Erstellt am: 16. 4. 2012 - 16:28 Uhr
Online-Sprechstunde
Krankheitsbilder googeln, Symptome raten, Krankheiten einbilden. Für manche Menschen sind das fast schon Freizeithobbies und die niedergelassenen ÄrztInnen raufen sich die Haare ob der ganzen mündigen PatientInnen, die bei der Behandlung mitreden möchten.
Seit heute findet man im Internet nicht nur Informationen über Krankheiten, sondern man kann sogar online einen Arzt besuchen und sich (legal) Medikamente verschreiben lassen. Ganz ohne das Haus zu verlassen! DrEd heißt die virtuelle Arztpraxis.
"Mehr Zeit"
"Dr Ed, mehr Zeit für ihre Gesundheit" so begrüßt mich die blau-grün gehaltene Homepage des Internet Arztes, der seit heute auch seine Dienste für Österreich anbietet. Das "mehr Zeit" bezieht sich aber wohl kaum auf die Zeit, die der Online-Arzt für die Konsultation aufwendet, sondern auf die Zeit, die ich mit seinem Angebot spare: keine Anreise, keine Parkplatzsuche, kein Wartezimmer. Anfragen werden auf DrEd angeblich werktags innerhalb von zwei bis drei Stunden, am Wochenende innerhalb von 24 Stunden bearbeitet. So schnell, so einfach, sagt die Homepage.
DrEd.com
Ich kann mich zu Sprechstunden aus den Bereichen Männergesundheit, Frauengesundheit, Sexualgesundheit, Innere Medizin, Reisemedizin und Allgemeinmedizin anmelden. Das erscheint erst einmal als breites medizinisches Spektrum, bei genauerer Einsicht zeigt sich: Es geht nicht um alle Krankheiten in diesen Bereichen, sondern um einzelne, wie Erektionsstörungen oder Blasenentzündung und um die Bestückung der Reiseapotheke. Auch verschiedene Geschlechtskrankheiten werden behandelt. Außerdem kann ich mir Rezepte für Medikamente holen, die ich ohnehin schon seit längerem einnehme und gut vertragen habe, wie zum Beispiel die Pille oder blutdrucksenkende Mittel.
Die so genannte „Sprechstunde“ besteht offensichtlich darin, einen Fragebogen auszufüllen. Bei manchen Geschlechtskrankheiten muss man ein Testergebns oder ein (selbst geschossenes) Foto beilegen. Auf Basis dieser Informationen kann DrEd dann Rezepte ausstellen, die per Post zugestellt werden.
Die Österreichische Ärztekammer ist dagegen
Die Ärzte von DrEd bieten also vor allem Hilfe zu medizinischen Bereichen an, wo nach ihren Angaben nicht unbedingt körperlich untersucht werden muss und relativ standardisiert Medikamente verschrieben werden können. Die Ärztekammer warnt allerdings davor, sich von den Online-Ärzten beraten zu lassen. Ein Fragebogen könne eine Untersuchung beim Arzt nicht ersetzen. Außerdem, sagt Walter Dorner, Präsident der Österreichischen Ärztekammer: "Vieles, was der Patient, die Patientin in einem Gespräch dem Arzt darlegt, würde ich persönlich nicht in einen Fragebogen schreiben, der nach London geht. Wo ich gar nicht weiß, wie es dort mit dem Datenschutz ausschaut, wie es mit der Sicherheit ausschaut und mit dem Schutz der Patientendaten."
Denn die drei deutschen Ärzte, die DrEd betreiben haben sich mit ihrer Seite in London niedergelassen, um die strengeren Bestimmungen in z.B. Deutschland oder Österreich zu umgehen. Für Walter Dorner, Präsident der Österreichischen Ärztekammer umso mehr ein Grund, dem Internetangebot nicht zu vertrauen: "Also ich persönlich würde mir von dort nichts raten lassen."
Zentralbild/Patrick Pleul
Unangenehme Nischen
Der ärztliche Leiter der Seite, Dr. Jasper Mordhorst, gibt im Kurier unumwunden zu, dass der größte Teil, nämlich ein Drittel der Anfragen bei DrEd Erektionsstörungen betreffen, gefolgt von Geschlechtskrankheiten.
"Sie sehen, die haben sich Nischen ausgesucht, wo viele Leute glauben, dass sie mit ihrem Arzt gar nicht darüber reden können", ärgert sich Walter Dorner. Er geht davon aus, dass rein wirtschaftliche Interessen hinter dem Online-Arztpraxis stecken. "Ich glaube da geht es um die Dividenden und um den Cash-Flow."
Tatsächlich scheint es so, als würde DrEd vor allem die Leute abfangen, die zuvor dem Viagra-Spam blind vertraut haben. Aber vielleicht auch den einen oder die andere, der oder die sich regelmäßig ärgert, für ein wortkarges Gespräch mit Arzt/Ärztin einen Urlaubstag nehmen zu müssen, ohne sich danach mehr beraten zu fühlen, als von Dr. Google oder jetzt eben auch DrEd. Denn in Sachen Service und der vielzitierten ÄrztInnen-PatientInnen-Beziehung gäbe es wohl auch bei manchen Real-Life-ÄrztInnen noch einiges nachzuholen.
Würdest du zum Internetarzt gehen?
Die von mir am Vormittag befragten PassantInnen auf der Wiener Kärntnerstraße würden sich nicht im Internet Beratung holen:
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Und, würdest du dem Internetarzt vertrauen?