Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Kollaborationen"

Philipp L'heritier

Ocean of Sound: Rauschen im Rechner, konkrete Beats, Kraut- und Rübenfolk, von Computerwelt nach Funky Town.

29. 4. 2012 - 01:13

Kollaborationen

Donaufestival Tag 1: Laurie Anderson & Light Asylum, Rhys Chatham & Valgeir Sigurdson

Donaufestival 2012

Alles zum Nachlesen auf fm4.orf.at/donaufestival2012

Die erste der auf einen flüchtigen Blick eventuell „merkwürdig“ erscheinenden Künstlerinnen-Paarungen, die CocoRosie für den Eröffnungsabend des Donaufestivals zusammenkuratiert haben, stellt ein Aufeinandertreffen zweier Generationen New Yorker Klangkunst – und Kunst im ganz breiten Sinne dar: Auf der Bühne stehen Laurie Anderson, Performance-Künstlerin, Musikerin, Komponistin seit den späten 60ern, und das noch vergleichsweise unbekannte Duo Light Asylum. Mit Light Asylum ist dem Donaufestival – sicherlich mit dem glücklichen Umweg der Selektion der Casady-Schwestern – wieder einmal gelungen einen up-and-coming, im hyperspezialisierten Checker-Untergrund schon mit reichlich Lorbeeren bekleckerten Act ins Programm zu hieven, dem morgen schon mittlerer Stardom bevorstehen könnte.

light asylum

Florian Schulte

Shannon Funchess, die eine Hälfte von Light Asylum, hat mit New Yorker Hip-Größen wie dem LCD Soundsystem, Telepathe oder !!! zusammengearbeitet, ihre Stimme, die von militärischem Befehlston ohne Mühe ins samtene Balladen-Timbre zu switchen in der Lage ist, ist das Alleinstellungsmerkmal von Light Asylum. Gemeinsam mit Bruno Coviello produziert Funchess an allerlei analogem Instrumentarium eine Musik, die industrielle Kühle und den harten Puls der Maschine dem percussion- und kuhglockenbetriebenen Disco-Funk der obengenannten Bands vorzieht. Eher als die muntere und elastische Tanzbarkeit von New Yorker Bands wie ESG oder Liquid Liquid klingen bei Light Asylum britische Bands und deren bleierne Trübsal – oder auch deren glamouröses Pathos – nach: frühe Human League, frühe OMD, Yazoo.

Mit ihrer „In Tension“- EP haben Light Asylum vor über einem Jahr ein leider kaum wahrgenommenes Debüt vorgelegt, jetzt – gerade jetzt in diesem Moment, diese Woche, oder auch schon morgen, je nachdem in welcher Zeitzone und welcher Internetgeschwindigkeit man lebt, erscheint der schlicht „Light Asylum“ betitelte erste Longplayer der Band. Einzig: Von dem durchaus hit-tauglichen Werk der Band ist an diesem Abend beim Donaufestival nichts zu vernehmen. Das Zusammenspiel von Laurie Anderson mit Light Asylum ist komplett improvisiert. Nachdem auf den Vorschlag von CocoRosie hin die Kollaboration vereinbart war, hat Anderson die gerade mit den Aufnahmen zur ihrem Album beschäftigte Band in New York ein, zwei Mal im Studio besucht und sich deren Musik angehört. Im Gegenzug waren Light Asylum einmal bei Anderson zuhause und haben gut eine Stunde mit der Meisterin gejammt. Das war es dann auch schon mit der Vorbereitung.

laurie anderson light asylum

Florian Schulte

Das Ergebnis ist ein zwiespältiges: In manchen Momenten scheint es, als bräuchte es nichts an Absprache, das Knacken und Brummen der Geräte und die Synthesizerflächen von Light Asylum und die manipulierte Geige von Anderson überlagern sich zu einer zwar reduzierten, dabei aber dennoch wilden Klangwolke, die mitunter an Tangerine Dream oder anderes elektronisches Kraut der Berliner Schule erinnert. Man kann hier einem Experiment beim manchmal bizarr gut Gelingen, aber auch recht oft beim Laufen ins Nirgendwo zuhören. Vor allem ein Beat tut sich schwer, hier aus dem Geschehen hervorzutreten. Oft ist es nicht mehr als ein abgebremstes, matt ausprobiertes Pluckern, geradeso als würden Kraftwerk ohne Weg über die Autobahn stolpern. Es ist also weniger Kooperation, sondern vielmehr ein gegenseitiges Ausmessen. Bei allem höchst lobenswerten Interessant-Sein des Versuchs: Ein, zwei, drei Hits von Light Asylum hätte man dann doch gerne gehört. Sie haben mindestens zwölf im Repertoire.

Sigurdson + Chatham

Florian Schulte

Mit Rhys Chatham und Valgeir Sigurdson treffen sich zwei Musiker, die immerhin vage ein ähnliches Feld beackern: Beide nähern sich unter den Vorzeichen von klassischer Komposition, Minimal Music und Neuer Musik einer weiten Definition von Pop. Chatham darf getrost als Legende bezeichnet werden, er hat mit PionierInnen wie Pierre Boulez und Elaine Radigue gearbeitet, ehe er in den späten 70ern und frühen 80ern im Umfeld von New Yorker No Wave als Inspirationsstifter ins Einfluss-Spektrum von kunstfertigen Gitarren-Zerstörern wie Glenn Branca oder Sonic Youth geriet. Der weit jüngere Sigurdson ist als Mitbetreiber des isländischen Labels Bedroom Community ein gerngesehener Gast beim Donaufestival und in der letzten Vergangenheit vor allen Dingen als Produzent und Klangarchitekt für Alben von Björk, Will Oldham oder, natürlich, CocoRosie aufgefallen.

Beim Donaufestival begegnen sich Chatham und Sigurdson dergestalt, dass Sigurdson seinen Laptop fiepsen und knistern lässt, ab und an gibt’s gar rudimentär tanzbare Beats, während Chatham mit der Gitarre jault, die Trompete bläst und lange Zeit auch bloß im Anzug minimalistisch auf der Bühne herumsteht. Das alles ist sehr gut und konterkariert den soundakademischen Gestus mit unterschwelligem Humor. Hoffentlich wird das Ganze demnächst bei einem Label wie Touch, Editions Mego oder Spectrum Spools auch auf Tonträger veröffentlicht.