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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

22. 4. 2012 - 09:00

Warm-Up für den Weltuntergang

Gut kann besser sein, aber was ist besser als fabelhaft? Versuch eines Leitfadens durch das erste Donaufestival-Wochenende: Vertreibung ins Paradies

Fabelhaft, ein gutes Wort, besser zum Beispiel als super. Es hat mit Geschichten und mit Fantasie zu tun und es drückt eine geradezu unbändige Euphorie aus. Na, wie geht’s? Fabelhaft! Gibt es eine bessere Antwort? Wie ist das Donaufestival-Programm dieses Jahr? Genau.

Ungewöhnliche Hochzeiten

CocoRosie Poster Tanzstück Nightshift

Jean Marc Ruellan

Das erste Wochenende steht, man hat davon gehört, ganz im Zeichen der Artists in Residence CocoRosie. In deren Paradiesgarten voller Geschichten hat uns Herr Pfister dankenswerterweise bereits eine ausführliche Einführung gegeben. Popera, Tanzperformance, Ausstellung, Konzert-Fantasie, Stummfilm-Vertonungen, hat irgendjemand noch an dem Gesamtkunstwerk der beiden Casady-Schwestern gezweifelt?

Eine Handvoll Konzerte haben die beiden ja auch kuratiert, und sie wären nicht CocoRosie, wenn nicht auch hier ein Kunstgriff versteckt wäre. Bei den „ungewöhnlichen Hochzeiten“ finden sich Performer-Paare jenseits aller Genre- und Gendergrenzen: Avantgarde-Königin Laurie Anderson und die Synth-Postpopper Light Asylum, Postrock-Minimalist Rhys Chatham und Björk-Produzent Valgeir Sigurdsson, die scheinbar konträre und umso spannendere Kombination aus Queer-Hip-Hop-Bouncer Sissy Nobby und Engelsstimme Antony Hegarty und so weiter.

Interessant fürs zweite Wochenende: Dolce After Ghana sucht Mitwirkende. The end of feminism as we know it? Qualifikation am 21.4. im WUK.

Und dann noch: Die niederländische Radio-DJ Marcelle begeht einen ihrer waghalsigen Turntablist-Sessions durch aller Herren Genres (Sa, ab 16.30, Forum Frohner), der amerikanische Lo-Fi-Popper Ariel Pink nimmt seine Haunted Graffiti mit auf psychedelische Pop-Reise (So, Mitternacht, Halle 1), die Electropopper Chairlift vereinen sich mit der New Yorker Keyboarderin Olga Bell zur gemeinsamen Aerobic-Tanzstunde (So, 22.00). Das ganz große Rauschen inszeniert in gewohnt subtiler Massigkeit Herr Oneohtrix Point Never (So, 23.15), es loopt und echoet sich Bradford Cox alias Atlas Sound durch Freakfolk-Wälder (So, 20.00).

Chairlift

Chairlift Promo

Chairlift. Sie tanzen gern.

Entdeckungstouren

John Bock

Jan Windszus

John Bock

Und was man, also zum Beispiel beim Tippen dieser Zeilen, noch nicht kennt, das darf man dort entdecken. Off Love verspricht vocoderschwangere Electronica-Balladen (Mo, 21.00), der deutsche Installationskünstler John Bock nimmt die Kunsthalle Krems in Beschlag.

Man kann sich den neuen Sigur Rós-Konzertfilm Inní anschauen, wenn man ihn bei der Poolinale nicht gesehen hat und danach über musikalische und filmische Utopien (Paradiese!) mitdiskutieren (So, 13.00) oder sich von den Donaufestival-Veteranen God´s Entertainment die Touristenmagnete der Welt (die Berliner Mauer! Jim Morissons Grab!) nach Krems verlegen lassen und so zur Minimierung des CO2-Ausstoßes beitragen (täglich, 16.45).

Wir sind natürlich mit einer Handvoll Aufnahmemikros und Laptops vor Ort und werden versuchen, so viel wie möglich aus dem flirrenden Donaufestival-Paradies einzufangen. Wenn die Welt schon untergeht, dann lassen wir uns wenigstens von der Kunst zurück ins Paradies vertreiben. Besser als super. Sachlich bleiben können die anderen.