Erstellt am: 26. 4. 2012 - 10:52 Uhr
Hundenasen am Touchscreen
Frage: Sollte es mir zu denken geben, dass meine beiden Katzen gerne Eiskunstlauf im Fernsehen schauen?
Brock Davis
Antwort: "Ah! Katzen sind natürlich Räuber. Und für Räuber sind Bewegungen schon sehr, sehr attraktiv."
Univ.-Prof. Ludwig Huber ist Leiter der Abteilung für Vergleichende Kognitionsforschung am Messerli Forschungsinstitut der Uni Wien. Wie denken Tiere, und was nehmen sie wahr im Vergleich zum Menschen, diese Fragen stellt er immer wieder.
Mutzi ist ein Genie
Wann und wie erkennt eine Katze einen Pixelhaufen als "Maus"? Ist Mutzi ein Genie, wenn sie auf dem iPad spielt? Ich zeige Uniprofessor Huber auf meinem Smartphone computerspielende Katzen und Hunde. Am meisten begeistert den Verhaltensforscher das Video vom Frosch, der mit der Zunge "Fang die Ameise" am Smartphone spielt.
"Meine ersten Assoziationen sind die Atrappenversuche der klassischen Ethologie (Verhaltensforschung). Konrad Lorenz hat vor über 80 Jahren erforscht, wie Tiere Entscheidungen treffen. Nicht im Sinne menschlicher Entscheidungen, sondern fixed action patterns, fixe Reaktionsmuster auf bestimmte Reize."
Ceci n'est pas une grenouille
Übrigens: "Das ist gar kein Frosch", sagt Professor Huber mit einem Zehntelsekundenblick, "das ist eine Erdkröte, lateinisch bufo bufo".
Die Erdkröte an sich ist anscheinend ein Star der Verhaltensforschung. Seit Jahrzehnten lässt man sie im Dienste der Gehirnforschung auf waagrechte und senkrechte Papierstreifen starren und reagieren. Kommt ein waagrechter Streifen vorbei, "... dann ist es die sogenannte Wurmkonfiguration. Die Kröte schnappt zu. Stellt man denselben Papierstreifen senkrecht, wird er zum Anti-Wurm / Räuber / Schlangenatrappe. Dann weicht die Erdkröte zurück, anstatt zu schnappen."
Hat 40 Jahre mit Erdkröten verbracht: Neuroethologe Prof. Dr. Jörg-Peter Ewert von der Uni Kassel (nicht im Bild).
Hundchen
Auch Hunde kommen an Professor Hubers Institut zum Zug. Fluffige schwarzweiße Bordercollies, beziehungsweise ihr Denken und ihre Wahrnehmung werden im "Clever Dog Lab" erforscht.
Und zwar mit viel Belohnungshäppchen und Touchscreen, den die Hunde mit Nase oder Pfote antippen. Alltägliche Gegenstände werden gezeigt und von den Hunden zugeordnet. Manchen Hunden gefällt das so gut, dass sie regelrechte Computerfreaks geworden sind.
Strebercollie.
Auf dem Bildschirm
Aber - was genau erkennt der Hund da auf dem Bildschirm?
"Die Beziehung zwischen dem realen Gegenstand und seinem Bild ist eine schwierige. Wir Menschen verstehen, dass ein Bild eine Repräsentation eines Gegenstandes ist, nicht aber der Gegenstand selbst.
Sehen wir das Bild einer Banane, würden wir es nicht nehmen und in den Mund stecken. Es gibt einen interessanten Versuch mit Schimpansen - die nahmen das Papier mit der aufgedruckten Banane, zerknüllten es und steckten es in den Mund. So, als hätten sie das Bild der Banane mit einer echten Banane verwechselt.
Daher ein logischer Schluss: Was ist ein Bild?"
Gute Frage!
pickyeatersolutions.blogspot.com
"Ein Bild gibt den realen Gegenstand verzerrt und reduziert wieder. Ein Bild erkennen bedeutet, dennoch eine Relation zwischem Bild und wahrem Gegenstand herzustellen. Und das ist keine leichte Aufgabe.
Es gibt indirekte Evidenz, dass Hunde in Bildern (und noch mehr in Videos) sehr wohl das erkennen, was abgebildet wird.
Hier wirkt natürlich auch ein Trainingseffekt. Wir dürfen nicht vergessen: Wir Menschen wachsen von Bildern umgeben auf. Schon am ersten Tag, im Krankenhaus, hängt das Bild des Bundespräsidenten an der Wand. Das ist bei Tieren nicht der Fall.
Selbst von bestimmen Urvölkern wissen wir, dass sie Probleme haben, Bilder zu erkennen. In einem berühmten Fall hat ein Forscher einer Frau das Foto ihres Sohnes gezeigt ... sie hat ihn nicht erkannt. Es gibt auch Völker, die ihr eigenes Spiegelbild nicht erkennen."
Hundefernsehen
Ulkige Businessidee vom Kollegen.
"Wir sind, im Gegensatz zu Tieren, einfach gewohnt stundenlang in die Glotze zu schauen. Natürlich gibt es Hunde, vor allem welche, die in Wohnungen gehalten werden, die froh sind, wenn sie ein Fernsehbild sehen. [Und die bleiben auch länger aufmerksam.]
Aber Tiere, die regelmässig im Freien sind, [schauen nicht so gerne fern]. Die haben genug natural enrichment."