Erstellt am: 19. 4. 2012 - 15:19 Uhr
Something For The Weekend
Donnerstag
Das Wochenende begrüßt uns mit warmem Wind – in Gestalt zweier verpflichtender Pflichtveranstaltungen, die, fast schon könnte man sagen: Pflicht sind. Einerseits das Konzert von Mouse on Mars im Flex. Das geografisch wie soundtechnisch an der Achse Köln/Düsseldorf beheimatete Duo ist ohne Frage – selbst wenn in den Nuller-Jahren schon ein wenig die Luft draußen zu sein schien – einer der wichtigsten Acts der letzten zwanzig Jahre. Im Bereich, den man eventuell „Elektronica“ oder doof IDM (Intelligent Dance Music) nennen mag, spielt hinsichtlich Innovationsgehalt, coolem Wissen, Legenden-Charakter und Strahlkraft kaum jemand so weit oben mit wie Mouse on Mars: Autechre, Aphex Twin, Mouse on Mars – viel kommt dann nicht mehr an der Spitze.
Gerade erst haben Mouse on Mars mit „Parastrophics“ ihr schon zehntes Studio-Album veröffentlicht – es ist ihre beste Platte seit mindestens zehn Jahren geworden. Erschienen ist „Parastrophics“ bei Monkeytown Records, dem gerade gut im Saft des Hypes stehenden Label der Radaubrüder von Modeselektor. Zunächst mag diese Kombination aus den meist eher kühl-intellektuell agierenden Mouse on Mars und den bass-heavy immer und unbedingten Partystartern aus Berlin seltsam anmuten, tatsächlich aber soll man nicht vergessen, dass die Musik von Mouse on Mars immer schon ordentlich mit Humor und Schabernack beladen war – und stets, wenn auch die Gliedmaßen timing- und koordinationstechnisch vielleicht überfordernd, auch tanzbar. Für „Parastrophics“ haben Andi Toma und Jan Werner wieder drei komplette Füllhörner an Ideen über den Schaltkreisen ausgekippt. Die Beats purzeln und torkeln hier durch die Gegend, wie gehabt fließen Dub und Krauteinflüsse aufregend ineinander, merkwürdige Stimm-Modulationen treten aus dem Mix hervor, alles fiept, zischt und brummt – und dann singt uns noch ein Sound, der eine Lapsteel-Guitar entsprungen scheint, ein Lied aus Hawaii. Schon lange nicht mehr klangen Mouse on Mars so frisch und im Wortsinne auf- und erregend. Komplett überfrachtet ist das alles, dabei stets konzentriert und akribisch organisiert. Dies ist maximale Musik.

Mous On Mars
Zum Glück ist aber auch noch das gesamte Wochenende Sound:Frame Festival. Heute, Donnerstag, gastiert beim „Festival for Audiovisual Expressions“ der Boiler Room aus London – und zwar im MAK. Der Boiler Room ist eine zu Recht beinahe schon lächerlich beliebte Partyreihe, die vor allem auf der Idee fußt, dass die Sets der jeweils auftretenden Gäste in Bild und Ton live ins Netz gestreamt werden – man sich als Zuschauer also quasi von überall auf der Welt ein bisschen vorstellen darf, irgendwie dabei gewesen zu sein, als der Hut hochging. Natürlich trägt das allwöchentlich gebotene exquisite Programm zum Erfolg des Boiler Room bei: So gut wie alle jungen englischen Produzenten aus der Poststep/Bass-Ecke geben sich da die Plattennadel in die Hand, ebenso immer wieder internationale Top-Player wie z.B. Diplo oder, kürzlich erst, LCD-Kollege James Murphy.
Für die Party beim Sound:Frame im MAK, natürlich komplett mit Live-Übertragung, gibt’s ein österreichisches Programm mit u.a. Zanshin, Sixtus Preiss, Cid Rim + The Clonius. Die ganze Sause beginnt – wie für den Boiler Room üblich – recht früh, nämlich um 19 Uhr, der Eintritt ist frei. Wer also morgen nicht als Internet-Meme blöd dastehen möchte, soll sich das Hemd bügeln und den Bier-Trink-Helm heute ausnahmsweise zuhause lassen.
Noch ein kleiner Sound-Frame-Hinweis in dezent eigener Sache: Jeweils am Freitag und Samstag werden von 16 bis 22 Uhr Menschen aus der FM4-Redaktion das Hotel am Brillantengrund, das als Festival-Zentrale fungiert, mit Tonträgern beschallen. Man kann da gut chillen und sich after-work-mäßig eingrooven.

