Erstellt am: 13. 4. 2012 - 18:09 Uhr
In Ewigkeit, E-Mail
Am 30. April 2012 wird ein weiterer Dienst eingestellt, von dem sich die IT-Welt erhofft hatte, dass er das E-Mail-Protokoll ablösen würde. Doch auch "Google Wave" hat trotz interessanter Funktionen und neuer Ideen dem grundlegendsten Kommunikationsdienst im Internet nichts anhaben können. E-Mail ist unter anderem deshalb so ein beständiges Kommunikationsmittel, weil es universell ist und nicht abhängig von bestimmten Betreibern oder geschützten Technologien. Vor rund vierzig Jahren wurde der Dienst für das ARPANET, dem Vorgänger des Internet, erfunden. Im deutschsprachigen Raum ist das erste E-Mail im Jahr 1984 empfangen worden.
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"Wenn sich einmal etwas bewährt hat, dann bleibt es auch über sehr lange Zeiträume hinweg bestehen. Außer es kommt eine Technologie, die das viel besser kann. Doch die Frage ist: Was funktioniert besser als Briefe, egal, ob ich sie auf Papier schreibe oder in ein Kommunikationssystem hinein füttere, das wir als E-Mail kennen?"
, sagt Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell, bezugnehmend auf das Rieplsche Gesetz, im Gespräch mit FM4.
Die größte Stärke des E-Mails ist seine archaische Architektur. In der sich ständig ändernden Welt der digitalen Innovationen, Erneuerungen und Verbesserungen sind Dienste und Protokolle wertvoll, auf die man sich verlassen und denen sich kein Internet Service Provider verschließen kann.
"Ich schreib's mir lieber auf einen Zettel"
Digitalskeptiker/innen liefern oft das Argument der Vergänglichkeit und Unzuverlässigkeit von computerbetriebenen Kommunikationsmitteln, wenn es um das Aufzeichnen und Speichern von Daten geht - mit dem Nachsatz, dass es immer sicherer sei, etwas einfach auf ein Stück Papier zu schreiben oder auszudrucken. Selbst besonders technikaffine Menschen müssen eingestehen, dass diese Einstellung nichts mit Ewiggestrigkeit oder Unverständnis gegenüber der vernetzten Welt zu tun haben muss. Der Dschungel an unterschiedlichen digitalen Diensten, Protokollen, Programmen und Schnittstellen verwirrt oft nicht nur Laien und macht es schwer, ein Medium zu finden, dem man nachhaltig vertraut und wo man sicher sein kann, dass es zwei Jahrzehnte später noch in der selben Weise nutzbar sein wird wie heute.
Auch das E-Mail und alles was es (technisch) umgibt, hat eine Transformation durchgemacht. Die grundlegenden Bestandteile (Betreff, Body, Adresszeilen, usw.) bleiben zwar immer gleich, doch die Werkzeuge, mit denen wir E-Mails empfangen und versenden, haben sich verändert. Wurde noch vor wenigen Jahren alles am lokalen Computer via installierter Software (sogenannten Mail-Clients wie "Outlook", "Thunderbird" oder "The Bat") abgewickelt, hat sich der digitale Postweg heute in vielen Fällen auf Webmail erweitert. Diese Verschiebung hat genügt, um jede Menge Kompatibilitätsprobleme zu verursachen, die die Aufbewahrung und Archivierung von E-Mails erheblich erschweren. Wo man Papierbriefe in unterschiedlichen Formen und Größen alle in einer Box sammeln kann, ist das Exportieren von E-Mails aus einem mittlerweile exotischen Mail-Client aus den 1990er Jahren wesentlich komplizierter.
Mail-Knigge
Fritz Hausjell
Seit gut zehn Jahren ist das E-Mail auch offizieller Bestandteil der Jobwelt. Wortwahl, Stilistik und Interpunktion machen den Unterschied aus, ob man eine seriöse Bewerbung abschickt oder einem Freund schreibt, was es bei einem selbst gerade so neues gibt. Diese hohe Kommunikationsbandbreite war nicht immer selbstverständlich, zumal E-Mail anfangs ja als ebenso neumodisch empfunden wurde wie etwa ein Messenger- oder Videochat-Programm, das heute frisch veröffentlicht wird. Was die informelle Kommunikation angeht, verzichten zwar immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene zugunsten von Social-Media-Diensten auf E-Mail, wissen aber, so Fritz Hausjell, dass eine völlige Verweigerung quasi unmöglich ist.
"Der zentrale Punkt ist, wie stark die Durchsetzung der Technologie bei den jeweiligen Gruppen ist, in denen ich mich bewege. Es kann schon sein, dass ich innerhalb einer Peer Group völlig auf E-Mails verzichte. Aber wenn ich mich auf eine andere Ebene begebe, weiß ich, dass ich dort wieder per E-Mail kommunizieren muss und das dann auch ganz selbstverständlich tue."
Effizientes Zusammenarbeiten?
E-Mail als standardisierte Kommunikationsform im Berufsleben hat natürlich nicht nur Vorteile. 200 bis 300 neue Mails pro Tag sind in vielen Jobs nicht unüblich, und auch wenn es weniger sind, beansprucht das Durcharbeiten, Lesen und Bearbeiten von E-Mails viel Zeit. Wie hier die Effizienz gesteigert werden kann, liegt letztlich immer bei einem selbst und in welcher Form man seine elektronische Post verwaltet.
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Immer wieder werden Versuche gestartet, wie man (geschriebene) Kommunikation übers Netz zielführender und schneller abwickeln könnte. Das ist einerseits eine PR-Strategie, macht aber auch klar, dass sich die vierzig Jahre alte Architektur des E-Mails nicht mehr perfekt in unseren gegenwärtigen Alltag einfügt. Doch die "Abschaffung der E-Mail durchsetzen", wie es Anfang April wieder mal ein IT-Service-Anbieter kühn verkündet hat, ist keine technische, sondern vor allem eine soziale und gesellschaftliche Herausforderung, die wohl nur mit viel Geduld zu meistern sein wird.
Nur wenige sind heute noch von der Attraktivität des Emails überzeugt und sehen im @-Zeichen ein Symbol für Zukunft und Modernität. Doch von den häufig mit proprietären und intransparenten Technologien ausgestatteten Social-Media-, Messenger- und Chat-Diensten will auch niemand erlöst werden. So wird uns das E-Mail bestimmt auch noch die nächsten zehn Jahre treu begleiten.