Erstellt am: 25. 4. 2012 - 12:30 Uhr
Etwas ist faul im Staate Dänemark
Wenn V. und ich eine Disko besuchen, findet er immer einen strategisch guten Platz. Dort steht er dann in der ruhigsten Pose, die ihr euch vorstellen könnt. Und es findet sich immer ein nettes Mädchen, das seinen traurigen Blick erwidert und ihn fragt, was mit ihm los ist.
V. erzählt ihr dann wie er in einer Plattenbauwohnung in einem bulgarischen Vorstadtviertel aufgewachsen ist und wie er mit einer kalten Straßenbahn zur Schule gefahren ist. "Wenn ich dann endlich nach Hause gekommen war, hat mich mein Vater mit dem Schlauch der Waschmaschine geschlagen", sagt er als krönender Schluss seine Geschichte und schaut seinem Opfer direkt in die Augen. Danach nimmt er das Mädchen in seine Wohnung mit, um ihr seine Narben zu zeigen. Bis zur letzten Woche hat V. anscheinend seine Millionärin noch nicht getroffen. Er hat sich immer Geld von mir geliehen. Und ich habe es als verschwunden abgeschrieben.
Bis zur letzten Woche. Da kam V. zu mir nach Hause und gab mir das Geliehene plötzlich zurück - bis auf den letzten Cent. Ich fragte ihn, ob er jetzt vielleicht doch eine Bank ausgeraubt hatte. Nein, sagte er, er habe endlich den großen Fisch gefangen. Er hat eine Dänin kennengelernt, deren Familie im Besitz vom halben Zentrum von Kopenhagen sei und deren Wurzeln bis zu den Wikingern zurückreichen würden. Ich war neidisch. Ich wollte schon immer eine echte Wikinger-Frau kennenlernen. Ich fragte ihn, wann er mir seine neue Flamme vorstellt. Er verlegte dieses Event in die ungewisse Zukunft. "Aha", dachte ich mir, "jetzt hat er Angst vor der Konkurrenz!"
wuestenigel - flickr.com/30478819@N08
Nach zwei Tagen aber rief mich V. an und lud mich zusammen mit seiner Wikingerin in eine Pizzeria ein. Ich bereitete mich vor und las im Internet alles über Dänemark, Kopenhagen und die dänische Königin. Ich war sehr gespannt, sie kennenzulernen. Und da sie aus einer bedeutenden Familie kommt, zog ich meine neuen Schuhe an. Ich erschien pünktlich. V. kam auch. Er lief unter dem Schatten einer Kreatur, die wohl eher ein Nachkomme der Trolle und nicht der Wikinger war. Ich erstarrte vor Schreck. Danach bestellte ich mir eine kleine Margherita.
Nach einem kurzen Gespräch schlug sich V. plötzlich auf die Stirn. Er hätte vergessen das Bügeleisen zu Hause auszuschalten. Danach floh er aus der Pizzeria. Das erschien mir komisch. Erstens, weil er mich mit seiner Eroberung alleine gelassen hat, und zweitens, weil ich ihn nie bügeln gesehen habe.
In der nächsten Stunde erzählte ich alles, was ich über Dänemark wusste. V. kam nicht zurück. Wir sollten zahlen. In diesem Moment fing die Wikingerin zu weinen an. Sie erzählte mir, sie komme gar nicht aus einer wichtigen Wikingerfamilie. Ihre Eltern wären religiöse Fanatiker und Abtreibungs-Gegner. Sie habe acht Geschwister, die alle auf Hochbetten schliefen. Ich stellte sie mir vor, wie sie mit ihrer gigantischen Große auf dem zweiten Bettstock hochklettert. "Wie hast du denn die Schulden von V. bezahlt?", fragte ich. Sie habe sich Geld geliehen. Danach weinte sie pausenlos. Sie wollte V. so sehr beeindrucken. Ich seufzte. "Keine Sorge, ich gebe es dir zurück."
Waehrend ich nach Hause ging, dachte ich mir: "Armer ich , arme Wikingerin. Und V., du blöder Schwanz, in Zukunft solltest du besser versuchen, durch Diebstahl reich zu werden."