Fantastic Mr. Fox
Freitag
Am Freitag besetzt das Sound:Frame Fluc und Fluc Wanne und hat für diesen Tag vornehmlich junge englische Beatschnitzer eingeladen. Exemplarisch erwähnt sei hier vor allem Fantastic Mr. Fox, der seinem Namen schon einmal ziemlich gut gerecht wird. Der recht scheue und nahezu außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung agierende Produzent hat Veröffentlichungen für solch gute Labels wie Hemlock und Black Acre in der Vita stehen, ist also auch im klickernden und rasselnden Post-Step zuhause, seine Ausrichtung ist dabei eher die quirrlige und popaffine. Ein bisschen darf man sich Fantastic Mr. Fox in der Nachbarschaft von SBTRKT vorstellen, dem er auch remixtechnisch verbunden ist. Gerade erst, quasi - jetzt in diesem Moment - sind zwei neue Stücke von Fantastic Mr. Fox erschienen: "Yesterday's Fall" und "Sanen" - man kann und soll sie finden.
Außerdem sehr, sehr gut: Der schwedische Produzent Axel Boman in der Pratersauna. Der Mann betreibt mit Studio Barnhus sein eigenes Label und ist wohl vor allem für den ewigen Hit "Purple Drank" für Kozes Label Pampa Records bekannt. Er weiß, wie man House gleichzeitig mit Tiefgang und mit Witz gestaltet. Axel Boman, I woke up with your name on my lips.

Nina Kraviz
Nina Kraviz, Axel Boman und Fantastic Mister Fox sind am Freitag zu Gast in FM4 La Boum de Luxe.
Eines der bislang besten Alben des Jahres aus der Abteilung „Gerade noch Club Zusammenhang“ kommt von Nina Kraviz. Die russische Produzentin, Song-Bastlerin und Plattendreherin wird am Freitag im Grazer Niesenberger hinterm Pult stehen. Nina Kraviz hat ihr vor kurzem veröffentlichtes Debüt-Album „Nina Kraviz“ genannt und macht sogleich im Titel wenig bescheiden deutlich, dass hier ein Statement in die Welt kommt, und dass wir es hier mit einer neuen, starken Künstlerinnenpersönlichkeit zu tun haben, einer neuen Stimme. Die Stimme von Kraviz steht dann auch im Vordergrund dieser wunderbaren, beim von Radio Slave Matt Edwards betriebenen Label Rekids erschienen Album: Skizzenhafte Gesangs-Linien, ein stetiges Summen und Hauchen schweben da über der reduziert pluckernden Bassdrum.
Zum Tanzen ist das alles nur wenig geeignet; Stücke, die meist weder Track noch Song sind, stets im Auseinanderfallen begriffen, durchziehen dieses Album, das wie ein roter Nebel kaum zu fassen ist. Schweiß, Deepness, Sex, House, Love. Man soll sich das Album „Nina Kraviz“ anhören und sich am Freitag dann zum DJ-Set der Frau dahinter bewegen: Wenn nämlich Nina Kraviz Platten auflegt, dient die ganze Angelegenheit in der Natur der Sache liegend dann eben schon primär dem Aufruhr auf dem Dancefloor, ist meistens dennoch subtil und filigran gearbeitet und lässt Raum für Soundforschung.

Jon Convex
Samstag
Zum letzten Mal Sound:Frame in Fluc und Fluc Wanne. Heute u.a. mit dem richtig guten Produzenten Jacob Korn, der bei Top-Labels wie Running Back, Uncanny Valley oder Permanent Vacation immer wieder ein vorrübergehendes Zuhause gefunden hat oder John Talabot. Der spanische Produzent hat heuer mit seinem Debüt-Album "Fin" eine der Konsens-Platten des Jahres vorgelegt. Zurecht: Disco, House und Pop verwaschen bei Talabot zum lebensspendenden Elixier.
Im Cafe Leopold ist der Berliner Alle Farben am Werk. Auf seiner Soundcloud gibt's massiv viele und gute DJ-Sets des jungen Herren zu entdecken.
Die Veranstaltungs-Reihe "Die Zwei" lässt für ihre Party in der Pratersauna Shameboy aus Belgien und Jon Convex aus England einfliegen. Hinter der Alias Jon Convex steckt der Produzent Damon Kirkham, der für gewöhnlich im Duo Instra: mental mit Herrn Boddika experimentellen Drum'n'Bass zimmert, solo jetzt aber vornehmlich rauhem, stark electrofiziertem Techno und House zugetan ist. Es wird ein an optischen und akustischen Sensationen reiches Wochenende gewesen sein. Am Sonntag wollen wir die Nerven beruhigen und die Reizüberflutung auskurieren.