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Paul Pant

Politik und Wirtschaft

23. 4. 2012 - 15:35

Economy Death Match: Unbezahlter Krankenstand

Ist kein Lohn für den ersten Krankenstandstag eine geeignete Methode, die Anzahl der Krankenstände zu senken oder einfach nur Sozialabbau zur schnellen Gewinnmaximierung?

Seit mehr als die Hälfte der täglichen Nachrichten aus Wirtschafts-Zeug bestehen, muss man sich mit derlei zwangsläufig beschäftigen. Und neben vielen fremden Begriffen gibt es noch ein Problem: Fragt man fünf Fachleute, bekommt man mindestens zehn Antworten. "Gibt es so etwas wie „die Wahrheit“ in Wirtschaftsfragen?", fragen sich Paul Pant und Robert Zikmund daher in „Economy Death Match“.

Kein Gehalt für den ersten Tag im Krankenstand. Diese Forderung kommt vom Österreichischen Wirtschaftsbund von der ÖVP. Der Grund: die Kurzzeit-Krankenstände nehmen zu. Und die Unternehmer klagen über hohe Kosten. Dagegen stehen naturgemäß die Arbeitnehmervertretungen: Sie führen ins Feld, dass die tatsächlich längeren Krankenstände weniger werden und viele Arbeitnehmer durch den steigenden Druck am Arbeitsmarkt immer öfter auch krank zur Arbeit gehen. Auch der ÖAAB, der Arbeitnehmerbund der ÖVP, lehnt den Vorstoß ihrer Parteifreunde vom Wirtschaftsbund ab. Stattdessen möchte man bei den schwarzen Arbeitnehmern im Verdachtsfall strengere Kontrollen durch die Sozialversicherung. Die Fronten sind also verhärtet und gehen mitten durch die kleinere Regierungspartei. Doch wer muss nun tatsächlich geschützt werden? Die unzähligen Kleinunternehmen, die angeben, unter ihren Lohn- und Lohnnebenkosten erdrückt zu werden - oder doch die Millionen Arbeitnehmer_innen, für die eine Nichtbezahlung des ersten Krankenstandstages de facto eine Lohnkürzung bedeutet? Robert Zikmund und ich schlüpfen in die Rollen der Streitenden und legen Zahnschutz und Suspensorium an:

Pro: Das aktuelle System können wir uns nicht mehr leisten

Die Zahlen sind durchaus alarmierend: In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Kurzkrankenstände verdoppelt. Die Kosten zahlen, wie so oft in Österreich, die Unternehmer. Laut dem Wirtschaftsbund sei dabei auffällig, dass besonders der Montag die Arbeitnehmerinnen krank werden lässt. Die Aussicht auf ein verlängertes Wochenende anscheinend richtige Epidemien auslöst. Da muss man gegensteuern und für mehr Kosten-Bewusstsein sorgen. Irgendwo muss der All-Inklusive Wohlfühlstaat auch Grenzen haben. Wenn es also für den ersten Krankenstandstag kein Gehalt mehr gibt, wird sich das Phänomen der spontanen Montags-Grippe wohl aufhören.

Im Prinzip ist doch das derzeitige System ein Vollkaskosystem, das wir uns einfach nicht mehr leisten können. Es lädt geradezu zum Missbrauch ein. Dadurch geht täglich sehr viel Geld verloren, das man viel besser in die Gesundheitsvorsorge investieren könnte, wie der Wirtschaftsbund sagt. Davon würden die Arbeitnehmer_innen nämlich auch profitieren. So könnte man zwei Fliegen mit einem Schlag erwischen: Die Mitarbeiter_innen bleiben länger gesund und leistungsfähig, und die Unternehmen werden wettbewerbsfähiger.

Denn in der Tat ist es ja leider so, dass die Belastungen für die Unternehmen in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen sind. Beispiele gefällig: Papa-Monat, der Großteil des Kindergeldes und der Pflegeurlaub soll ebenfalls ausgedehnt werden. Die Sozialisten schwadronieren ja sogar bereits davon, die Arbeitszeit zu verkürzen, etwa in Frankreich. Was sie allerdings nie mitbedenken ist die Frage: Wer soll das bezahlen?

Über 60 Prozent der sozialen Beiträge werden jetzt schon jetzt von den Betrieben bezahlt. Das Geld fehlt für Investitionen. So werden keine Arbeitsplätze geschaffen und Investoren abgeschreckt, eine direkte Fahrkarte in die hohe Arbeitslosigkeit - wer soll denn Arbeitsplätze schaffen, ein korrupter Staat? Auch die Arbeitnehmerseite muss also endlich einen Beitrag leisten und Verantwortung für sich selber übernehmen, sich also zur wirtschaftlichen Vernunft bekennen. Da muss man einmal Stopp sagen.

Contra: Das bedeutet nichts anderes als Lohnkürzungen

Bei all der Polemik in dieser Diskussion muss man aber jetzt schon die Gesamtzahlen betrachten: es gibt zwar tatsächlich doppelt so viele Kurzkrankenstände wie vor 20 Jahren, gleichzeitig sind aber die längeren Krankenstände zurückgegangen. Im Schnitt sind die Menschen nur noch rund 13 Tage pro Jahr im Krankenstand. Vor 20 Jahren waren es noch rund 15 Tage, also 2 Tage mehr.

Und das ist ein Ausdruck dafür, dass der Druck und die Arbeitsbelastung steigen. Man schleppt sich auch krank in die Arbeit, beziehungsweise man geht nur mehr sehr kurz in den Krankenstand und kuriert sich nicht voll aus. Damit verschleppt man Krankheiten oder steckt seine Kollegen an. Das fördert weder die Gesundheit der Mitarbeiter noch das Betriebsergebnis des Unternehmens.

Zu den so genannten Montags-Tachinierern noch eines: Wie soll jemand zu Unrecht am Montag blau machen, wenn das Unternehmen rein arbeitsrechtlich für jeden Krankenstandstag eine ärztliche Bestätigung verlangen kann? Das ist nämlich so in Österreich. Möglicherweise sind einige Ärzte zu schnell beim krankschreiben, aber das ist keinesfalls das Problem oder die Schuld der Arbeitnehmer_innen.

Soziale Beiträge werden auch nicht von den Arbeitgebern gönnerhaft bezahlt, sondern sie werden von den Arbeitnehmern mit ihrer Arbeit erwirtschaftet. Sie sind demnach noch immer Teil des Lohns und keine sozialen Almosen, die ein gütiger Herr seinen Sklaven angedeihen lässt! Und dieser "selber für die Zukunft vorsorgen" und "Selbstverantwortungs-Schmäh" ist ja eine klassische neoliberale Argumentationslinie. Der Vorschlag somit bedeutet nichts anderes als eine Lohnkürzung für die Arbeitnehmer.

Lohnkürzungen führen nur zur weiteren Wettbewerbsverschärfung, andere Länder müssen dann nachziehen. Das bedeutet: Sozialabbau. Und zwar in einer globalen Nach-Unten-Spirale. Das zu verhindern, sollte unsere Verantwortung - und auch die der Unternehmer - sein. Und nicht die Gewinnmaximierung auf Kosten der Menschen, die Auswüchse der Shareholder Value Doktrin zerstören bereits Ökologie und sozialen Frieden, sollen wir auch noch unsere Gesundheit der Kapitalrendite der Fortune 500 opfern? Was ist wichtiger: Geld oder die Gesundheit?

Economy Death Match: Unbezahlter Krankenstand

Robert Zikmund und ich schlüpfen in die Rollen der Streitenden und legen Zahnschutz und Suspensorium an

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