen.“ Das stammt von Viktor Adler aus dem Jahr 1890 und ist so aktuell wie eh und je – vor allem weil die Ungleichheiten wieder größer werden.
Denn, auch wenn das die Unterbergers dieser Welt nicht verstehen, ist es ja nicht so, dass es plötzlich nichts mehr zu demonstrieren gibt. Seit 10 Jahren verkümmern die Löhne während ein paar immer reicher werden, dazu gibt´s ein Sparpaket nach dem anderen. In Italien klettert die Selbstmordrate in luftige Höhen, Griechenland schickt sich an ein Entwicklungsland zu werden und auch die noch wohlhabenden Staaten Europas machen einen auf Ende des Sozialstaates. Und gerade dieser Sozialabbau macht es leider schon noch immer nötig, dass sich die Werktätigen organisieren und Stärke zeigen. Wenn das ganze nur eine Nostalgie-Veranstaltung ist – warum regen sich die vermeintlich bürgerlich-liberalen dann so drüber auf? Kommt das etwa aus der gleichen Ecke wie damals, als 1934 die Maiaufmärsche sogar verboten wurden?
Was sich in ihrer Diktion allerdings verändert hat ist die Richtung. Konnte man früher noch frei heraus sagen, dass Arbeiter per Schicksal oder göttlicher Ordnung einfach schlechte Karten haben, muss man da heute schon kreativer vorgehen. Und da kommen den Sozialabbau-Agenten natürlich die Staatsschulden sehr gelegen, wie eine Waffe werden sie mittlerweile gegen die arbeitenden Bevölkerungen eingesetzt. So gut wie alle Staaten sind monströs verschuldet. Was allerdings viele übersehen ist, dass gegengleich auch immer weniger Superreiche immer obszönere Vermögen anhäufen – denn Geld verschwindet nie, es wird nur umgeschichtet. Und obwohl die Wirtschaft immer weiter wächst, wird eben immer schlechter und ungerechter verteilt – wir haben eine Verteilungskrise, keine Schuldenkrise!
Wenn dann auch immer gerne auf Kreisky losgegangen wird: Ohne Kreiskys Reformen wäre es etwa bestimmt nicht möglich gewesen, dass doch mehrere Kinder aus Arbeiterfamilien auch zu höherer Bildung kommen. Mittlerweile ist die soziale Durchlässigkeit allerdings wieder schlechter geworden – auch die Schuld der neoliberalen Sparmanie.
Bei all dem Irrsinn, mit dem aktuell Errungenschaften der Arbeiterbewegung wegdiskutiert und gestrichen werden – könnte man den Werktätigen ja wenigstens den Luxus lassen, einmal im Jahr auf sich stolz zu sein, oder? In diesem Sinne, ganz ohne Ironie: „Hoch der erste Mai!“
Economy Death Match: Der 1. Mai
Robert Zikmund und ich schlüpfen in die Rollen der Streitenden und legen Zahnschutz und Suspensorium an.
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