Erstellt am: 28. 4. 2012 - 12:00 Uhr
Unser Mann in Hollywood
Eigentlich sollte ich gar nicht mitreden. Denn „Buffy – The Vampire Slayer“ hab ich seinerzeit verpasst und auch nie nachgeholt. Für oberflächliche Betrachter wirkte die Serie, die von 1997 bis 2003 lief, wie ein beliebig infantiles TV-Produkt, ein bisschen Grusel, Romantik und Humor, teenagergerecht verpackt.
Für unzählige Hardcore-Fans, darunter auch Schriftsteller, Genderforscher, Philosophen, waren die sieben Staffeln „Buffy“ eine popkulturelle Erleuchtung. „Sie ist wach: Über ein Mädchen, das hilft, schützt und rettet“ heißt beispielsweise die deutsche Bibel zum Thema. Der Autor Dietmar Dath bringt in seiner Heiligsprechung der Serie auch schon mal Adorno und Marx ins Spiel und feiert die Heldin als Klassenkämpferin.
Ob solche ausufernden Interpretationen den Bogen überspannen oder nicht, Joss Whedon, den Schöpfer der juvenilen Vampirjägerin, könnte man im besten Sinne als Anti-George-Lucas bezeichnen. Der mittlerweile 48-jährige Drehbuchautor, Produzent und Regisseur kreiert Fantasy-Charaktere, die sich nicht bloß als Vorlagen für Actionfiguren und Computerspiele eignen. Mit Whedons Figuren könnte man auch Kaffee trinken gehen, Witze reißen, mehr als eine Nacht durchfeiern.
Centfox
You can’t take the sky from me
Mit der Science-Fiction-Serie „Firefly“, Joss Whedons ganz spezieller Antwort auf Star Wars und Star Trek, hat er dann meine Wenigkeit auch an Bord geholt. Und auf was für eine euphorisierende Weise.
In einer Zukunft, die frappant der Ära des Wilden Westens ähnelt, schlägt sich der desillusionierte Captain Malcom "Mal" Reynolds (der wunderbare Nathan Fillion) des Raumkreuzers Serenity mit Schmuggeleien und Diebstählen durch. In „Firefly“ gibt es keine neunmalklugen Aliens, sprechenden Kuscheltiere oder ähnlichen Kinderkram. Keine streichelweichen Prinzessinnen oder moralisch einwandfreien Weltraum-Ritter. Stattdessen werden Prostituierte hoch geehrt und Gegnern wird in den Rücken geschossen und zwar mit einem Colt.
Mal Reynolds, dieser übercoole Hund von Captain, aus dessen Mund die schnoddrigen Oneliner im Maschinengewehrtempo kommen, hat zwar Ansätze von Han Solo und James T. Kirk. Gleichzeitig ist er aber auch ein schüchterner Anti-Frauenheld, ein naiver Cowboy, ein knallharter Killer. Auch die charismatische Besatzung der Serenity glänzt durch Widersprüchlichkeit und Ambivalenz.
Fox
Abschiede, Abstürze, neue Anfänge
Vielleicht ist es genau dieser Verzicht auf eindimensionale Charaktere, der das Raumschiff bei seinem TV-Jungfernflug abstürzen lässt. Die Fädenzieher des Fox-Channels canceln „Firefly“ jedenfalls nach wenigen Episoden, für die glühenden Fans, die sich Browncoats nennen, dreht Whedon aber noch den Kinofilm „Serenity“. Mit dem Bruchteil des Budgets großer Blockbuster schafft er einen Weltraum-Abschied, wie er charmanter nicht sein könnte
Ab Mitte der Nullerjahre scheitert das Multitalent abermals mit einem TV-Projekt („Dollhouse“) und lebt in der Folge seine Vorlieben lieber im Internet aus. Joss Whedon produziert bizarre Webmusicals („Dr. Horrible’s Sing-Along Blog“) und wird auch zum wichtigen Comicautor für Verlage wie Dark Horse oder Marvel.
Von dort führt der Weg aber zurück auf die Leinwand, mitten in den heiligen Marvel-Gral, zu einer 220 Millionen Dollar Produktion. Das Geekidol wird angeheuert, um Captain America, Thor, Hulk und Co. zu dirigieren. Ein Jubelschrei ertönt in der Comickino-Gemeinde, als Whedon als Regisseur für „Marvel’s The Avengers“ feststeht.
Natürlich gehört es zu den Grundgesetzen solcher gigantischer Blockbuster-Maschinerien, es in regelmäßigen Abständen gehörig krachen und donnern zu lassen. Aber monumentale Action schön und gut, es geht um die Charaktere, sagt Joss Whedon auch über seinen Ansatz für „The Avengers“. Der große Genre-Innovator ist einfach ein herrlich altmodischer Geschichtenerzähler, möchte man meinen.
Marvel
Einzelgänger üben sich in Teamplay
Im Horror-Meisterwerk „The Cabin In The Woods“ (Kinostart im Herbst, Österreichpremiere demnächst beim Slashing Europe-Festival) überschreitet Whedon als Drehbuchautor aber alle diesbezüglichen Konventionen. „Das genialste und irrwitzigste Skript des Jahres“, lobhudeln Liebhaber des Blut- und Beuschel-Sektors zu Recht. Ein postmoderner Splatter-Mindfuck, bei dem man sich am besten jegliche Inhaltsangabe spart und die blutige Reise einfach auf sich zukommen lässt.
Die großen aktuellen Fragen: Wie viel von seinem persönlichen Zugang konnte Joss Whedon in eine Megaunternehmung wie „The Avengers“ einbringen und zählt das Allstartreffen der Superhelden zu den Pflichtfilmen des Frühjahrs? – werden demnächst hier ausführlich beantwortet.
Auch in „The Cabin In The Woods“ kämpft übrigens ein großes Ensemble um Überleben, eine Gruppe muss sich bewähren. Whedon forciert nicht nur die sturen Einzelkämpfer wie so viele amerikanische Genrekollegen. Für ihn ist zugleich das Teamplay zentral, die sturschädeligen Individualisten an Bord der Serenity oder auch die egozentrischen Avengers müssen letztlich zusammenarbeiten.
Dahinter und hinter Whedons außerordentlichen Frauenfiguren steht durchaus eine kleine Vision. Die Utopie einer gleichberechtigten, aufgeklärten, demokratischen Welt durchzieht sämtliche künstlerischen und persönlichen Äußerungen des Autors und Filmemachers. Aber gänzlich unverkrampft und humorvoll verpackt. Joss Whedon ist das Gegenteil eines politischen Missionars oder Predigers. Unser Mann in Hollywood will nur ein wenig Herz und Hirn in den Mainstream schmuggeln.
constantin film