Erstellt am: 28. 4. 2012 - 14:00 Uhr
Sexy an Ice
Vom 18. bis 25. April lief in Berlin das Filmfestival „!Achtung Berlin!“, das schon im achten Jahr neue Kurz-, Lang-, Spiel-, und Dokumentarfilme aus Berlin und Brandenburg präsentiert. Ein Thema des Festivals war die Stadt Berlin als “Arrival City”, Geschichten von Migration und vom Ankommen in der Stadt. "Berlinized. Sexy an Eis" von Lucian Busse ist zwar ein Porträt der Subkultur Mitte der Neunziger Jahre, aber auch da ging es um Leute, die von irgendwo nach Berlin gekommen waren und dann, wie ein Zeitzeuge erklärte, ein Jahr kein Tageslicht gesehen haben. Bands wie Mina und Künstler wie die Honeysuckle Company und Jim Avignon kommen in “Berlinized” zu Wort, viele fehlen natürlich: Rafael Horzon der die berühmte Galerie berlintokio mit einer gefakten Ausstellung von japanischen Künstlern eröffnete; das Jeans Team, das dort die ersten Auftritte hatte. Es fehlen die vielen verwunschenen, verlorenen Orte der Neunziger, die Hohe Tatra, die Love Wg, der Toaster, der Brasilianer, das Sexyland, das Fink, die Montags- und Dienstagsbar, usw. Trotzdem war die Premiere von “Berlinized” im Babylon Kino am Rosa-Luxemburg-Platz so etwas wie ein Klassentreffen der Berlin-Mitte Veteranen.
Achtung Berlin
Wehmut, Nostalgie und Ostalgie ein Seufzen und Ach! Ausrufe kamen angesichts der Clubs und Häusern, die längst nicht mehr stehen auf. Ach, wie war Berlin damals noch crazy, der beste Ort auf dem Planeten, aber das wusste damals zum Glück noch nicht die halbe Welt. Historische Aufnahmen zeigten die Honeysuckle Company und ihre Modenschauen mit Altkleidern und humpelnden Mannequins, überall Schutt und Müll und Billigelektronik. Ein längst versunkenes Berlin aus Sperrmüllmöbeln und Spielzeuginstrumenten wurde wieder sichtbar. Direkt schöne Bilder sind in dem Film nicht zu sehen, viele Aufnahmen sind halbdunkel, rotstichig, verschwommen. Die Außenaufnahmen zeigen graue Fassaden und das fahle Licht der Straßenlaternen, drinnen in den Clubs dann zuckende Blitze, Dreck und viel Euphorie.
Berlinized
"Berlinized" verwendet klassische Stilmittel des Dokumentarfilms. Die Protagonisten erläutern ihre Geschichte von heute aus vor den Originalschauplätzen, wie etwa der Bar "Kunst & Technik", einer Baracke, die bis 1999 gegenüber der Museumsinsel stand. Heute findet man dort eine blöde Strandbar. Alte Geheimnisse werden gelüftet, manches ist durchaus schmerzlich - so wird enthüllt, dass das berühmte Getränk "Sexy an Ice", dem nicht nur die Autorin so viele "Sexy an Ice"-Vergiftungen zu verdanken hat, von den Barleuten zwar in Kanistern angerührt aber niemals selbst probiert wurde! Aber so waren sie die Neunziger, man hat sich nicht geschont!