Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Juliette und Roméo und Adam"

Pia Reiser

Filmflimmern

14. 4. 2012 - 01:32

Juliette und Roméo und Adam

Kriegs- und Liebeserklärung vereint zu einem herausragenden Film, der einen durchbeutelt. Gewinn Tickets für die FM4 Kinopremiere von "Das Leben gehört uns".

Lasst euch vom deutschen Titel nicht täuschen. Wo im französischen Original "La guerre est déclarée" der Krieg erklärt wird, gibt man sich im deutschen "Das Leben gehört uns" ein bisschen sanftmütiger und raubt dem Film damit aber im Titel das, was ihn unter anderem so auszeichnet. Kampfgeist. Inhaltlich und stilistisch. Das lärmende Pochen eines MRT geht über in einen Beat, der in einem kleinen Club wummert. Zwei Blicke und eine zielsicher geworfene Nuss des jungen Mannes, die von der jungen Frau mit dem Mund gefangen wird, später, schmusen Roméo und Juliette und fragen sich angesichts ihrer Namen, ob ihnen wohl großes Drama bevorsteht. Und hochkulturreferenziell geht es weiter. Nachdem sie vor Gustave Courbets Gemälde "Der Ursprung der Welt" stehen und auf den 1866 gemalten nackten Unterkörper, zwischen die gespreizten Schenkel einer Frau starren, kommt auch schon ihr Sohn auf die Welt. Der heißt Adam, wie denn sonst.

junger mann und junge Frau in einer Achterbahn, Szenenbild aus "Kriegserklärung"

viennale

Mit der Geschichte von Juliette, Roméo und Adam erzählt Regisseurin und Hauptdarstellerin Valérie Donzelli ihre eigene und geht dabei weiter als es FilmemacherInnen üblicherweise bei autobiografischen Stoffen tun. Donzelli und Roméo-Darsteller Jérémie Elkaïm haben das Drehbuch nicht nur gemeinsam geschrieben, sie spielen auch Varianten ihrer selbst. Juliette, Roméo und Adam, das sind Valérie, Jérémie und Gabriel, der Sohn der beiden, bei dem im Alter von zwei Jahren ein Gehirntumor entdeckt wird. Diesem Tumor, dieser Krankheit, dieser Krake namens Krebs erklären die beiden den Krieg. Und mit ihrem Film auch den üblichen stilistischen und erzählerischen Gepflogenheiten anderer Melodramen, deren Katalysator eine Krankheit ist.

In diesem Film schlägt ein wildes Herz. Wo sonst hinter Tränenschleier "Carpe Diem" beschworen wird oder Krankheit als Läuterungs-Krücke verwendet wird, geht hier zwar auch nie der Blick für das Schöne verloren, für das Leben abseits von Krankenhausflur und Ordination, doch findet Donzelli neue Bilder dafür. Und nicht nur dafür sondern auch für Kampfgeist, Wut, Resignation und Liebe. Denn "La guerre est déclarée" ist eine Liebesgeschichte, die von Juliette und Roméo, die von der Liebe der Eltern zu ihrem Sohn und auch die Liebe ihrer Familien, die immer wieder als Auffangnetz fungieren. Wo andere uns einen affirmativen Dialog in die Ohren stopfen würden, dass man das schon schaffen werde, gibt uns dieser Film eine Montage, der zeigt, wie sich Juliette und Romeo takten, synchronisieren, wie sie einen eingespielten Rhythmus entwickeln.

junges paar bei einem schießstand auf einem jahrmarkt, szenenbild aus "la guerre est declaree"

viennale

In jeder Sekunde meidet Donzelli die Formel, die Konvention, die thematisch ähnlichen Filmen anhaftet.
Reiner, funktionaler Realismus interessiert sie sowieso nicht, sie variiert Erzähltonalitäten, lässt inmitten in den Schreck der ersten Diagnose eine Gesangsnummer reinwachsen und reinwuchern, eine, in der Juliette und Roméo das Wunderbare des Anderen besingen, unironisch, grandios, herzzerreißend. Überhaupt, der Soundtrack. Donzelli platziert Yeye, Klassik und Electro in ihren Film und jeder Ton sitzt. Was ein beliebiger Fleckerlteppich hätte sein können, ist eine exzellente Selektion, Soundtrack als fest zementierter Unterbau eines grandiosen Films. "La guerre est déclarée" drückt niemals auf die Tränendrüse, sondern boxt einem in den Bauch. Lässt Platz für Pop inmitten von Krankenhausroutine und Sorgen. Und schafft mit dem jungen Paar, das sich von heute auf morgen dem Kampf gegen Adams Krankheit stellen muss, auch endlich ein Paar als Gegengewicht zu den zahlreichen anderen um die 30-Jährigen, die im Film momentan gern zu ewigen Kindern hochstilisiert werden. Hipsterslacker, die irgendwo zwischen Nostalgie und Distinktionsgewinn oszillieren und um den eigenen Narzissmus rotierend der Welt ängstlich entgegen schauen. Das ist auch der Gund, warum ich während der Viennale Sophie und Jason aus Miranda Julys "The Future" nicht ertragen habe, ich hatte gerade Juliette und Roméo kennengelernt. Ihren Kampfgeist, ihre Liebe und ihre Kriegserklärung.

junges paar, das ein kleinkind hält, szenenbild aus "la guerre est declaree"

viennale

FM4 Kinopremiere

Gewinn Tickets für die FM4 Kinopremiere von "Das Leben gehört uns" (franz. OV mit dt. Untertiteln) am 19. April 2012 um 20 Uhr im Filmcasino (Margarethenstraße 78, 1050 Wien).

Wer an der Verlosung der 67x2 Karten teilnehmen will, muss nur folgende Frage richtig beantworten: Im Film singt Roméo für Adam das Lied "À la claire fontaine", in dem auch "rossignol" vorkommt. Wie lautet der deutsche Name für dieses Tier?

Die richtige Antwort war "Nachtigall". Die GewinnerInnen wurden bereits per Mail verständigt.